Kleihues + Kleihues: BND. Die Zentrale
Ein Verlag (Hatje Cantz) ludt ins "Haus der Spione" an der Berliner Chausseestrasse 22.01.2018"Wir weisen zudem darauf hin, dass der Zutritt nur nach Vorlage des Personalausweises und nach Abgabe des Mobiltelefons sowie aller mitgeführten elektronischen Geräte (Laptop, Tablet, sämtliche Datenträger) gewährt werden kann. Es gibt vor Ort keine Parkmöglichkeiten. Das Rauchen ist während der Veranstaltung nicht möglich." Nun ja, dass das Rauchen während der Buchpräsentation beim Bundesnachrichtendient möglich wäre, wer hätte das gedacht!? Anderseits: Rauchen die nicht selbst ständig, die Spione?
Dass die zur Vorstellung des Buchs "Kleihues + Kleihues: BND. Die Zentrale" (Hatje Cantz) eingeladene Presse aber möglicherweise nur mit vom BND gestelltem Bleistift (stumpf und verwanzt) und Notizzetteln (lösen sich nach vier Stunden auf) in das "Haus der Spione" gelangen könnte, daran wurde nicht unbedingt gezweifelt. Denn schon Monate zuvor war es nur wenigen Journalisten gegönnt, in den am besten geschlossenen Neubau der Republik zu gelangen. Dem DBZ-Besuchswunsch sagte am Ende ein Spion im Range eines Oberst ab, immerhin.
Sehr gut trainiert wirkende Herren
Aber schließlich war es doch nicht so dramatisch, wie gehofft. Am Torhaus Nord der neuen BND-Zentrale, Chausseestraße 97, 10115 Berlin, hieß es erst einmal sehr freundlich, mal solle jetzt einmal alles ausschalten. Mitnehmen sei erlaubt. Drinnen, hinter der engen Sicherheitsglasdrehtür konnte man alles wieder einschalten, jedenfalls taten das die Meisten und seitens der zahlreich anwesenden, sehr gut trainiert wirkenden und fotogen verkabelten Herren kam kein Widerspruch.
Sogar Filmen war erlaubt im Konferenzbereich des BND, in welchem die Präsentation mit kleiner Podiumsdiskussion stattfand, "aber bitte nicht nach draußen, nicht ins Publikum und bitte keine sicherheitsrelevanten Details". Bewegungsmelder zum Beispiel oder Kameras. Der Konferenzraum, der mit seiner hellen Holzvertäfelung und Stühlen von Thonet (man gönnt sich ja sonst nichts) nicht anders wirkte als der jeder anderen (Bundes)Behörde oder jedes anderen deutschen (Groß)Unternehmens, war - und das darf ich schreiben - ein zum Zugang querrechteckiger Raum mit an der Rückwand mittig montiertem Regiekasten, links und rechts von einer Dolmetscherkabine (?) gefasst. Die Seiten des Raums öffnen sich über die hochrechteckigen Fensterformate, für der Neubau des BND und die Neubauten vieler Verwaltungs- und Bürobauten der letzten Jahrzehnte in Deutschland fast schon berühmt sind, in enge, begrünte Innenhöfe. In den Konferenzraum gelangt man vom Torhausfoyer aus über eine Treppe hoch, Schleuse passieren, Treppe hinab. Womit man im Erdgeschoss tagt, was aber nach dem Treppenabstieg irgendwie nach Untergeschoss anmutet. Ist es auch fast, das komplette Erdgeschoss - auch Sockel genannt - liegt leicht unter Straßenniveau. Das dient einerseits den Vorstellungen des Hausherrn von Sicherheit, andererseits der optischen Verringerung der Bauhöhe des Siebengeschossers.
Vorne auf schweren schwarzen Ledersesseln saßen dann in trauter Reihe Dr. Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Jan Kleihues, Architekt des Neubaus, und der in solchen Runden beinahe unvermeidbare Hanns Zischler, Schauspieler und Berlin-Kenner. Die Moderation übernahm eine gut aufgelegte und durchaus scharfsichtige Claudia Kromrei, Architektin und Dozentin, der man höchstens vorwerfen konnte, sie habe die Rundenteilnehmer ein wenig zu gern gehabt.
