Jury verleiht sieben Förderpreise und einen Sonderpreis

BDB-Studentenförderpreis 2019 entschieden

Im Rahmen der Förderung des studentischen Nachwuchses lobte der Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB) bereits zum 20. Mal seinen Förderpreis für Studierende aus. Prämiert werden sollten solche Studienarbeiten, die für die Entwicklung des Bauens unserer Zeit beispielhafte, nachhaltige Lösungen zeigen. Für den Förderpreis zugelassen waren Arbeiten aus vier Themenbereichen. Mitte März 2019 traf sich die Jury in Berlin, jetzt sind die PreisträgerInnen bekannt.

Unter dem Vorsitz von Prof. Jórunn Ragnarsdóttir, Partnerin im Büro Lederer+Ragnarsdóttir+Oei in Stuttgart und Professorin für Architektur, bewertete die Fachjury insgesamt 95 eingegangene Arbeiten zum BDB-Studentenförderpreis. Die Entwürfe behandelten die vier ausgelobten Kategorien „Gebäude“, „Ingenieurbauwerke“, „Konstruktionen“ und „Städtebauliche Planungen“. Begutachtet wurden die Einreichungen bei der Sitzung in der Technischen Universität Berlin am 15. und 16. März 2019. Die Fachjury, in welcher der BDB unter anderem durch Christoph Schild (Vizepräsident und zuständig für die studentische Arbeit im Verband) vertreten war, entschied sich dieses Jahr, sieben Förderpreise und einen Sonderpreis auszuzeichnen und zudem zwei Anerkennungen auszusprechen. Die Förderpreise sind mit jeweils 700 Euro und der Sonderpreis mit 300 Euro dotiert.

Die Preisträger im Überblick

Förderpreise in der Kategorie „Gebäude“:

„Bauen in der Zeit“ Laura Dominique Pastior
"Thick brick building - living and working in Hamburg“
Dominic Ahn, Matthew Dueck und Lukas Prestele
„Badehaus Breitstrom“
Leslie Majer

Förderpreise in der Kategorie „Konstruktionen“:

„Um die Ecke gedacht: Ein Aussichtsturm aus Stampflehm“ Marion Montiel-Cabrera und Sophie Johanna Ramm

Förderpreise in der Kategorie „Städtebauliche Planungen":

Das Dorf am Kölnberg - Konzepte für den Kölner Vorort Meschenich“ Christian Schramm
„Wohnutopie“ Maximilian Blume
„Main Street is (almost) alright“ Tobias Johannes Haag und Yonne-Luca Hack

Sonderpreis in der Kategorie „Konstruktionen“:

„Natural Mining“ Aaron Geier und Janina Stemler

Anerkennungen:

„Ökologische Beurteilung und Kostenkalkulation von Bauprodukten“ Julia Marie Zigann

„Robustheit im mehrgeschossigen Holzbau“ Danijela Bojic

Die feierliche Verleihung des BDB-Studentenförderpreises 2019 findet am 31. Mai 2019 im Rahmen des Deutschen Baumeistertages in Braunschweig statt.

Jurybeurteilungen

Förderpreise in der Kategorie „Gebäude“:

BAUEN IN DER ZEIT von Laura Dominique Pastior

Es ist nur zu oft die Regel, dass unsere Architektur ganz gezielt auf eine bestimmte Nutzungsanforderung antwortet. Dabei entsteht oftmals sowohl eine eindimensionale Festlegung auf die Art der Nutzung als auch auf ihre Form. Die Arbeit „Bauen in der Zeit“ rückt von dieser Gewohnheit bewusst ab. Sie schafft einen Gebäudetypus, der sich nicht auf die Art und Form der Nutzung festlegt. Tragende Schotten mit großen Türöffnungen werden von Leichtbauwänden ergänzt. Der Grundriss erschließt sich nicht nur vom Flur in die Räume sondern auch von Raum zu Raum. Eine Architektur, deren Wert gerade darin besteht, sich neuen Anforderungen anpassen zu können. Ob nun im Wechsel von der Wohn- zur Büronutzung oder der Möglichkeit zur flexiblen Anpassung der Grundrissformen. So sehr wie wir wissen, dass sich die Anforderungen an unsere gebaute Umwelt ständig ändern können, so sehr brauchen wir solche Beispiele für eine intelligente Architektur, die auf diesen Veränderungsdruck möglichst lange flexibel reagieren kann.

"Thick brick building - living and working in Hamburg“ von Dominic Ahn, Matthew Dueck und Lukas Prestele

Ein schlichter, robuster Baustein mit komplexem Innenleben liefert einen interessanten Beitrag zur ältesten Bauaufgabe der Menschen. Auf der Suche nach neuen Lebensformen wird die städtebauliche Tradition der europäischen Stadt als eine lebendige Grundidee aufgenommen und im Inneren des Gebäudes fortgesetzt. Das Volumen des wuchtigen Gebäudes orientiert sich an der Körnung in der Nachbarschaft, profitiert von seiner Lage direkt am Wasser und formuliert einen städtebaulichen Auftakt für weitere starke Bausteine entlang des Kanals.

