Sicherheit durch PlanungBrandschutzkonzepte für Neu- und Altbauten
Bei der Bearbeitung eines Projekts spielt es für den Entwurfsverfasser und die beteiligten Fachplaner eine große Rolle, ob es sich bei dem Bauvorhaben um einen Neubau handelt, der von Grund auf neu geplant werden kann bzw. muss, oder ob es sich um einen Altbau handelt, bei dem die vorhandene Bausubstanz in Gänze oder teilweise berücksichtigt werden muss. Letzteres oftmals auch in Verbindung mit denkmalschutzrechtlichen Belangen. Abhängig davon, ob es sich um einen Neu- oder Altbau handelt, sind die beteiligten Planer mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Entsprechend unterscheiden sich auch die Anforderungen, die an die jeweiligen Planer gestellt werden. Dies gilt insbesondere auch für die sachverständigen Ersteller des Brandschutzkonzepts.
Baurechtliche Schutzziele
Die Erstellung eines Brandschutzkonzepts dient grundsätzlich dem Nachweis, dass die baurechtlichen Schutzziele, wie sie in den gültigen Bauordnungen der Länder formuliert sind, erfüllt werden. Die brandschutztechnische Konzeptionierung einer baulichen Anlage muss demnach gewährleisten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind (§ 14 MBO – Brandschutz). Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass die vorgenannten Schutzziele erfüllt werden, wenn die Anforderungen, die sich aus der entsprechenden Landesbauordnung ergeben, eingehalten werden. Da allerdings die jeweiligen Bauordnungen nicht jeden Sonderfall berücksichtigen können, gelten die grundsätzlichen Anforderungen primär für Standardbauvorhaben. Eine Differenzierung erfolgt hier lediglich über die Höhenlage des höchstgelegenen Aufenthaltsraums in Bezug zur Geländeoberfläche. Hier werden in Abhängigkeit von der zutreffenden Gebäudeklasse entsprechend des daraus resultierenden Risikos unterschiedliche Anforderungen, z. B. an die Feuerwiderstandsklassen des Tragwerks sowie der raumabschließenden Bauteile, gestellt. Sofern es sich bei einem Bauvorhaben nicht um ein solches Standardbauvorhaben handelt und eine oder mehrere Anforderungen, die sich aus der jeweiligen Landesbauordnung ergeben, nicht erfüllt werden können, handelt es sich um einen sogenannten „Sonderbau“.
Je nach Bundesland hat der Gesetzgeber für diverse Arten von Sonderbauten weitergehende Verordnungen erlassen, die dann in Verbindung mit der Landesbauordnung berücksichtigt werden müssen, um die eingangs genannten Schutzziele zu erfüllen. In diesem Fall handelt es sich um einen sogenannten „geregelten Sonderbau“. Handelt es sich bei dem zu planenden Bauvorhaben um einen Sonderbau, für den keine weitergehenden Verordnungen zutreffend sind, spricht man von einem „ungeregelten Sonderbau“. Die Aufstellung eines Brandschutzkonzepts erfolgt in der Regel, wenn wesentliche Abweichungen von den materiellen Anforderungen des Baurechts vorliegen und das Erreichen der Schutzziele nicht z. B. über weitergehende Richtlinien nachgewiesen werden kann. Darüber hinaus wird die Aufstellung eines Brandschutzkonzepts üblicherweise dann erforderlich, wenn das geplante Bauvorhaben dem Katalog der in den einzelnen Bauordnungen aufgeführten (großen) Sonderbauten zuzuordnen ist oder aber die Bauaufsichtsbehörde dies im Rahmen einer besonderen Anforderung verlangt. Wird die Aufstellung eines Brandschutzkonzepts weder baurechtlich noch behördlich gefordert, ist die Aufstellung als fachplanerische Zuarbeit zur Unterstützung des Entwurfsverfassers, der in diesem Fall für die Planung des Brandschutzes verantwortlich ist, bei komplexen Bauvorhaben grundsätzlich sinnvoll. Das Brandschutzkonzept bildet in jedem Fall den eingangs erwähnten, sachverständig begründeten Nachweis, dass das geplante Bauvorhaben – ganzheitlich betrachtet – die vorgenannten Schutzziele erfüllt.
