UmBauKultur

Häuser von gestern für die Stadt von morgen; ein Kongressbericht aus Gelsenkirchen

Fragen über Fragen, und auch ein paar Antworten: Auf der Konferenz von StadtBauKultur NRW am 24. Januar 2014 im frisch umgebauten Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen trafen sich Politiker und Verwaltungsmitarbeiter, Ingenieure und ein paar Architekten um über die Umbaukultur im Lande und darüber hinaus zu sprechen.

Ein paar Fragen waren solche wie „Ist Baukultur bloß ein Schrecken oder bietet sie nicht auch Chancen? Wenn von gemeinsamer Kraftanstrengung die Rede ist: Wer muss hier gemeinsam sich anstrengen? Sind wir wirklich auf dem Wege, uns von Konsumenten zu Prosumenten zu entwickeln, also zu Menschen, die – Teil einer „Reparaturgesellschaft“ – die täglichen Dinge des Lebens selbst herstellen? Ist das bisher immer als so vorbildlich gehandelte Recycling nicht bloß die Fortsetzung überkommener Produktionszyklen und damit die Aufrechterhaltung von einer eigentlich als kritisch bewerteten Verbraucherhaltung? Wird es den Architekten, wie er heute noch arbeitet, in zehn Jahren noch geben? Ober brauchen wir nicht längst den Umbaukünstler, der sich als Bastler (Bricoleur), als Gärtner, als Szenarist versteht? Und wieso sind Schrottimmobilien immer noch besser als jedes Neubauprojekt?

Rund 300 ZuhörerInnen waren gekommen um solchen und weiteren Fragen auf den Grund zu gehen. Neben politischen Statements eines Landesbauministers, Michael Groschek, der um die schon genannten gemeinsamen Anstrengungen warb und vom Bemühen seines Ministeriums sprach, gab es teils sehr pointierte Vorträge und Statements, die das zukünftige Bauen in der Stadt (aber nicht nur dort!) in weiten Kreisen umzirkelten. Insgesamt kamen das Plenum am Vormittag und die Workshops am Nachmittag zu dem nicht sonderlich überraschenden Schluss, dass es so nicht weiter gehe.

Wir brauchen, so Muck Petzet in seinem Impulsvortrag, weniger Schwarz-Weiß-Denken, weniger Effizienz Hysterie und mehr Wertschätzung des Bestandes. Wir sollten erkennen, so das Fazit des Workshops UmBauten, dass das Alte und das Neue gleichwertig zu betrachten seien und man endlich mit dieser Zweiklassendoktrin brechen muss.

Wir sollten, so Workshop UmBaukunst, das Um- und Weiterbauen als die erste alltägliche Aufgabe des Architekten anerkennen und sie zum Schwerpunkt der Lehre machen.

Workshop UmBaumaterial kam zu dem Ergebnis, dass wir immer noch Bauteile als Störstoffe betrachten und nicht die in ihnen liegenden Potenziale sehen, auch, dass es keine guten oder schlechten Materialien gibt, sondern nur ein angemessener und eben unangemesser Umgang/Einsatz mit ihnen.

Wir brauchen neben allen Gestaltungsbeiräten auch Stadterneuerungsbeiräte, die die meist lang andauernden Wandlungs- und Fortschreibungsprozesse bis zu ihrem Ende durchhalten müssen (Workshop Stadterneuerung, Stadtumbau). Und: Das kostet Geld (Anschubfinanzierung), das sich am Ende aber immer rechne.

Der Kongress endete am frühen Abend mit erstaunlich positiver Grundstimmung, fast hätte man den Aufbruch (wohin immer auch) mit Händen greifen können. Dass er in einem Bau stattfand, der gerade eine wesentliche Umbau- und Neubauphase hinter sich hat, vermochte diesen Eindruck noch verstärken, wenngleich die Geschichte des Hans Sachs Haus-Umbaus (gmp Architekten, Hamburg) eher vom Gegenteil erzählt. Denn zwar konnte die historische Hülle einigermaßen erhalten werden, wurden Kubaturen nachgezeichnet, Farb- und Formgebungen zitiert, doch im Grunde ist das ehemalige Denkmal nur noch als Hülle erhalten. Aber eben auch als ein sehr lebendiger und überraschend offener, öffentlicher Ort, dessen Geschichte in der Stadt Gewicht hatte und dessen Geschichte die Menschen der Stadt weiterschreiben werden. Immerhin. Be. K.