Die disziplinierte Gestaltung der Fassaden macht neugierig auf ein weiteres Erkunden des Bauwerks. Die spielerische Fensteranordnung und der schöne Umgang mit robusten Materialien schaffen eine attraktive Vielfalt in der sonst einheitlichen Gestaltung. Die Transformation der Stadt in das Gebäude hinein ist sowohl in der Fläche wie auch in den räumlich attraktiven Raumfolgen spürbar. Es entstehen Wege und Plätze, die durch die Bewegung auf diesen ein starkes Erlebnis versprechen. Die Quelle der Überlegungen liegt im erkannten Wert der Gemeinschaft. Das Miteinander ist wesentlicher und wichtiger als die bis heute favorisierte Trennung von Wohnen und Arbeiten. Insofern ist die Arbeit als ein wichtiger Beitrag zu einem anderen, vielleicht einem besseren Leben zu verstehen. Es ist lobenswert, dass der Mensch mit seinen Bedürfnissen der Ausgangspunkt für das architektonische und städtebauliche Konzept bildet.

Förderpreis in der Kategorie „Konstruktionen“:

„Um die Ecke gedacht: Ein Aussichtsturm aus Stampflehm“ von Marion Montiel-Cabrera und Sophie Johanna Ramm

Die Auswahl dieser Arbeit in die Preisgruppe beruht auf dem innovativen Umgang der angehenden Architektinnen mit Materialien, die fast in die Vergessenheit geraten sind. Durch die Wiederentdeckung einer an dieses Material gebundenen Bauweise und die Anknüpfung an das Vorhandene des verwunschenen Ortes wird dessen Geschichte weitergeschrieben, ohne dass die Frage des Alters einzelner Bauten entsteht. Der vertikale neue Baustein formuliert eine neue Komposition der von Menschen gemachten Bauten, mit ihm wird er Ort komplett und ist nun als Ganzes lesbar.

Die gewählte Geometrie des Turmes in Kombination mit der Grundform der Einzelteile schaffen in ihrem geschichteten Aufbau unerwartete Ausblicke und eine starke Ausbildung der Ecken. Mit einfachsten Mitteln – die zu entwickeln allerdings immer das Schwierigst zugleich ist – gelingt eine Architektur, die genauer betrachtet werden will. Erst auf den zweiten Blick erkennt man dann, wie wenig es bedarf, um ein attraktives Raumerlebnis zu erzeugen.

Der Entwurf ist architektonisch und konstruktiv mit großer Sorgfalt entwickelt und sehr eindrücklich dargestellt. Der Mehrwert der Arbeit liegt vor allem im Fortschreiben der Geschichte des Handwerks, die der atmosphärischen Bereicherung des Ortes als Grundlage dient.

Förderpreise in der Kategorie „Städtebauliche Planungen":

„Das Dorf am Kölnberg - Konzepte für den Kölner Vorort Meschenich“ von Christian Schramm

„Relevanz" ist möglicherweise der ausschlaggende Aspekt einer jeden Masterarbeit. „Das Dorf am Kölnberg" erfüllt diese zentrale Anforderung wesentlich mit ihren Vorschlägen zum Umgang mit den Fehlern, die im auch dogmatisierten Massenwohnungsbau der 1970er-Jahre in Deutschland gemacht wurden. Dabei zeichnet sich die Arbeit durch ihre sehr genaue Analyse der durchaus kompliziert verwobenen, sehr unterschiedlich großen Elemente des Bestands aus, wie auch durch die konkreten Vorschläge, wie eine kluge Bestandsplanung für eine Vorstadt nachzuholen ist. Und wie man auf die kapitalen Fehlplanungen und deren Folgen reagieren kann.

Positiv überraschte dabei insbesondere der Ansatz, kein Tabula rasa bei den so sehr in Verruf geratenen Großbauten zu planen und umzusetzen, sondern durch sehr genau gesetzte Schnitte die alten Fallstricke zu durchtrennen: Konzentration auf wenige Wohnscheiben, Trennung der Nutzungen, harte Maßstabssprünge, harte Zonierung etc. Die Vorschläge der Arbeit – Auflösung der Großvolumen in elegante, zeitgenössische Wohntürme, Podiumsbauten, Volumenvariationen auch in den Einfamilienhäusern, Setzung zentraler Versorgungsbauten über die ganze Fläche etc. – führen das Dorf nicht wieder in seine (vielleicht nie dagewesene) Heimeligkeit zurück, sie akzeptieren das Vorgefundene, ordnen und formen es um und am Ende wird das zur wieder lebendigen Einheit, was in den vergangenen Jahrzehnten wegen Planungsfehlern sich selbst überlassen nur noch ein ungeliebter Restort war.

Die Arbeit hat damit durchaus Potential, in vergleichbaren Fällen als Referenzprojekt Geltung zu haben.