Brandschutzkonzepte für Neubauten
Bei Neubauvorhaben ergeben sich wesentliche und über ein Brandschutzkonzept zu begründende Abweichungen von den materiellen Anforderungen des Baurechts oftmals dann, wenn entweder die Funktion bzw. die Nutzung des Gebäudes oder aber der gestalterische Anspruch deren Einhaltung entgegensteht. Funktionale Gründe liegen z. B. vor, wenn erforderliche horizontale oder vertikale Brandabschnittstrennungen aufgrund der Größe von Produktionsanlagen nicht herstellbar sind oder z. B. Großraumbüros mit einer über die zulässige Größe hinausgehenden Fläche erforderlich werden. Gestalterische Gründe liegen bspw. vor, wenn das Gebäude mit einem leichten Tragwerk ohne bzw. mit einem von den baurechtlichen Anforderungen abweichenden Feuerwiderstand hergestellt werden (Sonderkonstruktionen) oder das Gebäude z. B. über ein mehrgeschossiges Atrium verfügen soll. In letzterem Fall liegt eine Abweichung aufgrund der unzulässigen Öffnung in der Geschossdecke als horizontaler Raumabschluss vor.
Die Herausforderung an den Sachverständigen, der das Brandschutzkonzept aufstellt, besteht nun darin nachzuweisen, dass sich trotz der festgestellten Abweichungen das Gesamtrisiko nicht erhöht und folglich das verlangte Sicherheitsniveau im Sinne der Schutzziele auf andere Weise erreicht wird. Je nach Abweichung kann es hierfür ausreichend sein, den Nachweis über Ingenieurmethoden des Brandschutzes zu führen. Hierzu können entweder zur Verfügung stehende Informationen herangezogen werden – dies sind z. B. Ergebnisse von bereits durchgeführten Versuchen. Oder aber es können Versuche bzw. Simulationen gezielt für das konkrete Bauvorhaben durchgeführt werden. Alternativ zu dem Nachweis, dass die Abweichung an sich keine Erhöhung des Risikos darstellt, können ausgleichende Maßnahmen zur Kompensation der Abweichung festgelegt werden. Die Kompensation kann hierbei über Maßnahmen des organisatorischen/betrieblichen Brandschutzes, durch anlagentechnischen Brandschutz oder baulichen Brandschutz erfolgen.
Brandschutzkonzepte für Altbauten
Bei der brandschutztechnischen Bewertung von Altbauten bzw. bei Bauvorhaben, die in bestehende Altsubstanz eingreifen, steht die Frage nach dem Bestandsschutz oftmals im Vordergrund. Hierbei gilt es zu prüfen, ob Bestandsschutz geltend gemacht werden kann und ob dies für das gesamte Gebäude oder nur für Teilbereiche gilt. Relevant ist dabei, ob und in welchem Umfang wesentliche Änderungen am Gebäude vorgenommen wurden und inwieweit die angedachte Nutzung der seinerzeit genehmigten Nutzung entspricht. Da der Nachweis des Bestandsschutzes für das Gesamtgebäude nur selten und auch für Teilflächen nicht immer gelingt, kommt es hier oft zu einer Vielzahl von Abweichungen von den Anforderungen des heute gültigen Baurechts, die im Rahmen eines Brandschutzkonzepts zu bewerten sind. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Wahrung denkmalschutzrechtlicher Belange. Auch bei Verlust des Bestandsschutzes stehen hier oft schützenswerte Gebäudestrukturen der Umsetzung der Anforderungen des heutigen Baurechts entgegen, so dass auch hier nicht selten unzählige Abweichungen zu bewerten sind. Wie auch bei Neubauten ist dann ein entsprechender Nachweis zu führen bzw. sind kompensatorische Maßnahmen festzulegen.
Kompensation durch organisatorischen Brandschutz
Die Kompensation von Abweichungen von materiellen Anforderungen des Baurechts durch organisatorischen/betrieblichen Brandschutz ist oft nur bei geringfügigen Abweichungen möglich, da nur Maßnahmen in geringem Umfang zur Verfügung stehen, wie z. B. die Benennung eines Brandschutzbeauftragten (sofern baurechtlich nicht bereits gefordert) oder die Ausbildung von Brandschutzhelfern, die neben weitergehenden Kenntnissen im Bereich der Erstbekämpfung von Entstehungsbränden auch in der Lage sind, eine Räumung des Gebäudes einzuleiten sowie bei der Räumung zu unterstützen. Bei der Kompensation von Abweichungen durch organisatorischen Brandschutz ist dabei immer die Zuverlässigkeit der Maßnahme im Verhältnis zu der betreffenden Abweichung zu bewerten, da der Faktor Mensch hier die größte Fehlerquelle darstellt.
