Manfred Sack ist gestorben!

Ein Nachruf von Volkwin Marg

„Ach, dieser gütige Mann!“ ist überall der Stoßseufzer auf meinen Anruf.

Fürwahr, er war nicht nur der große Architekturkritiker, sondern er war „Ein Menschenfreund“, wie er in „Der Architekt“ des BDA in seiner Rezension Julius Posener anlässlich dessen Autobiographie „Fast so alt wie ein Jahrhundert“ tituliert hatte.

Manfred hat mit 86 Jahren das Zeitliche segnen müssen, und wir gedenken seiner mit Zuneigung und Bewunderung.

Anfangs war er, der als einer der ersten Studenten in den 40er und 50er Jahren an der TU in Berlin Musik und Kunstgeschichte studiert hatte, Musikkritiker, der in pointierten Rezensionen die Populärmusik ins kulturelle Bewusstsein rief, um dann 40 Jahre lang in unablässigem Elan für die Leser seiner Zeitung „Die Zeit“ einen festen Feuilleton-Platz für die regelmäßige und gründliche Architekturkritik zu erobern.

Seine architektonischen Beiträge haben die Leser vor allem das Sehen gelehrt, d.h. das Wahrnehmen, niemals aus kühl distanzierter intellektueller Ferne, sondern stets in menschlicher Anteilnahme aus der Nähe.

Seine sorgfältigen Recherchen und gebildeten Kommentare haben ihm Vertrauen verschafft, weil sie durch gewinnende, persönliche Wärme überzeugten. Er konnte über Architektur staunen wie ein Kind, begeisternd schwärmen wie ein Jüngling, ärgerlich schimpfen in verständlichem und nachempfindbarem Zorn.

Ihm ging es nicht um kritische Zensuren des Besserwissens, sondern um verstehende Meinungsbildung seiner Leser. Dafür bekam er – und durch ihn mittelbar „Die Zeit“ – 1976 den BDA-Kritikerpreis, ganz zu schweigen von späterer Ehrendoktorwürde und Akademieberufungen in Hamburg und Salzburg, sowie dem Theodor-Wolff-Preis.

Der Stil seiner sorgfältigen Formulierungen war einzigartig und in ihrer Treffsicherheit unverkennbar, mal von aphoristischer Kürze zur sarkastischen Pointierung, mal von epischer Eleganz bei der bildhaften Erläuterung komplexer Zusammenhänge. Das haben wir als kritisierte Architekten selbst erfahren, z.B. als scharfen Verriss „Deutsche, baut deutsch“ als Antwort auf ein Pamphlet zusammen mit O.M. Ungers oder als Hymne zum Berliner Flughafen „Ein Halleluja für zwei Architekten“.

Manfred Sack hatte einen weiten Blick, vom kleinen Gebrauchsgegenstand, dem Handwerklichen, über die Architektur bis hin zu Städtebau und Politik. Unvergessen ist sein Einsatz mit Hilfe „Der Zeit“ das verwahrloste Hamburger Quartier Ottensen vor der Spitzhacke zu bewahren, Planer, Bürger, Hauseigentümer und Politiker zusammenzuführen und letztendlich die Geburt des heute sehr beliebten Stadtteils einzuleiten.

Ihm kam es bei Städtebau und Architektur auf das Praktische, Freundliche und Schöne an, um das Wahrhafte, das in der Verschmelzung mit der Güte für die Menschen als Schönheit aufleuchtet.

Er blieb der sozialen Idee und Ästhetik der Moderne treu und kämpfte zugleich für einen richtig verstandenen Denkmalschutz, wofür er mit dem Denkmalschutzpreis ausgezeichnet wurde.

Es war für uns alle ein Gewinn mit ihm befreundet zu sein.

Nun lesen wir seine vielen konstruktiven Zeitungsartikel und Publikationen nach, heruntergeladen z.B. aus ZEIT ONLINE. Mit besonderem Vergnügen seine wunderbaren „kleinen“ Bücher, z.B.  „Auftritte, ... zum Thema Populärmusik, oder „Alltagswelten, … notwendige Gebrauchsgegenstände“, zu finden unter 119212870 im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Und dabei begegnen wir aufs Neue dem sympathischen Freund.

Hamburg, Oktober 2014

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