Wenn schon monumental, dann aber dezent
Nachdem dann der Verlagsleiter bei Hatje Cantz das Produkt Buch über den Klee gelobt hatte - dafür war die Veranstaltung ja auch gedacht - und der Präsident seinen Laden in gleicher Weise, startete die kleine Podiumsreihe um über „Monumentalität und Poesie“ zu talken. Ob der gut 280 m lange Bau tatsächlich monumental sei wollte der Architekt, Jan Kleihues, nicht so sehen, viel lieber versuchte er das Monumentale im Relationismus auflösen: die Großfigur, die sich mit jedem Näherkommen - was beim BND-Neubau gar nicht möglich ist - im immer tiefer gestalteten Detail auflöst, ist eben nur relativ monumental. Und gut, wenn schon monumental, dann aber wenigstens „dezent“.
Der aus Nürnberg gebürtige Filmschauspieler, Dramaturg, Regisseur, Hörspielsprecher, Fotograf, Übersetzer, Essayist und Berliner Hanns Zischler gestand dem Bau mit ca. 14000 Fenster ein „beeindruckend“ zu, was ja auch schon etwas sei. Und er ergänzte, dass wenn man tatsächlich Monumentalität sehen wolle (was sonst, Herr Zischler?!), dann könne das durchaus etwas Gutes haben. Denn ja, die Stadt Berlin bräuchte diese „monumentalen Impulse“, um aus dem Kleinklein zu einer das Ganze beeindruckenden urbanen Struktur zu gelangen, die nicht abweisend, sondern integrierend wirke. So integrierend, wie alle die anderen Großbauten dieser Stadt: Flughäfen, Ministerien, Stadien oder Gewerbezentren.
Und die Poesie?
Und die Poesie? Dazu kam, kaum verwunderlich, nichts Konkretes vom Podium. Eher Andeutungen davon, was immer mit der Poetik des Raums, der Poesie der Lichtführung, der Lyrik des unscheinbar Anwesenden o. ä. verkauft wird. Und es gab einen begeisterten Kunsthistoriker Adrian von Buttlar, der im Repetitiven der Fassade Erhabenheit fand und die Monumentalität durch das Kolossale zu mindern suchte. Eine Rundfunkjournalistin, die in jüngerer Vergangenheit mit Jan Kleihues ein Interview gemacht hatte, fragte nichts, sie wolle nur sagen, dass ihr das Zeichen, das der Grundriss in den Stadtgrundriss schreibt, reinste Poesie sei.
Nicht länger als zwei ICEs
280 m lang ist die Struktur, "auch nicht länger als ein zusammengekoppelter ICE" (Hans Zischler). Sie besteht aus zwei zentralen, in Nordwest-Südost-Richtung parallel laufenden Gebäudeteilen (in deren Fluren man einmal gerne stehen wollte), an die – immer symmetrisch platziert – rechts und links zahlreiche Gebäudeteile andocken oder andocken sollen. Dort, wo noch angedockt werden könnte (an der Südwestfassade), ist die Lochfassade fensterlos geschlossen. Ob der damit zurzeit noch nicht komplettierte Entwurf damit die 14000 Fenster hat, die meist im Zusammenhang mit der Größe des Bauwerks kolportiert werden? Jan Kleihues versprach, er werde das einmal selbst nachzählen, wenn er dazu Zeit habe.
