Hoffentlich kein Eigentor!
Nationales Fußballmuseum in Dortmund eröffnet 22.01.2018Es war sehr schwer, an der Meldung vorbeizukommen: Gerade (Sonntag, 25.10.2015) wurde in Dortmund das Nationale Fußballmuseum feierlich eröffnet. Freilich waren die meisten Fußballfunktionäre nicht in Feierlaune und teils auch gar nicht da. Ursache war weniger die Architektur von HPP, die manche Kommentatoren mit einer (Fußball-) Schuhschachtel verglichen, als die schwelende Finanzaffäre um die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland - das berühmte „Sommermärchen“. Pikant daran ist, und es wirft einen leichten Schatten auf den freistehenden Solitär am Königswall, dass das Sportmuseum aus den Gewinnen eben dieses Großevents finanziert wurde. Die entsprechende Idee entstand kurz nach besagter WM: 2007 nahm das DFB-Präsidium die Städte Dortmund, Gelsenkirchen, Köln und Oberhausen in die engere Wahl und entschied sich so für das einwohnerstärkste Bundesland Nordrhein-Westfalen. 2009 schließlich legte man sich auf den heutigen Standort westlich des Dortmunder Hauptbahnhofes fest. Die Stadt Dortmund lobte 2011 einen Architekturwettbewerb aus, bei dem 24 Arbeiten eingereicht wurden. Da aber keine davon das Preisgereicht überzeugte, benannte dieses lediglich drei dritte Plätze. Dies waren die Architekturbüros HPP (Düsseldorf), ferner eine ARGE aus Petersen BWM Architekten (Dortmund) sowie pmp (München). In der Folge schieden erst die Dortmunder und dann die Münchner Planer aus und Hentrich-Petschnigg + Partner wurden mit der Realisierung beauftragt. Für das inhaltliche, räumliche und dramaturgische Konzept zeichnet hingegen der Berliner Ausstellungsplaner TRIAD verantwortlich.
Die Architektur
Der lang gestreckte, fast 20 m hohe Bau nimmt eine Grundfläche von 88,5 m auf 25,40 m ein und liegt leicht nach Westen versetzt unmittelbar am Dortmunder Hauptbahnhof. Verlässt man diesen über den Haupteingang ist nur der parallel zu den Gleisen verlaufende Westwall zu überqueren und man steht direkt auf dessen geräumigen Vorplatz. Nur durch eine schmale Gasse getrennt schließt sich an das im Prinzip freistehende Museum eine kleinteilige Bestandsbebauung der Nachkriegszeit an.
Vor Jahren, in den ersten Animationen, erinnerte seine nach vorne geneigte Schmalseite mit einem noch ungeteilten Screen im 1. OG an damals noch gebräuchlichen Fernseher. Tatsächlich wirkt der Bau mit der ihm vorgelagerten Freifläche wie eine permanente Public-Viewing-Einheit.
Vielleicht mag dies der ursprüngliche Entwurfsgedanke gewesen sein, jedoch schrumpfte die gläserne Fläche schnell auf ein unspektakuläres Maß zusammen, eine vertikale Teilung kam hinzu und die erwähnte Konnotation ging vollkommen verloren. Geblieben von dem ursprünglichen Entwurf ist die aufwendig gestanzte und perforierte Metallhaube, die helmartig über dem gläsernen Erdgeschoss schwebt und eine Fläche von rund 7.300 m² besitzt. Die thermische Trennung erfolgt über eine dahinter angeordnete Glasfassade in klassischer Pfosten-Riegel-Konstruktion. Der Hohlraumk dazwischen nimmt leicht austauschbare, großformatige Banner auf. Tagsüber sind diese kaum wahrnehmbar, des Nachts werden sie aber von innen angestrahlt und treten so deutlich in den Vordergrund. Der Bau verändert damit vollkommen seinen Charakter; aus einem technoiden Metallsolitär wird ein multimedialer Quader.
Die Ausstellung
Betritt man den Bau, erinnert das Foyer an einen Flaggshipstore des Herstellers und DFB-Hauptsponsors Addidas. 2011 hat der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass die Verwendung öffentlicher Mittel für ein Museum mit Bezug auf Fußballgeschichte und Fußballkultur „zu viel Steuergeld für eine Nebensache" sei. Dabei sind die 17,50 Euro für ein Ticket für den Museumseintritt ein ausgesprochen stolzer Preis.
In die Ausstellung gelangt man über eine steile, gut 30 m lange Rolltreppe, die im Raum der Nationalmannschaft mündet. Dieser ist geprägt von einer über 3 m hohen Kugel, die als Projektionsfläche für diverse Animationen dient. Mal ist die Kugel ein Fußball, mal unser Heimatplanet, mal eine gewölbte Filmleinwand.
In den zweiten Saal gelangt man ausschließlich (!) über einen zwischengeschalteten Kinosaal, in dem ein Info-Film in Endlosschleife läuft. Diesen verlässt man am Kopfende und gelangt über eine weitere Treppe eine Etage tiefer in die „Schatzkammer“. Hier stehen die "Zweitoriginale", alle Pokale des DFB, die seinerzeit den Gewinnern dauerhaft überreicht wurden. An den Pokalsaal schließt sich ein Raum an, der die Bundesligen zum Thema hat. Der Rundgang endet in der „DFB Hall-of-Fame“, eine Ruhmeshalle des Verbandes. Verlassen kann man die Ausstellung nur über das schon erwähnte Outlet des Sportausrüsters.
Alles durchsichtig
Die eingangs erwähnte, markante Glasscreen am östlichen Kopfende des Museums belichtet das Restaurant im 2.OG. Räumlich schließt dieses direkt an den Durchgangs-Kinosaal an, ist aber nicht über diesen, sondern nur über einen gläsernen Aufzug im Eingangsfoyer zugänglich. An das Foyer und den Shop schließt sich ein offenes und weitgehend voll verglastes Erdgeschoss an, das Sonderausstellungen dient und von einer amphitheaterartigen Senke charakterisiert ist. An den Schmalseiten dieser Wanne sind Ränge ausgebildet, die zum Hinsetzen und pausieren einladen. Die Mitte dient in der Regel als Kinderspielfläche.
An der rückwärtigen Stirnseite des Gebäudes befindet sich ein zweiflügeliges, 5 m breites und 4 m hohes Glastor mit einem Gewicht von 600 kg. Es ist die VIP-Zufahrt für den Bus der Nationalmannschaft. Tatsächlich „parkt“ dieser jetzt immer hier, sofern er nicht benötigt wird und ist ein fester Teil der Show. Die Besucher dürfen in ihn einsteigen.
Keine Sommermärchenfeier
Diese Objektplatzierung und anderes soll das museale Konzept unterstreichen, dass ein lebendiger Ort für „Erinnerungen und Erfahrungen der deutschen Fußballgeschichte“ sein soll. Die Aussteller wollen nicht nur zahllose Kicker-Devotionalien präsentieren, sondern auch die Möglichkeit bieten, Fußball vor Ort zu feiern. Bedauerlich nur, dass dieses Museum genau mit so einer sicher geschichtsträchtigen Sommermärchenfeier beginnen muss.
Robert Mehl, Aachen