Schlecht gefügter Schein

Die Bauten der deutschen Faschisten bröckeln; auch in Nürnberg. Was damit machen?

Wer sich zu Fuß auf dem Nürnberger Parteitagsgelände bewegen möchte, sollte viel Zeit und gutes Schuhwerk mitbringen. Denn erstens ist die mit Bauten der Nationalfaschistischen beplante und teils auch bebaute Fläche in Hektar zu messen, und dann ist der Grund nicht selten bröckelig oder vermoost oder gar nicht mehr vorhanden.

Die Stadt Nürnberg, die hier mit Mitteln des Bundes vor gut einem Jahrzehnt ein Dokumentationszentrum hat errichten lassen (Arch.: Günther Domenig), hatte sich in der Vergangenheit nicht gescheut, das Gelände (bis 2008) für Autorennen oder – immer noch – das Nürnberger Volksfest zu nutzen (als Vermieter). Aus der Kongresshalle, in welche Günther Domenig schließlich mit wütender Geste einen Speer hineinstach, wollte Nürnberg ein Einkaufszentrum machen. Pragmatismus oder Geschichtsvergessenheit?

Vergessen sind die Bauten auf dem Gelände, auf dem von 1933 bis 1938 die Reichsparteitage der NSDAP stattfanden und das in der Generalplanung aus dem Büro Albert Speer stammt, in gewisser Hinsicht aber dann doch. Und aus diesem Grunde teils nicht mehr sicher, Warnschilder und Absperrgitter an der Zeppelintribüne beispielsweise deuten auf mangelnde Fürsorge. Jahrzehntelanges Ignorieren grundsätzlicher Instandhaltungspflichten hat den Bauten, die ja für 1000 Jahre gebaut waren und dann wie antike Ruinen ein zweites Leben beginnen sollten, stark zugesetzt. Erste Schätzungen für rettende Maßnahmen gehen bis zu 70 Mio. €.

Da wurden auch schon mal Stimmen laut, die riesige Anlage mit Stadion, Aufmarschachse, Tribüne, Kongresshalle und weiteren, beeindruckend großen Nebengebäuden kontrolliert verfallen zu lassen, ihre Ruinierung also vorzuziehen.

Dieser Variante haben nun die Nürnberger Stadtoberen eine Absage erteilt. Dem Vorschlag des Nürnberger Architektenverein „Baulust“, die Zeppelintribüne beispielsweise hinter einer sicheren Glaswand verfallen zu lassen, entgegneten aktuell der Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) wie auch Julia Lehner (CSU), Kulturreferentin der Stadt. Beide machten klar, dass das Zeppelinfeld wesentlicher Bestandteil der Erinnerungskultur der Stadt sei. Hier könne man, auch angesichts des natürlichen Verschwindens von Zeit- und damit Augenzeuge, am eigenen Leib erleben, wie die Faschisten ihre Übermenschenideologie in Überarchitektur gefasst hätten.

Was aber mit der riesigen Anlage konkret wird, dazu gab es keine Stellungnahme. Die in der Vergangenheit durchgeführten Ideenwettbewerbe haben bis heute zu nichts geführt. Außer dazu, dass die Ruinen der deutschen Faschismusarchitektur sich weiterhin als das entpuppen dürfen, was sie niemals sein wollten: vordergründiger, schlecht gefügter Schein. Wir bleiben dran. Be. K.


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