Ochtrup, geh du voran!

Das Euregio Outlet Center bei Münster darf sich über Gebühr vergrößern. Und setzt Maßstäbe in der Planungsfreiheit

Vor ein paar Jahren, ziemlich genau in 2004, als in dem westfälischen Ochtrup ein Outlet-Center sein Pforten öffnete – teils in einem unter Denkmalschutz stehenden Bau von Dominikus Böhm aus den 40er Jahren – da war die Einkaufswelt noch in Ordnung.

Dann wollte das Euregio-Outlet-Centers (EOC) seine Fläche vergrößern, von gerade mal 3500 m² auf immerhin 11.500 m². Geht nicht, sagte die Bezirksregierung, und verwies auf die Landesbauordnung, in welcher Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohner nicht mehr als 5000 m² Verkaufsfläche unter einem Dach anbieten dürfen. 

Geht wohl, sagte der Verfassungsgerichtshof NRW in Münster vor gut einem Monat, die Regelung, dass große Verkaufs-Center für preisreduzierte Markenkleidung nur in großen Städten erlaubt sind, verstoße gegen das Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Az.: VerfGH 18/08). Damit liegt ein Grundsatzurteil zur Schwellenwertproblematik vor. „Je strikter die Schwellenwerte“, so Dr. Michael Bertrams, Präsident des Verfassungsgerichtshofs, „desto höher ist die Begründungslast.“ Und begründet werden die Ober- beziehungsweise Untergrenzen vom Gesetzgeber nicht, sie beruhen auf extrapolierten Erfahrungswerten ohne konkreten Bezug auf das jeweilige Verfahren. Die Infragestellung des Normativen dieser Schwellenwerte wird für zukünftige Genehmigungsverfahren Folge haben. 

Gestern dann gab das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster einerseits der Gemeinde Ochtrup recht, die gegen die Verweigerung der Baugenehmigung durch die Bezirksregierung geklagt hatte. Andererseits gab der Senat der Bezirksregierung recht, die in einem Normenkontrollverfahren zur EOC-Planung das Gericht angerufen hatte. Und weil es in der Planung tatsächlich Verfahrensfehler gegeben hatte, hob das OVG den B-Plan auf (die Stadt hatte den veränderderten Bebauungsplan beinahe zeitgleich mit dem Flächennutzungsplan verabschiedet) und wies die Gemeinde an, hier entsprechende Korrekturen vorzunehmen; die Planung des um mehr als das Dreifache große EOC sei allerdings prinzipiell in Ordnung, das Gericht verwies auf die grundsätzliche Planungshoheit der Kommunen. 

Doch so recht Freude bereitete das Urteil niemandem, denn nun wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ochtrup und der Stadt Gronau geben. Letztere hatte sich ebenfalls in Sachen Factory Outlet (FOC) beworben und ist bereits mit einem Flächennutzungsplan bereit für den B-Plan. Gronaus Stadtbaurat Vetter: In Sachen Flächennutzungsplan sei man jetzt „mit Ochtrup an der gleichen Stelle.“ Die Entscheidung, ob er einer oder beiden Kommunen nun eine Baugenehmigung erteile, liegt jetzt beim Regierungspräsidenten. Be. K.

Shoppingcenter, Factory-Outlet, Mallmarkets in Deutschland

Trotz Finanzkrise und zahlreicher Insolvenzen im Einzelhandel ist auch in den nächsten Jahren in ganz Deutschland mit einem starken Zuwachs neuer Verkaufsflächen in Shopping-Centern zu rechnen. Für die Jahre 2010 bis 2013 sind 57 neue Einkaufszentren geplant (ab 10.000 m² Verkaufsfläche). Insgesamt werden dort über 4000 neue Läden eröffnen, mit einer Verkaufsfläche von rund einer Million Quadratmeter. Das Investitionsvolumen dafür liegt bei rund 7 Mrd. Euro.

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