Wenn die Sonne dem Wind einheizt

Aufwindkraftwerke könnten eines nicht fernen Tages in den Wüsten dieser Welt umweltfreundlich Strom produzieren. Tagung an der RUB zu Aufwindkraftwerken von heute an

Eine besondere Art Windkraftwerk steht im Mittelpunkt der Internationalen Konferenz SCPT 2010 – Solar Chimney Power Technology, die vom 28. bis zum 30.9.2010 an der Ruhr-Universität Bochum stattfindet. Gedacht für die Wüsten der Welt besteht es aus einem kilometergroßen, flach ansteigenden Glasdach, unter dem die Sonne die Luft erhitzt, die dann durch einen kilometerhohen Turm abfließt und dabei Turbinen antreibt. Machbar ist alles bis 1.500 Meter Turmhöhe, haben die Ingenieure errechnet.

Jetzt geht es darum, die Stromkosten zu optimieren. Konkurrenzfähig mit Kohle-, Öl-, Gas- und Kernenergie sind die Aufwindkraftwerke allemal, da die Baukosten geringer und die Lebensdauer mit über 100 Jahren doppelt so lang ist.

Stromimport aus Afrika

„Die zukünftige Stromversorgung Europas ist nur mit umweltschonenden und regenerativen Technologien möglich“, sind die Ingenieure überzeugt. Diese Notwendigkeit hat die Erzeugung von Solarstrom in den Wüsten Nordafrikas und Arabiens (MENA-Staaten) und den Stromtransport nach Europa zu einem aktuellen Thema gemacht. So hat das deutsche Wüstenstrom-Projekt DESERTEC Konkurrenz bekommen, denn auch Frankreich plant mit seinem Projekt TRANSGREEN den Import von solarem Wüstenstrom.

Windkraftwerk mit Sonnenkraft

Die solare Aufwindtechnologie – Solar Chimney Power Technology – ist dabei eine interessante Option. Die Sonne erhitzt die Luft unter einem gigantischen Glasdach über idealerweise dunklem Boden. Die heiße, leichte Luft will nach oben entweichen und muss dabei den Weg durch einen sehr hohen Kamin nehmen. Auf ihrem Weg treibt sie Turbinen an und erzeugt so Strom. „Im Grunde handelt es sich somit um ein Windkraftwerk, angetrieben von einer solar erzeugten Luftströmung“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Hans-Jürgen Niemann, emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für Windingenieurwesen und Strömungsmechanik der RUB. Die Hauptbestandteile der benötigten Baustoffe – Beton und Glas – sind in allen Wüsten der Erde vorhanden.

Konkurrenzfähig mit Kohle- und Atomstrom

Die Technik dieser Kraftwerke ist robust und weitgehend wartungsfrei, die Entwurfs-Lebensdauer von über 100 Jahren garantiert niedrige Stromgestehungskosten. „Die Kilowattstunde Strom könnte in den ersten 25 Jahren, in denen die Baukosten wieder hereinkommen müssen, etwa 12 bis 18 Cent abhängig von der Größe des Aufwindkraftwerks kosten, danach nur noch rund zwei Cent“, schätzt Prof. Niemann. „Damit ist der Preis absolut konkurrenzfähig mit Kernkraft- und Kohlestrom, die je unter fünf bzw. unter sieben Cent pro Kilowattstunde liegen.“ Die Baukosten für ein Aufwindkraftwerk mit einem 500-Meter-Turm, einem Kollektor von ca. zwei Kilometern Durchmesser und einer Leistung von etwa 20 Megawatt schätzt er auf rund 150 bis 200 Mio. Euro. Zum Vergleich: Der Bau eines Kohlekraftwerks mit 1.200 Megawatt Leistung kostet rund 1,2 Mrd. Euro, die Lebensdauer beträgt etwa 50 Jahre.

Brackwasserentsalzung als Nebenprodukt

Ein weiterer Pluspunkt des Aufwindkraftwerks: Es benötigt kein Wasser zur Stromerzeugung. Ganz im Gegenteil, es kann sogar der Brackwasserentsalzung dienen. In großen Tanks unter der Glasfläche des Kollektors kann man Brackwasser erhitzen und verdampfen, so dass es das Salz zurücklässt – eine Wasserentsalzung als Nebeneffekt. Die Wassertanks wiederum wirken positiv auf die Stromerzeugung zurück. Denn das Wasser speichert die Wärme der Sonne länger als der Boden, so dass die Turbinen selbst nach Einbruch der Dunkelheit noch weiter Strom „on demand“ erzeugen können.

Auch Landwirtschaft unterm Dach

Die Außenbereiche der Kollektoren – die Glasfläche steigt bei einem großen Aufwindkraftwerk mit einem Kollektordurchmesser von fünf bis sieben Kilometern und einer Turmhöhe von 1.500 Metern von etwa fünf Metern am äußeren Rand bis ca. 25 Meter nahe des Turms an – bieten außerdem beste klimatische Bedingungen für eine landwirtschaftliche Nutzung. „Insgesamt sind diese Kraftwerke Entwicklungsprojekte zur Eindämmung der Wüsten“, fasst Prof. Niemann zusammen. „Es entsteht eine typische Win-Win- Situation, welche die Bedürfnisse der Erzeugerländer mit denen der Stromimporteure zu einem Optimum kombiniert.“

Optimale Lösung für jeden Standort

Aktuelle Aufgabe der Forscher ist es, die jeweils günstigste Kraftwerkslösung für einen Standort zu errechnen. Die Größe des Kollektors muss der Höhe des Turms angepasst werden, auch die Höhe des Glases über dem Boden ist eine Stellschraube. Bei einem 1.500-Meter-Turm misst der Kollektor im Durchmesser ca. fünf bis sieben Kilometer, bei einem 500 -Meter-Turm etwa einen Kilometer. Konkrete Bauvorhaben für Aufwindkraftwerke gibt es derzeit nicht, „es wäre schön, wenn man recht bald ein Projekt mit 500-Meter Turm realisieren würde, um Erfahrungen mit dem Bau zu sammeln“, wünscht sich Prof. Niemann.

Tagung mit Gästen aus fünf Kontinenten

Die Tagung richtet die Ruhr-Universität in Partnerschaft mit der Bergischen Universität Wuppertal aus. Rund 40 Vortragende aus fünf Kontinenten sind zu Gast. Auf einer abschließenden Podiumsdiskussion zwischen hochrangigen Experten geht es um Vor- und Nachteile dieser Technologie im Vergleich zu anderen Energiekonzepten.

Weitere Informationen zur Veranstaltung unterwww.scpt2010.de.
Vertiefende Informationen bei

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Wilfried B. Krätzig, Statik und Dynamik, Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-29064, E-Mail: wilfried.kraetzig@ruhr-uni-bochum.de

Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Höffer, Institut für Konstruktiven Ingenieurbau, Windingenieurwesen und Strömungsmechanik, Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-25302, E-Mail: ruediger.hoeffer@rub.de

Prof. Dr.-Ing. Reinhard Harte, Statik und Dynamik der Tragwerke, Bergische Universität Wuppertal, Pauluskirchstraße 7, 42285 Wuppertal, Tel. 0202/439-4080, E-Mail: harte@uni-wuppertal.de

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