Kompensation durch baulichen Brandschutz
Da sowohl menschliches als auch technisches Versagen bei Maßnahmen des baulichen Brandschutzes bis auf ein geringes Restrisiko weitestgehend ausgeschlossen werden können, ist diese Maßnahme als Kompensation – sofern umsetzbar – immer zu bevorzugen. Als Maßnahme des baulichen Brandschutzes kommt z. B. die Ausbildung möglichst kleinzelliger, brandschutztechnisch abgetrennter Bereiche infrage, wodurch ein Entstehungsbrand sich primär nur auf einen kleinen Bereich erstrecken kann, während in den Bereichen jenseits der Abtrennung eine Räumung gefahrlos erfolgen kann. Allerdings steht der Kompensation durch bauliche Maßnahmen oftmals wiederum die Funktion des Gebäudes oder der gestalterische Anspruch entgegen.
Kompensation durch anlagentechnischen Brandschutz
Dem anlagentechnischen Brandschutz kann heute aufgrund verschiedener technischer Maßnahmen, wie bspw. der redundanten Ausführung von Anlagenteilen bis hin zu komplett redundanten Systemen sowie aufgrund von Restriktionen an den Betreiber hinsichtlich des Betriebs der Anlagen – z. B. bei Abschaltungen etc. – eine hohe Zuverlässigkeit bescheinigt werden. Darüber hinaus ist anlagentechnischer Brandschutz flexibel gestaltbar und kann funktionelle Anforderungen, die sich aus der Nutzung des Gebäudes ergeben, wie auch gestalterische Aspekte berücksichtigen.
Als Klassiker des anlagentechnischen Brandschutzes sind hier Löschanlagen zu nennen. Diese können in den unterschiedlichsten Variationen zur Kompensation herangezogen werden. Das Spektrum reicht hier von Anlagen, die einzelne Teile des Gebäudes schützen, bis hin zu flächendeckenden Anlagen für das Gesamtgebäude. Ebenso gibt es unterschiedliche technische Varianten – vom klassischen Sprinkler bis hin zur Wassernebelanlage, von einer trockenen Löschanlage mit manueller oder automatischer Auslösung durch eine Brandmeldeanlage bis hin zur Nassanlage mit temperaturabhängiger, automatischer Auslösung an den Sprinklerköpfen. Aufgrund der Löschwirkung dieser Anlagen können Entstehungsbrände im Regelfall bis zum Eintreffen der Feuerwehr soweit eingedämmt werden – eventuell sogar gelöscht werden – dass eine effektive Brandbekämpfung möglich bleibt.
Eine wesentliche Komponente des anlagentechnischen Brandschutzes stellen Alarmierungsanlagen dar. Der kompensatorische Nutzen bei diesen Anlagen liegt darin, zuverlässig eine schnelle Räumung des Gebäudes einzuleiten bzw. zu forcieren, damit im Brandfall eine Personengefährdung möglichst ausgeschlossen werden kann. Die Alarmierung selbst erfolgt dabei auf unterschiedlichste Art und Weise, von einfachen Hupen über Sirenen mit DIN-Ton bis hin zu komplexen und redundant ausgeführten Sprachalarmsystemen. Die Auslösung der Alarmierung erfolgt dabei entweder manuell, z. B. über Druckknopfmelder, oder automatisch durch eine Brandmeldeanlage bzw. durch eine installierte Löschanlage nach deren Auslösen.
Den zentralen Bestandteil des anlagentechnischen Brandschutzes stellen dabei sicherlich die Brandmeldeanlagen dar, da mit diesen die flexibelsten Lösungen erreicht werden können und sie überdies in vielen Fällen Bestandteil der bereits genannten Alarmierungs- oder Löschanlagen sind. Die Relevanz der Brandmeldeanlage als kompensatorisches Mittel hat in der Vergangenheit stetig zugenommen, da heutige Brandmeldetechnik eine evolutionäre Entwicklung von einfachen „Feuerwehrrufanlagen“ zu zuverlässigen Steuerungssystemen vollzogen hat, die in der Lage sind, neben der Fernalarmierung der Feuerwehr und dem Auslösen von Alarmierungseinrichtungen situationsabhängig unzählige, komplexe Steuerungen verschiedener Systeme und Einrichtungen über gesicherte Leitungswege auszuführen.
