Europäischer Energiewende Masterplan
16. Internationale Passivhaustagung 2012 22.01.2018Beim Staatshaushalt Sparen und dennoch Wachstum und Arbeitsplätze schaffen – das ist derzeit Topthema in der Europäischen Union. Wie das vereinbar ist und gleichzeitig weitere positive Effekte daraus erwachsen, zeigte die 16. Internationale Passivhaustagung in Hannover. Wird die neue „EU Energieeffizienz Richtlinie“ rasch mit den erforderlichen Begleitmaßnahmen umgesetzt, könnte dies Europa bis zum Jahr 2030 in vielen Sektoren Vollbeschäftigung bringen, die Wirtschaft kräftig ankurbeln und die Verschuldung reduzieren.
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Feist, Leiter des Passivhaus Instituts, nahm die Eröffnung der 16. Internationalen Passivhaustagung zum Anlass, der Europäischen Kommision und den Mitgliedsstaaten den Vorschlag zu unterbreiten, mit dem größten Investitionsprogramm seit 60 Jahren eine umfassende Energiewende in Europa herbei zu führen, von der alle profitieren können.
Mit einer Impulsförderung für die Sanierung von € 80 je m² Wohnfläche mit einer mindestens 85%-igen Energieeinsparung (sog. „Deep Renovation“)*) könnten in der EU innerhalb weniger Jahrzehnte alle Nachkriegsbauten auf zeitgemäßen Komfortstandard verbessert werden. In Europa existieren immer noch 5 Mrd. m² Wohnfläche in Nachkriegsbauten, die einen durchschnittlichen Heizwärmeverbrauch zwischen 140 kWh/m²a und 250 kWh/m²a aufweisen.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden bei einem Fördervolumen von € 400 Mrd. ein Investitionsvolumen von rund € 3 000 Mrd. in Europa auslösen – das der öffentlichen Hand allein durch Steuereinnahmen einen Rückfluss von € 600 Mrd brächte. Für die Bewohner der energetisch optimierten Wohnbauten ergäbe sich eine Ersparnis von rund € 4000 Mrd. an Energiekosten innerhalb der üblichen Darlehenslaufzeiten. Dies stelle einen nicht unbedeutender Zuwachs an Kaufkraft dar, wodurch die Wirtschaftsentwicklung nochmals gefördert werde. Dafür sei es allerdings entscheidend, dass dieses Investitionsprogramm europaweit konsequent nur für wirklich nachhaltige „Deep Renovation“ vergeben werde - denn Sanierungen mit schlechterer Qualität zementieren nur die schlechte Effizienz, wie Dr. Feist betonte. >(„Deep Renovation“ ist im aktuellen Papier der „Europäischen Energieeffizienz Richtlinie“ vom 28.02.2012 die Bezeichnung für thermische Sanierungen mit mindesten 80% Energieeffizienzverbesserung).
Mit dem Masterplan könnten über den ganzen Zeitraum jährlich 2,2 Mio. Jobs u.a. in der Bauwirtschaft geschaffen werden. Außerdem würde mit einer Einsparung von 530 Mio. t CO2 pro Jahr das Klima nachhaltig entlastet. Allein mit diesen Maßnahmen verringerte sich das Handelsbilanzdefizit um € 4.000 Milliarden, womit die Finanzkrise der EU nachhaltig entschärft werden könnte, unterstrich Günter Lang, Pressesprecher der 16. Internationalen Passivhaustagung die Bedeutung des Masterplans. Jährlich würden so 1000 TWh an Energie eingespart. Damit wäre jegliche weitere Fehlinvestition in fossile und atomare Kraftwerke überflüssig und die Energieautonomie Europas mittels erneuerbarer Energieträger in greifbare Nähe gerückt.
Der Einladung des Passivhaus Institutes waren in diesem Jahr über 1000 Teilnehmer aus aller Welt gefolgt. Etwa die Hälfte kam aus nicht deutschsprachigen Ländern, besonders viele diesmal aus Südkorea, Japan, China, den USA, Großbritannien, Norwegen, Belgien und Frankreich. In 16 Arbeitsgruppen präsentierten 90 Referenten den Zuhörern aus 45 Nationen die Umsetzungen und Erfahrungen mit dem Passivhaus-Standard im Neubau und bei der Sanierung als konkrete und vor allem praxiserprobte Lösungen für eine globale Energiewende durch Energieeffizienz. Weltweit bieten mittlerweile 40000 Passivhäuser auf 20 Mio. Quadratmetern ihren unterschiedlichsten Nutzern höchsten Komfort und ersparen ihnen jährlich 240 Mio. € an Energiekosten – Tendenz stark steigend.
Das System Passivhaus wird in den unterschiedlichsten Klimazonen und neben Wohnungsbauten auch im Nichtwohnbau bis hin zum Krankenhausbau angewendet. Viele Kommunen setzen bei öffentlichen Bauten auf den Baustandard Passivhaus, dessen für viele Nutzer unerwartet hoher Komfort besonders von Einrichtungen wie Kitas und Schulen geschätzt wird. Die Einsparungen an Energie und damit CO2 liegen im Bereich von 80% gegenüber herkömmlichen Neubauten.
Informationen: www.passivhaustagung.de