Mehr als ein Nachkriegslückenfüller
Deutscher Städtebaupreis 2010 geht nach Münster/Westf. 22.01.2018Den Deutschen Städtebaupreis 2010 hat das Projekt Stubengasse in Münster erhalten. Hier wurde die letzte große Kriegsbrache in der Innenstadt von einer verkehrsbelasteten, für Wohnen wie Gewerbe unattraktiven Randzone in ein lebendiges Stadtviertel verwandelt. Ausgelobt ist der Preis von der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung, gefördert von der Wüstenrot Stiftung. Jury-Vorsitzender 2010 war Michael Braum, Präsident der Bundesstiftung Baukultur in Potsdam. Bei der Preisverleihung am 7.September in Essen würdigte er die Arbeit der Münsteraner: „Ein urbanes Stadtquartier ist entstanden, das in kürzester Zeit von sitzenden und schlendernden Flaneuren, zielstrebigen Stadt-Durchquerern und natürlich den allgegenwärtigen Münsteraner Radfahrern angenommen wurde. Fußgängerströme verändern sich, aus Sackgassen werden 1 A-Lagen, ehemalige Hinterhöfe werden zu angenehmen Stadtplätzen, benachbarte Hauseigentümer beginnen Investitionen an ihrem Bestand.“
Unter den Beteiligten an diesem Stadtentwicklungs-Projekt gratulierte Braum besonders den Architekturbüros Fritzen + Müller-Giebeler, Ernst Kasper sowie Deilmann und Kresing, der Bauherrin Harpen Immobilien GmbH und Westfälische Bauindustrie sowie Münsters Baudezernenten, Stadtdirektor Hartwig Schultheiß. Die Jury sprach den Münsteranern „planerische Tugend verbunden mit politischer Weitsicht“ zu, außerdem den „festen Willen, städtebauliche und architektonische Qualität in einem Stadtplanungsprozess nicht aus den Augen zu verlieren“.
Der im Jahr 1979 ins Leben gerufene Deutsche Städtebaupreis dient der Förderung einer zukunftsweisenden Planungskultur und Stadtbaukunst. Mit ihm prämiieren die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) und die Wüstenrot Stiftung realisierte städtebauliche Projekte, die sich durch nachhaltige und innovative Beiträge zur Stadtbaukultur sowie zur räumlichen Entwicklung im städtischen und ländlichen Kontext auszeichnen. Der Preis wird in zwei Sparten vergeben. Neben dem Hauptpreis dient der ausgelobte Sonderpreis dem Aufspüren zukunftweisender Handlungsfelder der Stadtplanung und neuer Verfahrenswege. Er konzentrierte sich 2010 auf die Prämierung herausragender Beispiele der Gestaltung von Orten des Wissens und der Bildung im städtebaulichen Kontext. Insgesamt wurden 65 Projekte, zum Sonderpreis 19 Projekte eingereicht.
Der Sonderpreis ging nach Luckenwalde für die „Bibliothek im Bahnhof“. Die Preisrichter anerkannten, dass es der Stadt gelungen war, ihren verfallenen Bahnhof zur Bibliothek umzubauen und so „einen bedeutsamen Ort mit einem frischen Geist erfüllte, der eine eigene, beachtliche Tradition einbringt“. Hier würdigten die Auslober besonders „das verantwortliche und beherzte Handeln der Stadt mit Frau Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide“, zudem die DSK Berlin als Projektsteuerer, die Architekten Martina Wronna, Katharina Feldhusen und Ralf Fleckenstein sowie für die Bauleitung Stephan Holtz.
Eine Auszeichnung gab es für das Nachverdichtungsrprojekt Q 21 in Köln, wo im Inneren eines heruntergekommenen, verschachtelten Block 15 Eigentumswohnungen entstanden und mit ihnen laut Jury „urbaner Lebensraum im besten Sinn“. Das Projekt realisierten die Architektin Ute Pieroeth, die Landschafstarchitekten Hoemann & Lengeling und das Planunsgbüro Heck gemeinsam mit der G.I.C. Grunsch Consulting und der Durst & Cie.
In Deutschlands nördlichster Stadt Flensburg erhielt das Konversionsprojekt SONWIK eine Auszeichung – ein neuer Stadtteil auf einem früheren Marinestützpunkt, wo öffentliche Quaianlage mit einem Bistro, ein Sportboothafen und zwanzig hochwertige „Wasserhäuser“ entstanden und bisher sechs frühere Marinegebäude für Wohnen und Gewerbe umgewandelt wurden. Das nützt nicht nur den Bewohnern und Nutzern, wie die Jury feststellte: „Dank der hohen Qualität der öffentlichen Außenräume ist der ehemals geschlossene Stadtteil ‚Mürwik’ heute ein beliebtes Ausflugsziel, der eine hohe Akzeptanz bei der Flensburger Bevölkerung genießt.“ Namentlich hervorgehoben sind hier die Sonwik Management GmbH & Co KG gemeinsam mit den Architekten Axel Waltje, Asmussen + Partner sowie APB Architekten.
In Bamberg war die das Quartier „Sand“ eine Kneipenmeile mit viele Durchgangsverkehr, Parkplatzproblemen und unsanierten Wohnungen. Immobilieneigentümer, Gewerbetreibende, Bewohner und Behördenmitarbeiter schlossen sich zu einem Verein zusammen, der Anstöße zur Behebung der Missstände gab. Inzwischen sind viele Wohn- und Geschäftshäuser instandgesetzt, neue Geschäfte eingezogen und der Außenraum in eine „Shared Space“-Gemeinschaftsfläche für alle Verkehrsteilnehmer umgewandelt. Die Auszeichnung ging an das Stadtplanungsamt Bamberg, vertreten durch Thomas Beese und Silke Klotzek, gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Höhnen und Partner, den Stadtwerken, der Energiediensleistungs GmbH, dem Büro transform und der Interessengemeinschaft interesSAND.
Die Gedenkstätte Berliner Mauer erhielt eine Auszeichnung im Rahmen des Sonderpreises. Gewürdigt wurden hier die Landschaftsarchitekten sinai, der Architekten Mola Winkelmüller, der Ausstellungsplaner ON architektur und der Grafiker Weidner Haendle gemeinsam mit der Stiftung Berliner Mauer, Berlin Grün und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Der Ort erzählt die Geschichte der Streitigkeiten um die Mauer nach ihrem Sturz und erinnert an die frühere Dramatik. Die Jury: „Die Überzeugungskraft des Konzeptes liegt im Augenmaß, der Authentizität, der Ausdrucksstärke und der Anteilnahme für die Opfer.“
Weitere Informationen finden Sie (demnächst?) auf den folgenden Internetseiten:
www.staedtebaupreis.de www.dasl.de