Einfach Bauen

Endbericht für das Forschungsvorhaben in Bad Aiblingen liegt vor (und hier komplett bei)

Nun hat die TU München, Prof. Florian Nagler und sein Team, das Ergebnis des Monitorings ihres gemeinsamen Forschungsprojekts "Einfach bauen" vorgelegt. Mit überraschend wenig neuen Erkenntnissen, vor allem aber mit der, dass das einfache Bauen heute nichts anderes ist, als das einfache Bauen gestern war. Daraus allerdings die relevanten Schlüsse zu ziehen, dürfte die größte Aufgabe aller Beteiligter sein. Und hier können wir noch überrascht werden!

Die drei Versuchshäuser, hier noch Baustelle (v. l.): Leichtbeton, Vollholz, Ziegel auf grüner Wiese
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Die drei Versuchshäuser, hier noch Baustelle (v. l.): Leichtbeton, Vollholz, Ziegel auf grüner Wiese
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Das Projekt ist - äußerlich betrachtet - überschaubar: Drei Häuser in gleicher Kubatur, mit jeweils anderen Baustoffen gebaut: mit Leichtbeton, Massivholz und Ziegel. Drei Wohnungsbauten auf der grünen Campus-Wiese des auch Mäzen seienden Ernst Böhm, Gründungsgesellschafter der B&O-Gruppe und umtriebiger Investor in zukunftserforschendes Bauen, sind seit Anfang 2021 fertig und in Betrieb, man könnte auch schreiben: Sie sind bezogen.

Leichtbeton: Bögen über den Fenstern vermeiden den Einbau eines Fenstersturz
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Leichtbeton: Bögen über den Fenstern vermeiden den Einbau eines Fenstersturz
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Im Leichtbetonbau: Schwingflügel (Holz) einfach eingesetzt (Lüftungsstellung leicht überrissen)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Im Leichtbetonbau: Schwingflügel (Holz) einfach eingesetzt (Lüftungsstellung leicht überrissen)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Mit dem Bezug startete dann auch ein umfangreiches Monitoring seitens der Forscherinnen, das nun in den schon angesprochenen, 350-seitigen Abschlussbericht mündete (s. Anlage).

Aus dem Abstract:

"Die Komplexität der Konstruktionen und Gebäudetechnik steigt seit Jahrzehnten stetig. Dies betrifft die Anforderungen an Standsicherheit, Wärme-, Feuchte-, Brand- und Schallschutz, Hygiene und Gesundheit wie auch den allgemeinen Nutzerkomfort. Das äußert sich in einer fast unüberblickbaren und weiter steigenden Zahl an Normen und Baugesetzen. Das damit anvisierte Ziel der Qualitätssicherung wird oft nicht erreicht: Die Folge der Komplexität ist eine hohe Fehlerquote in Planung und Ausführung sowie eine Überforderung von Bauherren und Nutzern. Hinsichtlich der Raumqualität ist der Standard in weiten Bereichen sogar gesunken: In der Abkehr von noch heute hochgeschätzten und flexibel nutzbaren Gebäuden der Gründerzeit entstanden seit der Nachkriegszeit auf den notwendigen Mindestmaßen basierende Gebäude. Die monofunktional angelegte Planung führte dazu, dass sich diese Typologien Veränderungen der Nutzung oder der Ansprüche nur schwierig anpassen konnten. Die Folge hiervon war und ist häufig der vorzeitige Umbau.

Holzbau bis in die Fassade (im Spiegel der verputzte Ziegelbau)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Holzbau bis in die Fassade (im Spiegel der verputzte Ziegelbau)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Innen verputzter Ziegelbau mit Lüftungsfenster (hinten)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Innen verputzter Ziegelbau mit Lüftungsfenster (hinten)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Das Projekt soll vor diesem Hintergrund den Anfangspunkt zu einer neuen, gegenläufigen Entwicklung markieren und so einen wichtigen Impuls in der deutschen Bauwirtschaft setzen.

Dem Vorhaben liegt die folgende Hypothese zugrunde: Wohngebäude mit hochwertiger und gleichzeitig suffizienter Architektur, robuster Baukonstruktion und reduzierter Gebäudetechnik sind - über einen Lebenszeitraum von 100 Jahren - bei besserer Aufenthaltsqualität sowohl üblichen Standardwohngebäuden als auch aktuellen Passivhäusern hinsichtlich Ökobilanz und Lebenszykluskosten überlegen. Eine neue Baukultur der Vereinfachung ist denkbar."