Brandmeldeanlagen gibt es hierbei ebenfalls in unterschiedlichen Varianten, von vernetzten Anlagen mit mehreren tausend Brandmeldern und Steuerungen sowie mit Aufschaltung zur zuständigen Feuerwehrleitstelle bis hin zu einfachen Hausalarmanlagen, die ausschließlich interne Alarmierung sowie einfache Steuerungen als Aufgabe besitzen. Die wesentliche Aufgabe der Brandmeldeanlage ist dabei die Detektion von (Entstehungs-)Bränden über verschiedenste Detektionsmittel (automatischer Brandmelder) sowie der Verarbeitung von manuellen Auslösungen über Druckknopfmelder (nicht automatischer Brandmelder) mit dem Ziel, die oben beschriebenen internen und externen Alarmierungen sowie Steuerungen auszulösen.
Der kompensatorische Nutzen der Brandmeldetechnik liegt hierbei in der frühestmöglichen Erkennung von auftretenden Brandereignissen, dem automatisierten Alarmieren der Feuerwehr (so dass so kurzfristig wie möglich mit Löscharbeiten begonnen werden kann), der Räumung des Gebäudes durch Auslösen der Alarmierungseinrichtungen sowie der Einleitung unterschiedlichster Maßnahmen und Steuerungen, wie z. B. der dynamischen oder adaptiven Fluchtweglenkung, dem Ansteuern nicht selbsttätig auslösender Löscheinrichtungen, der Abschottung einzelner Bereiche durch aktives Ansteuern, z. B. von Feuerschutz- oder Rauchschutzvorhängen, sowie das Auslösen der Brandfall- oder Evakuierungsfahrt von Aufzügen.
Aufgrund der Möglichkeiten, die heutige Brandmeldesysteme in diesem Bereich zur Verfügung stellen, kann diese Liste beliebig ergänzt werden. Die Wirksamkeit sowie die Einsatzgrenzen der einzelnen Systeme und Steuerungen entscheiden dabei über den Sinn und Nutzen als kompensatorisches Mittel.
Anforderungen an den Brandschutzkonzeptersteller
Der Sachverständige als Ersteller des Brandschutzkonzepts muss in der Lage sein, den Nachweis zu führen, dass die Schutzziele, die in den einzelnen Bauordnungen festgeschrieben sind, mit der von ihm erarbeiteten brandschutztechnischen Konzeption erreicht werden können. Sofern Abweichungen von den materiellen Anforderungen des Baurechts kompensiert werden sollen, ist hierfür entscheidend, dass der Sachverständige in der Lage ist, den kompensatorischen Nutzen des gewählten Mittels beurteilen zu können. Insbesondere im Bereich des anlagentechnischen Brandschutzes sind hierzu Grundkenntnisse über die technischen Möglichkeiten, aber auch über die Randbedingungen und Einsatzgrenzen der infrage kommenden Anlagentechnik und -komponenten erforderlich. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um Fachkenntnisse, die für eine Fachplanung der Anlagentechnik erforderlich wären. Vielmehr geht es darum, die technischen Möglichkeiten der Anlagen(-teile) bei der Begründung von Abweichungen sinnvoll bewerten und eine zielgerichtete, wirksame sowie möglichst wirtschaftliche Kompensationsmaßnahme auswählen zu können. Ist diese Grundvoraussetzung nicht gegeben, werden Abweichungen oftmals pauschal mit „1 Stück Brandmeldeanlage“ oder „1 Stück Löschanlage“ flächendeckend für das ganze Gebäude nach den einschlägigen Normen kompensiert. Mit einer entsprechenden Grundkenntnis der Anlagentechnik ist dabei in vielen Fällen eine sinnvollere, vor allem aber wirtschaftlichere Lösung für den Bauherrn zu erreichen. Entsprechende Kenntnisse können über die Angebote der Kammern und der Hersteller oder über die Fachverbände erworben werden.