Eine Harfe für Dublin

Samuel Beckett-Bridge wird dem Verkehr übergeben. Von Rüdiger Sinn, Stuttgart

In der Tradition von gewagten Tragwerkskonstruktionen hat der spanische Architekt Santiago Calatrava eine weitere Brücke in Dublin verwirklicht. Nachdem die von ihm ebenfalls realisierte James Joyce-Bridge 2003 eingeweiht werden konnte, wurde nun die Samuel Beckett-Bridge – überspannt gleichermaßen den Fluss Liffey – Mitte Dezember, dem Verkehr übergeben.

Die Brücke, die ihren Namen dem nach Joyce wohl bekanntesten irischen Autoren, Samuel Beckett, erhalten hat, verbindet mit einer Schrägseilkonstruktion die Macken Street auf der Südseite des Flusses mit der Guild Street und den Docklands. Insgesamt 25 Seile, befestigt an einer sich 48 m hoch in den Himmel gebogenen, nach oben verjüngenden Schwinge, halten die Fahrbahn der Brücke auf der Nordseite. Sechs weitere, erheblich stärker dimensionierte Seile sind mit der Südseite verankert. Die 120 m lange Brücke ist für vier Auto- und zwei Fußgängerspuren ausgelegt.

Neben der für Calatrava typische biomorphen Ästhetik gibt es eine technische Besonderheit: Bei Schiffsverkehr kann sich die Brücke um 90 Grad drehen und erlaubt so die Durchfahrt. Der Drehpunkt der rund 60 Mio. €. teuren Brücke liegt exakt im Gründungspunkt des Pylons. Da die drehbare Brücke als ein Bauteil angesehen werden kann, wurde sie auch als ein Bauteil zur Baustelle gefahren. Nach drei Anläufen war es schließlich soweit, das auf Pontons den Liffey hochgeschobene Bauwerk konnte auf das Drehlager geschoben und angedockt werden.

Santiago Calatrava ist Architekt und Bauingenieur. In der Kombination seines Ingenieurwissens mit einem funktionalen, organisch-futuristischen Designansatz projektiert er immer wieder technisch spektakuläre Bauwerke, das zur Zeit wohl bekannteste ist die neue New Yorker U-Bahnstation am Ground Zero, dem zerstörten World Trade Center.

Die meisten seiner Bauwerke, so auch die Samuel Beckett-Brücke, fallen durch die skulpturale Wirkung des Tragwerks auf. Mit der Form einer Harfe, die seitlich aufgestellt in den Himmel ragt, stellt Calatrava die Verbindung zu Irland her. Die Harfe ist schon seit dem 13. Jahrhundert das Wahrzeichen der grünen Insel und erscheint heute auf Münzen, in Stempeln von Reisepässen und vor allem als Wappenzeichen.

Morgen, am 10. Dezember, soll die Brücke für Fußgänger geöffnet werden, die gesamte Freigabe ist noch für die Tage vor Weihnachten geplant.

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