Gigantische Monolithen vor Wien
Dominique Perrault übergibt den höchsten Turm Österreichs, ein zweiter soll folgen 22.01.2018Seit der Internationalen Gartenschau 1965 ist das heutige Gebiet der Donaucity vor den Toren Wiens in die Wahrnehmung von Stadtplanung und Finanzinvestoren geraten. Mit dem Bau eines Damms gegen die ständige Überflutung des Geländes Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Areal besiedelt aber größtenteils mit provisorischen Häusern bebaut; eine Siedlungsweise, die sich heute noch im gebräuchlichen Namen Brettldorf widerspiegelt.
Die Zeiten sind andere, das Brettldorf liegt längst fast Downtown Wien, die Bodenpreise sind also, vorsichtig gesagt, gestiegen. Über die Jahrzehnten wurde dann ein Büroturm nach dem nächsten in die Höhe gestemmt, ein paar Wohnhochhäuser, so der Mischek-Tower von Delugan Meissl ist hier eher die Ausnahme.
Den vorläufigen Abschluss einer Hochbebauung bildet der nun übergebene DC Tower 1 von Dominique Perrault (mit dem Büro Hoffmann-Janz), dessen Planungsgeschichte 2002 begann, als die WED Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum AG einen internationalen Wettbewerb für die Gestaltung des letzten Abschnitts der Donau City ausschrieb, und dessen Entwicklung noch andauert.
Das Büro hat nach eigener Auskunft den Auftrag genutzt, um ein Eingangstor zur Donau City zu definieren. Im Gegensatz zu früheren Entwicklungsprojekten (Bürolandschaften) hat die WED die Zeichen der Zeit erkannt und die Leerstände in der Donau City richtig interpretiert und an dieser vorletzten Stelle im Planungsgebiet eine gemischte Nutzung vorgeschrieben; eben Büro und Wohnen. Perrault hat das ganz schlicht auf zwei Türme verteilt, der erste, der für die Bürovermietung steht jetzt.
Gestalterisch soll beiden Türme „wie zwei ungleiche Hälften eines gigantischen auseinander gebrochenen Monolithen“ agieren, die ein Tor bilden. Die bewegten Fassaden beleben den so geschaffenen Zwischenraum. Dabei werden die Türme leicht zum Fluss hin ausgerichtet, um mit dem Rest der Stadt in einen Dialog zu treten und weder dem historischen noch dem neuen Wien den Rücken zuzukehren. Die Faltenbildung der Fassade verleiht dem Turm einen fließenden, immateriellen Charakter und eine Modellierbarkeit, die ihn jederzeit auf eine Lichtsituation, eine Spiegelung oder ein besonderes Ereignis reagieren lässt.
Dazu Dominique Perrault: „Mit meiner Designpartnerin Gaëlle Lauriot-Prévost haben wir versucht, in den Innenräumen des Turms genau das Gegenteil zu bewirken: die Räume sollen hier sehr stark physisch spürbar, sehr präsent sein. Die Struktur verbirgt sich nicht, sie entzieht sich nicht dem Blick. Das Betonskelett wird zur Schau gestellt und kann berührt werden. Stein und Metall leisten in den Hallen und Gängen ihren Beitrag zur Farbgebung des Turms, zu seiner großzügigen und beruhigenden Körperlichkeit. Das Schaffen zeitgenössischer Architektur hat zur Folge, dass die eigentliche Arbeit des Architekten oft verborgen bleibt, das 'Schneidern' und 'Nähen' ebenso wie die Kontextualisierung und die Verankerung des Projektes in seiner Umgebung. Das Design ergibt sich meist in einem späteren Arbeitsschritt. Türme erscheinen oft wie vom Boden losgelöst, wie reine architektonische Objekte, die für sich allein stehen. Sie müssen auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt werden und in den Städten verankert werden, in denen sich urbane Substanz befindet. Die grundlegende Horizontalität der Stadt und der öffentlichen Räume muss mit vertikalen Ausschlägen konfrontiert werden.“
Die komplizierten und anspruchsvollen Arbeiten am Fundament, an der Verankerung des DC Tower 1 war für die Planer von zentraler Bedeutung. Besondere architektonische Anordnungen charakterisieren die Beziehung des Turms zum Boden. An der Rückseite steigt der öffentliche Raum über Rampen vom unterirdischen Straßenniveau zum eigentlichen Oberflächenniveau an. Diese Topographie soll dem dem Turm eine Dynamik verleihen. Der öffentlich zugängliche Raum soll, so die Architekten, „das Auftreten eines so dominanten physischen Objekts“ erst ermöglichen und akzeptabel machen.
Neben den anderen drei Fassaden erheben sich, wenn man auf den Turm zugeht, zunehmend Metallschirme aus dem Boden, die das gewaltige Aufsteigen des Turms abschwächen sollen, indem sie die Bewegungen der Stadt mit der Bestimmung des Turms verbinden. Ob es insgesamt gelingt, das Potential der Randzonen der urbanen Rundumlandschaft zu nutzen und das Flussufer besser zur Geltung zu bringen, wird die nächste Zukunft zeigen.