In den Sand gelegt

Grundsteinlegung für die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel Berlin ohne Chipperfield

Berlin schwimmt. Was die gestalterischen Perspektiven in die Zukunft der Stadt angeht, wie auch, wohin sich Stadt und Land politisch und wirtschaftlich entwickelt. Das mag auch auch viele andere Städte zutreffen, doch erstens handelt es sich bei Berlin um die einzige international wahrgenommene Stadt der Republik, dann ist sie (Bundes)Hauptstadt und am Ende gar schwimmt sie wirklich: auf Sand!

Nun soll man nicht auf Sand bauen sondern auf Fels. So jedenfalls dachte man, als es noch keine Düsenstrahlsäulen, Hydralikbagger, Unterwasserbeton und Taucher gab. Die machen es heute möglich, dass beispielsweise der Neubau des zukünftigen Eingangsgebäudes auf der Museumsinsel nicht nach oder schon während seiner Fertigstellung im Modder versackt, dem eiszeitlichen Bodengeschiebe sei Dank (zu den Bodenarbeiten siehe das hier angehängte PDF). Die Grundsteinlegung der James-Simon-Galerie am 18. Oktober 2013 gründete auf einer Düsenstrahlsohle in Kombination mit Kleinbohrpfählen und war also fast zukunftsoptimistisch verlaufen. Wenn nicht dann doch im Dunstkreis der feierlichen Zeremonie eine Zahl – ich möchte fast schreiben „aus dem Boden“ – aufgetaucht wäre: 98,836 Mio. €. Also wird nun die Fertigstellung des Gebäudes aus der Feder von Chipperfield Architects, London, statt der einmal prognostizierten 73 Mio. € ab sofort 26 Mio. € teurer (plus beinahe 40 Prozent. Eine Zahl, die insofern interessant ist, weil sie exakt die Zahl ist, die die SPK als Einsparungsmarge beim Bau des Neuen Museums kolportiert).

Die Kostensteigerung ist dem Baugrund (Modder) zu verdanken, dem zudem noch eine Firma gegenüberstand, die die oben genannte Geräte nicht richtig zum Einsatz gebracht hat (so jedenfalls die Vertreter des Bauherren Stiftung Preußischer Kulturbesitz). Und natürlich wird sich die Eröffnung weiter verschieben, zurzeit ist an 2017 gedacht (anfangs wollte man in diesem Jahr schon eröffnet haben).

Der jetzt kursierende Entwurf, die Überarbeitung einer grundsätzlichen Überarbeitung aus 2007, zeigt einen langgestreckten Bau, der trotz aller Auflösungsversuche einen blickdichten Riegel vor dem ebenfalls von Chipperfield verantworteten Neuen Museum bildet. Dieser Riegel hinter einer dichten Kolonadenreihe, die auf der Seite zum Kupfergraben allerdings nur ein Fassadenraster und kein geschützter Vorraum ist, wird einmal die Verteilerfunktion der umliegenden Museumsbauten übernehmen; ohne dabei deren Autonomie anzutasten. Innen drin finden sich ein großes Foyer, ein Café, Garderoben, ein Buchshop, Toiletten etc., kurz, alles, was man in einem Museumseingang erwartet. Nur dass hier keine eigenen Ausstellungsflächen vorhanden sind, lediglich kleinere Räume, die vielleicht als eine Art Teaser für die großen Ausstellungen in den anliegenden Museen genutzt werden.

Die Galerie gliedert sich in drei Hauptgeschosse, sowie ein zwischen den oberen Ebenen eingeschobenes Mezzaningeschoss und ein für Technik und betriebsinterne Funktionen vorgesehenes Untergeschoss. Alle Ebenen sind über eine große Treppenanlage und Aufzüge miteinander verbunden. Zwei Eingänge führen ins Innere der James-Simon-Galerie: Über die Freitreppe von der Bodestraße aus gelangen die Besucher in das Foyer auf der obersten Ebene, wo sie Informationen und Tickets erhalten. Dort befinden sich auch das Café (200 m²), der Ausgang auf die Terrasse zum Kupfergraben und der Eingang in das Pergamonmuseum. Ein weiteres, kleineres Foyer ist unmittelbar vom Neuen Hof - vis à vis des Westeingangs des Neuen Museums - ebenerdig zugänglich. Von hier aus gelangt der Besucher direkt in das unterhalb der Freitreppe befindliche Auditorium (etwa 300 Plätze). Im Mezzaningeschoss zwischen den beiden Foyerebenen, und damit von beiden Eingangsbereichen rasch erreichbar, befinden sich Garderoben, Schließfächer und Toiletten-Anlagen ebenso wie der Museumsshop (330 m²). Durch eine große Fensteröffnung bietet sich auch hier ein Ausblick auf den Kupfergraben. Vom kleinen Foyer gelangt der Besucher weiter hinab auf die Ebene 0 mit dem Sonderausstellungsbereich (etwa 650 m², zudem 350 m² zugehörige Vorbereitungsräume) und dem Übergang zur Archäologischen Promenade.

Der Entwurf Chipperfields reicht bis in die 90er Jahre zurück, damals schockierte der Brite die deutsche Öffentlichkeit und erschreckte insbesondere die per se ängstlich auf Geschichte (natürlich die der Vorväter) achtenden Geschichtsvereine der Hauptstadt mit einem auf den ersten Blick lieblosen Container-Entwurf, dessen Bilder auch das als unvergesslich titulierte Web nicht ohne längere Recherche preisgibt. Da Chipperfield diesen radikalen Entwurf zeitgenössischer Architektur in Berlin nicht realisieren durfte und damit eine Antwort auf Ioh Ming Peis Pyramide am Louvre in Paris unterblieb, hat den Architekten nicht gehindert, ihn mit dem Turner Contemporary im britischen Margate (s. Bilder) umzusetzen.

Heute ist der vielseits von Kolonaden geschmückte Bauentwurf (in Anlehnung an die Stüler'schen Kolonnaden, die an der Bodestraße südlich des Neuen Museums entlangführen) im Stil eines moderaten Neoklassizismus auf den Geschmack der Museumsinselsbetreiber abgestimmt. Die Säulenhöhe, die Weite der Kolonnaden verweisen auf antike Sakralarchitekturen, von denen in Berlin man die eine oder andere als Reste vom Ganzen im Museum bewundern kann. Auf der Museumsinsel. Die, wie wir jetzt wissen, auf Sand und Modder gebaut ist. Und auf der Liste des Unesco Weltkulturerbes steht. Wegen der Weltkultur, die hier gezeigt wird, nicht wegen der Behälter! Oder doch? David Chipperfield fehlte auf der Veranstaltung, er hatte andere Termine. Be. K.

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