Denkbar? Reicht das? Wesentlicher Auftraggeber der Forschung ist der Bund, der zur neuen Baukultur leider im Augenblick immer nur ein "weiter so, aber effizienter, schneller" im Munde führt. Das nennt man wohl wirtschaftlich denken, die Wachstumstheorie, Wachstumsgewohnt unhinterfragt propagieren und lieber den "Gebäudetyp E" anpacken, als das einfache Bauen zum neuen Standard zu erklären. Immerhin: das einfache Bauen ist ja noch Neubau!

Holzbau mit verschiedenen (rechteckigen) Fensterformaten
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Holzbau mit verschiedenen (rechteckigen) Fensterformaten
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Im Abstract heisst es weiter: "Stringente und vielseitige Raumstrukturen, nutzungsflexible und hochwertig gestaltete Räume mit auskömmlicher Fläche (ca. 15-18 m²) und Höhe (ca. 2,60 m - 3,00 m), schichtenarme Bauteilaufbauten, zeitbeständige und haptisch ansprechende Oberflächen, einfache Anschlussdetails, Raumklimakonzepte mit reduzierter und anpassbarer Gebäudetechnik sind Bestandteile einer neuen Strategie. Diese zeichnet sich durch eine sehr ressourcenschonende Erstellung bei vertretbaren Kosten, eine dank hoher Qualität und Flexibilität lange Betriebsphase bei geringem Instandhaltungsaufwand, moderaten Energieverbrauch für Heizung, Kühlung und Lüftung sowie hervorragende Recyclingfähigkeit aus."

Moderat, vertretbar, also auch hinnehmbar, haptisch ansprechend und nutzungsflexibel, das sind Stichworte, die ein Verkäufer möglicherweise wählen muss, will er ein eigentlich anspruchsvolleres, aber irgendwie auch sperriges Produkt unter die Leute bringen. Wer hat denn die Nase vorn bei den drei Versuchsbauten, wer könnte Favorit sein? Wohl eine hybride Lösung, hiervon etwas, davon etwas, nur nicht in Materialideologien verfallen! Denn: "Ausgangspunkt der Untersuchungen sind die heute hochentwickelten Konstruktionsmaterialien Massivholz, Leichtbeton und hochwärmedämmendes Mauerwerk. Für diese Materialien wurden jeweils optimierte Konstruktionen, Raum- und Technikkonzepte, sowie Detaillösungen entwickelt und in einem Übersicht schaffenden Vergleich dargestellt." Das klingt doch nach Entwicklung und Best practice, das klingt nach hohem Standard und nach mehr, als nur einfach. Das wäre dann wohl auch den Architekten/Ingenieurinnen zu wenig gewesen. Der Industrie und dem Auftraggeber der Forschung sowieso.

Einfach, einfach, einfach (Dachüberstand Leichtbeton, Holzbau dahinter)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Einfach, einfach, einfach (Dachüberstand Leichtbeton, Holzbau dahinter)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Forschungsleitung: Florian Nagler TUM
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

Forschungsleitung: Florian Nagler TUM
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

So kann man gespannt sein, wie die Ministerien auf die Arbeit von Florian Nagler und sein Team (s. unten) reagieren, die Hersteller werden mitziehen, teils sind diese längst weiter als die von zahllosen  Lobbyisten bedrängte Politik. Wie sagt man hier im Lande?! Glück auf uns allen!

Einfach bauen

Forschungsstelle:

Technische Universität München, Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Florian Nagler M. A. (TUM), Dipl. Ing (FH). Architekt Tilmann Jarmer, Dipl. Ing. Architektin Anne Niemann, Mitarbeit: Antonia Cruel Cand. Arch.

Projektpartner:

TUM - Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen, Prof. Dipl.-Ing. Thomas Auer, M.Sc. Laura Franke
TUM - Professur für Entwerfen und Holzbau, Prof. DI Hermann Kaufmann
TUM - Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion, Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter, Dipl.-Ing. M.A. Architekt Stephan Ott, Architekt Marco Krechel. M. Sc.
TUM - Lehrstuhl für Werkstoffe und Werkstoffprüfung im Bauwesen, Prof. Dr.-Ing. Christoph Gehlen, Dipl. Ing. Charlotte Thiel

Förderer:

Stiftung Bayerisches Baugewerbe, München

B&O-Gruppe, Bad Aibling

Gumpp & Maier GmbH, Binswangen

Meier Betonwerke GmbH, Lauterhofen

Der Forschungsbericht wurde mit Mitteln der Forschungsinitiative Zukunft Bau des
Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Bonn, gefördert.

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