„Wohnutopie“ von Maximilian Blume

Ausgehend von der allgemeinen Überzeugung, dass wir in allen deutschen Großstädten in den kommenden Jahrzehnten einen hohen Bedarf an neuen Wohnungen haben werden, wie gleichzeitig davon ausgehend, dass diese Perspektive bisher nur unzureichende, weil zu wenig innovative Ansätze hervorgebracht hat, springen die Verfasser mit ihrer „Wohnutopie" wunderbar anschaulich in dieses bautypologische Desiderat hinein. Ihr als Prototyp verstandener Vorschlag, einen mehrgeschossigen Balken als bewohnbares Brückenbauwerk über das Gleisvorfeld eines grossen Bahnhofs zu stellen, überzeugt nicht allein durch die Qualität der offen bespielbaren Grundrisse – hier werden Wohnungen unterschiedlichster Größen untergebracht aber ebenso der Luxus geschosseübergreifener, robuster, offener Gemeinschaftsflächen.

Der Balken thematisiert darüber hinaus das Konzept genossenschaftlichen Handelns, Variabilität des Gesamtvolumens und seiner Verortung im Stadtraum, Aktivierung vorhandener, öffentlicher Flächen oder auch die Ökonomie seiner Realisierung. Das Projekt überzeugt zudem durch seine stringente innere Raumentwicklung und Raumausbildung über Straßen und Plätze und das Angebot eines individuell steuer- und formbaren Gemeinschaftslebens. Und nicht zuletzt ist es gestaltete und sehr mutige Architektur, die wir gerne am vorgeschlagenen Ort gebaut sähen.

„Main Street is (almost) alright“ von Tobias Johannes Haag und Yonne-Luca Hack

Ungewöhnlich aber durchaus möglich, vielleicht sogar wünschenswert ist der radikale Vorschlag der Verfasser, im Innersten der Stadt höchste Dichte zu produzieren. Und das an einem Ort in der Großstadt, wo die Blockrandzeilen einer Wohnbebauung eher wie ein Fremdkörper wirken und das ganze Ensemble durch Verkehr, Gewerbe- und Industriehallen geprägt ist. Hier werden die Innenhöfe zu regelrechten Wohnburgen kondensiert, hier entsteht über der Erschließungsebene mit öffentlichen Nutzungen ein schier unübersichtliches Geflecht aus Wohnungen und Lichthöfen. Deren Enge nicht einmal einen freien Blick in den Stadtraum gewährt, sie sind Schächte, die Tageslicht transportieren sollen und die Kommunikation mit den Nachbarn vis-a-vis erlauben. Hinter den Bestandszeilen aus den 1960er-Jahren entwickelt sich so die Enge einer mittelalterlichen Stadt. Eine Verdichtungsform, die bewusst über das Maß der menschlichen Verträglichkeit hinausgeht und uns damit beispielhaft zeigt, mit welcher Radikalität wir die Diskussion über die Zukunft des Wohnens führen müssten.

Sonderpreis in der Kategorie „Konstruktionen“:

„Natural Mining“ von Aaron Geier und Janina Stemler

Die Verfasser haben ein Konzept vorgelegt, bei dem Gebäude nach ihrer Nutzungszeit über natürliche Zerfallsprozesse zur Natur zurückgeführt werden. Mit diesem Projekt, das zum Forschungsobjekt für ökologisches Bauen taugt, zeigen uns die Studenten, wie sie den Umgang mit der Natur verstehen und erinnern uns an unsere Verantwortung als Bauschaffende. Die Jury vergibt für dieses Konzept, bei dem die Natur praktisch den Rückbau übernimmt, einen Sonderpreis. Sie würdigt damit die Bauweise einer Konstruktion, die bezogen auf die Baumasse – Stampflehm, Stroh, Holz und Kalkstein – zu über 90 % Baustoffe verwendet, welche einen niedrigen Primärenergiegehalt (PEI < 1200 kWh/m³) haben. Bei der Wahl der Baustoffe wurde neben kurzen Transportwegen auch auf natürliche Kreisläufe Rücksicht genommen.

In unserer Zeit, in der die weltweiten Treibhausgasemissionen zu einem 1/3 aus dem Baugewerbe stammen – zum größten Teil aus der Zementproduktion – ist Organic Construction ein sinnvoller Beitrag in unserem Diskurs zu Nachhaltigkeit und Ökonomie, der mit einem schonenderen Umgang mit dem Ökosystem, mit unserer Umwelt wichtige Akzente setzt in einem in der nächsten Zukunft gesamtgesellschaftlich zu führenden Gespräch.

Jury

Prof. Dipl.-Ing. Jórunn Ragnarsdóttir (Architektin, Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart), Juryvorsitzende
Felix Görrissen, B.A. (Preisträger des DIA-Preises 2018 der Hochschule Wismar)
Dipl.-Ing. Steffen Güll (Beratender Ingenieur BDB, Schwerin)
Benedikt Kraft (Historiker M.A., stellv. Chefredakteur DBZ)
Dipl.-Ing. Christoph Schild (Architekt, BDB-Vizepräsident)

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