Reduziert, Reduziert, Reduziert

Der Deutsche Pavillon in Venedig erscheint ein wenig zu sehr reduziert; aber vielleicht nutzt das etwas

Es muss nicht der Goldene Löwe sein. Es hätte auch ein Sonderpreis gereicht, einer, wie ihn vor Jahren das Büro Kuehn Malvezzi, Berlin, für ihren Entwurf zum Wiederaufbau Schloss in Berlin erhalten hatte. Der Sonderpreis damals, eine spontane Erfindung der Jury und eigentlich im Reglement nicht vorgesehen, wurde von vielen als soetwas wie ein Wiedergutmachung gewertet: Eigentlich seid ihr die Besten in diesem Wettbewerb, aber leider leider leider geht es hier gar nicht um das Beste!

Der Deutsche Pavillon, auf der Architekturbiennale Venedig 2012 von Muck Petzet kuratiert und einem vielköpfigem Team realisiert, hat in der Menge des in Venedig gezeigten den großen Vorteil, dass er sehr einfach gestaltet ist. Drei Minuten, diese Zeitansage stand von Anfang an im Raum, drei Minuten müssen reichen, ein noch so komplexes Thema wie das von "Reduce/Reuse/Recycle" den Menschen zu vermitteln. Ich habe das getestet, drei Minuten reichten allerdings nicht, es waren, im Schnelldurchlauf angeschaut, acht.

Acht Minuten für sechzehn Fotos, sechzehn Bilderunterschriften und einen kurzen Einleitungstext (neben englisch und deutsch auch auf italienisch), das ist wenig. Und rechne ich den Umweg hinzu, der dem Besucher auferlegt wird, weil der Eingang vorne geschlossen und - riesig Pfeile weisen den Weg links herum - ins Abseits der Büsche verlegt wurde, dann komme ich auf neun. Das ist zweimal zu lang.

Aber natürlich ist das alles Unsinn mit den drei Minuten, denn tatsächlich gibt es Pavillons, deren Inhalte zu längerem Verweilen einladen. Bei den Esten blieb ich gar eine halbe Stunde, den Kuwaitis eine ganze (liegend, lesend, hörend). Dennoch wirkt der Eindruck, den der Deutsche Pavillon durch seine Ruhe und die Konzentration auf wenige Fotografien/überzeugende Objekte vermittelt, nachhaltig. Die direkte Applizierung der großformatige Fotos der Fotografin Erica Overmeer auf die Wände und damit die Betonung des übersichtlichen Volumens lässt kaum Platz für Abschweifungen. Von den den Pavillon durchquerenden Stegen, auf denen sonst die Hochwasserleidgeprüften ihre Lagunenstadt durchwandern, schaut man auf Fassaden und wundert sich; teils über die simple aber leider viel zu wenig selbstverständlich direkte Art des Umgangs mit dem Bestand, teils über die gleich nachlassende Neugier, hierzu im Katalog (bei Hatje) Details nachzulesen.

Denn obwohl das hier Gezeigte Architekten- und Ingenieurskunst vom Feinsten ist - weil eben wie selbstverständlich aber kaum praktiziert - ist es doch längst in vielen Fällen schon ausprobiert und teils in den Kanon deutscher Architekturgeschichte integriert (Hans Döllgast an der Alten Pinakothek in den Fünfziger Jahren beispielsweise). Dass das Thema hier in Venedig noch einmal vom verstaubten Sockel der Geschichte heruntergeholt wird, ist ehrenvoll, die gewollte Bezugnahme auf gewinnbringende Strategien der Vermeidung, des Recyclings und der Wiederverwendung im großmüllindustriellen Maßstab fehlt allerdings; als wäre das dann doch zu dreckig, zu wenig ansehnlich, zu sehr stinkende Sache.

Dem im Vorfeld gemachten Vorwurf, Deutschland präsentiere sich in Venedig nicht angemessen, bliebe weit hinter dem, was das hochtechnisierte Land vermöge, hat sich das Team am Ende dann insofern entzogen, als es auf die Karte des coolen Designs gesetzt hat. Drei Minuten, das geht eben nur, wenn keine Widerstände vorhanden sind, die es zu überwinden gälte. Schauen, staunen, begreifen, weiter. Noch Fragen? Nein, eigentlich keine. Damit führt die Reduktion zur Konzentration auf die Botschaft mit den drei R's. Das könnte nutzen, vielleicht. Be. K.

Die sechzehn im Deutschen Pavillon gezeigten Projekte: - Der Blumenladen in Oberbarmen. Entwerfen in Wuppertal, Urs Füssler, Berlin / Jörg Leeser, Köln 2008–2009
- Kollegiengebäude I und II, Universität Stuttgart, Heinle, Wischer und Partner Stuttgart 2000–2009
- Antivilla Krampnitz, Brandlhuber+ Emde, Schneider Berlin 2012
- Stadterneuerung Europarei, Uithoorn, Atelier Kempe Thill Architects and Planners Rotterdam 2004–2010
- Galerie Giti Nourbakhsch, Berlin, RobertneunTM Berlin 2006
- Kulturzentrum Alvéole 14, Saint-Nazaire LIN Architects Urbanists Berlin 2005–2007
- Hörsaalgebäude, Universität Erlangen-Nürnberg, Schulz & Schulz Leipzig 2010–2011
- Brunnenstraße Berlin, Brandlhuber+ERA, Emde, Schneider Berlin 2007–2010
- Studentisches Wohnhochhaus München,  knerer und lang Architekten Dresden 2010–2012
- Hochhaus C10, Hochschule Darmstadt, Staab Architekten Berlin 2009–2011
- Dornbuschkirche Frankfurt am Main, Meixner Schlüter Wendt Architekten Frankfurt am Main 2003–2005
- Wohnhaus Schreber Aachen, AMUNT Architekten Martenson und Nagel Theissen Aachen/Stuttgart 2010–2011
- Gebäuderecycling Status quo Deutschland 2012
- Wohnanlage Klostergarten Lehel München, Hild und K Architekten München 2007–2009
- Schutzhütte am Fichtelberg Tellerhäuser / Erzgebirge, AFF Architekten Berlin 2009–2010
- Ostflügel des Museums für Naturkunde Berlin, Diener & Diener Architekten Basel / Berlin 2008–2010

Mehr zum Deutschen Pavillon auf der Website.

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