Sagrada Família ist ab sofort Basilika

Antonio Gaudís Meisterwerk wurde am vergangenen Sonntag geweiht; von keinem Geringeren als Benedikt XVI.

Einer Frau, von der wir nur den Vornamen kennen (Isabel) haben wir wohl ein Jahrhundertbauwerk zu verdanken. Isabel spendete Ende des 19. Jahrhunderts Geld für den Weiterbau einer Kirche. So viel Geld, dass das Erzbistum von Barcelona mehr wollte, als ein vielleicht neugotisches Gotteshaus mit der üblich sparsamen Ausstattung von beispielsweise nur einem Turm. Der Neubau im Eixample-Viertel Barcelonas sollte eine Riesenkirche werden, eine echte Basilika mit nicht zweien oder drei Türmen, ganz 18 sollten es sein. Der beauftragte Architekt, Antoni Gaudí, wird die Vollendung des Baus nicht miterleben können, ebenso wenig die damals euphorischen Bauherren, die das „Näher zu dir oh Gott“ in unbescheidener Weise zum „höher zum Himmel, ihr Menschen“ verbogen. Wahrscheinlich im Jahr 2030 soll die ewige Baustelle Sagrada Família abgeschlossen sein, dann beginnt – und man ist heute schon dabei – der Baustellentyp, den wir aus Köln oder Paris oder London kennen: die ewig restaurierende Dombauhütte.


Bis 2030 ist es aber noch weit hin, ein Grund mit, die Architektur zum Gotteshaus zu weihen; was am vergangenen Sonntag geschah, wenn keinem geringeren als Papst Benedikt XVI. Dessen Alter macht die Segnung vor Vollendung nachvollziehbar, zumal nur noch eine Fassade fehlt und ein paar wenige Türme.


Die feierliche Segnung mit vielen tausend Gläubigen – darunter das spanische Königspaar – fand im Säulenwald des Basilikainneren statt. Dass dieser noch keinen Bilderschmuck, keine Skulpturen enthält, wird sich auch zur Vollendung nicht ändern, alle biblischen Darstellungen sind an den Außenwänden!

Gaudís Kirche ist umstritten, insbesondere der Mangel an detaillierten Zeichnungen – der Architekt starb überraschend (oder auch nicht) an den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls – ließ Kritiker nicht aufhören, auf mögliche Diskrepanzen zwischen Gaudí-Vision und Realisierung hinzuweisen. Auch stiehlt sie anderen großen Kirchen in Barcelona mehr und mehr die Schau, darunter die Kathedrale oder die Kirche Santa María del Mar. Andererseits wissen alle Barcelonesen, dass der ewigschöne Bau Gaudís die katalanische Touristenattraktion Nummer eins ist und nach der Vollendung bleiben wird. Sie ist auch eine Maschine zum Gelddrucken, denn die rund drei Millionen Menschen im Jahr, die sie besuchen und bewundern zahlen dafür je 12 Euro Eintritt. Die Besucherzahlen wären sicherlich noch um ein Weiteres zu steigern, würde der Seligsprechungsantrag, der seit dem Jahr 2000 dem Vatikan zur Prüfung vorliegt, demnächst positiv entschieden (Gaudí liegt in einer Gruft in der Kirche). Der Besuch Benedikts in Barcelona könnte hierfür ein Zeichen sein. Und die Zeit drängt: Die Heilige Familie ist von Bauarbeiten im Untergrund bedroht. Der Bau und der Betrieb einer neuen, die Fundamente der Basilika kratzenden U-Bahn hat bereits Gutachter beschäftigt; mit bisher widersprüchlichen Ergebnissen. Be. K.

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