Blickkontakt zur Aufsichtsbehörde, dem Kanzleramt
Weil in dem Buch nur Bilder gedruckt sind, die eher Details zeigen, niemals aber das, was von Interesse wäre (Verhörräume, Abhörtechnik, Entwicklungsabteilungen, Trainingsräume, Büroräume, Empfangs-, Besprechungsräume, Tee-, Kaffeeküchen, Waffenkammern, Archive etc.) mussten sich die Zuhörer das Interior, das sie vor dem geistigen Auge hatten, durch das während der Veranstaltung Gesagte ergänzen/korrigieren. Gleiches gilt natürlich für die Grundrisse, die man in dem Buch vergeblich sucht. Was wir erfahren durften war zum Beispiel, dass das Dienstzimmer des Direktors so liegt, dass er Blickkontakt zur Aufsichtsbehörde, dem Kanzleramt, hat. Und umgekehrt. Auch gibt es auf dem Weg dorthin Sicherheitsschleusen, die - so war gerade in einem Bericht auf Spiegel-online zu lesen - noch nicht in aller Perfektion arbeiten und auch schon mal den Hausherrn aussperren. Halböffentliche und hermetisch gesicherte Räume und Arbeitszone wechseln sich ab, drei Atrien in der zentralen Hofachse bringen Luft ins Kompakte. Auf diese zentrale Achse zielt von der Nordbebauung (Logistikzentrum, Energiezentrale und Parkhaus, von HENN) eine Fußgängerbrücke. Im Süden wird das Monumentale abgeriegelt durch Wohnbebauung (Bestand) und durch das gemeinsame Ausbildungszentrum von BND und Bundesamt für Verfassungsschutz sowie das zukünftige Besucherzentrum des BND (Lehmann Architekten).
1000000000 € Baukosten schreibt man, der Architekt weiss das gar nicht so genau
Er habe, so Jan Kleihues in einem kurzen Gespräch im Anschluss an die Veranstaltung, selbst nicht mit dieser freundliche Atmosphäre gerechnet, für die BND-Planung sei er in der zurückliegenden Zeit häufig von Journalisten aber auch von Kollegen angegriffen worden. Was er und seine Mitarbeiter hier alles geleistet hätten, können man vielleicht wirklich nur beurteilen, wenn man den Bau auch von innen gesehen hätte. So sei hier auf höchstem handwerklichen Niveau ausgeführt worden, die Möblierung stamme von Kleihues + Kleihues, die meisten Details wurde so umgesetzt, wie sie geplant waren. Das sei bei anderen, privaten Bauherren, nicht immer in dieser Weise möglich. Auf die Nachfrage, ob er denn wirklich nicht wisse, was der Bau nun gekostet habe – Jan Kleihues hatte das auf dem Podium gesagt – antwortete er, dass er das tatsächlich nicht wisse, hier sei sein Partner zuständig. In der Presse liest man diese Zahl: 1,1 Mrd. €. Das Meiste dafür ganz sicher für die (technische) Erstausstattung auf einer BGF von gigantisch kolossalen 260.000 m². Das Wenigste davon für die Handvoll Kiefern, die hier eigentlich schon standen, lange bevor erste Menschen diesen Ort besiedelten. Und dort wohl standen, als Jan Kleihues noch ein Kind war. Und jetzt wieder hier stehen, um dem Riesenhaften und seiner unglaublichen Wiederholungssucht etwas Lebendiges, Schiefes, Ungrades entgegen zu setzen. Als sei ihm das alles doch nicht so ganz geheuer, diese achsen- und punktsymetrische Kunstfigur, die einem Dienst eine Arbeitsstätte geworden ist, dessen Vergangenheit ebenso fragwürdig ist, wie sein Dasein in unserer Gesellschaft heute auch.
Nach den "lächerlichen Pavillons" eine repräsentative Hülle
Die, wie Präsident Kahl meinte, "lächerlichen Pavillons" im süddeutschen Pullach, seien mit dem Neubau Geschichte. Was stimmt, was aber nicht hindern sollte, sie als Voraussetzung für den Neubau in Berlin anzusehen. Die sogenannten Pavillon verweisen ohne Umwege auf die Reichssiedlung aus den 1930er-Jahren und sie sind als Ensemble (Planung Roderich Fick) ein wichtiges Dokument der NS-Zeit, das zu Recht und noch so gerade rechtzeitig vor anrollenden Bulldozern unter Ensemble- und Denkmalschutz gestellt werden konnte. Die Geschichte des Bundesnachrichtendienstes wird zuzeit untersucht wie die Geschichte des Deutschen Bauministeriums. Dass dabei nicht immer nur schöne Dinge herauskommen, davon darf ausgegangen werden, ob man das alles vom Entwurf einer Architektur trennen kann, muss bezweifelt werden. In Berlin jedenfalls ist das Haus der Spione ein Palast geworden, nach den lächerlichen Pavillons eine repräsentative Hülle. Was soll uns das am Ende sagen? Be. K.