Programm
9:30     Begrüßung / Welcome:
Michael von der Mühlen, Stadtdirektor Gelsenkirchen
Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
Hartwig Schultheiß, Stadtdirektor Münster, Vorstand StadtBauKultur NRW
10:00   UmBauKultur: Tim Rieniets, Geschäftsführer StadtBauKultur NRW
10:20   UmBauland NRW / Conversion Country NRW: Prof. Kunibert Wachten, RWTH Aachen10:45 Kaffeepause / Coffee Break
 
Umbau in NRW: Ursachen, Orte und Aufgaben / Conversion in NRW: Reasons, Spaces and Tasks
11:00   Handelsimmobilien / Commercial Buildings: Prof. Dr. Franz Pesch, Universität Stuttgart
11:20   Schrottimmobilien / Junk property: Prof. Dr. Guido Spars, BU Wuppertal
11:40   Wohnsiedlungen / Housing Develoments: Dr. Dieter Kraemer, VDW Rheinland
12:00   Kirchen / Churches: Jörg Beste, synergon, Köln
12:20   Mittagspause / Lunch Break
 
UmBaupraxis: Baukulturelle Potenziale
Conversion in Practice: Potential for the Building Culture
13:30   Impulsvortrag / Keynote: Muck Petzet, Generalkommissar des Deutschen Pavillons, Architekturbiennale Venedig 2012
14:00   Workshops / Workshops
A         UmBauten – neue Typen, neue Funktionen / ReStructures – new types, new functions
Thomas Hildebrand, Blue Architects, Zürich
Prof. Stefan Rettich, Karo Architekten, Leipzig
Dirk Somers, Bovenbouw, Antwerpen
Moderation: BeL Associates, Köln
 
B         UmBaukunst – ästhetische und atmosphärische Potenziale / Art of Conversion – aesthetic and atmospheric potentials (in englischer Sprache / in english language)
Prof. Tom Emerson, London/ETH Zürich
Jos de Krieger, Superuse Studios, Rotterdam
Folke Köbberling, Köbberling&Kaltwasser, Berlin
Moderation: Prof. Dr. Christoph Grafe, BU Wuppertal
 
C         UmBaumaterial – wiederverwenden, aufwerten, erneuern / Materials of Conversion – reuse, revalue, renew
Ute Dechantsreiter, bauteilnetz Deutschland
Prof. Manfred Hegger, TU Darmstadt (abgesagt, dafür auf dem Kongress kurzfristig zugesagt Dr. Ursula Kleefisch-Jobst Geschäftsführende Kuratorin des virtuellen M:AI Museum für Architekturkunst)
Susanne Fritzer, Wolfgang Feyferlik, Feyferlik/Fritzer, Graz
Moderation: Prof. Georg Giebeler, Köln
 
D         UmBauwirtschaft – investieren, entwickeln, vermarkten / Economy of Conversion – investment, development, marketing
Holger Matheis, BEOS AG, Berlin
Steff Fischer, Fischer AG Zürich
Dr. Egbert Dransfeld, IBoMa, Dortmund
Moderation: Prof. Dr. Guido Spars, BU Wuppertal
 
E         Stadterneuerung und Stadtumbau / Urban Renewal and Redevelopment
Sabine Nakelski, Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr NRW
Kristiaan Borret, Stadtarchitekt Antwerpen
Michael von der Mühlen, Stadtdirektor Gelsenkirchen
Prof. Mark Michaeli, TU München
Moderation: Frauke Burgdorff, Montag Stiftung Urbane Räume, Bonn
16:00   Kaffeepause / Coffee Break
 
Einblick in die Workshops – Ausblick auf die UmBauKultur
Insight into the Workshops – Prospects on the Culture of Conversion*
16:30   Abschlusspanel mit den Moderatoren der Workshops / Final Panel with the Workshop Moderators
BeL Associates, Prof. Dr. Christoph Grafe, Prof. Georg Giebeler, Prof. Dr. Guido Spars, Frauke Burgdorff
Moderation: Christine Kämmerer, StadtBauKultur NRW

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