Fast alle sind sich einig: Wir müssen mehr bauen!
Bau- und Wohnungsgipfel in Berlin spielt Wirtschafts- gegen Umweltinteressen aus. Dazu auch eine Stellungnahme des BDB 25.09.2023 |Deutschland, so schreiben die Kolleginnen, geht es schlecht. Wirtschaftlich auch. Und weil die Bauindustrie neben der Automobilindustrie zu den großen Wirtschaftsmotoren gehört, muss die Stagnation, ja der angedrohte Stillstand, verhindert werden. Und so sind alle, die sich heute in Berlin zum Bau- und Wohnungsgipfel treffen, einig, dass der Staat rigide Bauauflagen zurücknehmen und Förderprogramme auflegen muss. Auch der Klimaminister Robert Habek zieht zurück.
Bundesklima- und eben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, so schreiben die Kolleginnen der Presse, verzichte ab sofort und bis auf unbestimmte Zeit auf die gerade noch geplanten, zusätzlichen und deutlich verschärften Klimaschutzvorgaben im Bereich Bau. Zudem versprach er, die Förderung von Baukrediten auszugeweiten. DerGrund: Wochenlanger heftiger Gegenwind in den Boulevard-Blättern, im Bundestag sowieso. Das eigentlich GEG Gebäudeenergiegesetzt war da längst zum Heizungsgesetz mutiert, ein Gesetz, das in deutschen Haushalten für Angst und Schrecken sorgte. Und populistischen Parteien, hier insbesondere und offensichtlich der rechtsnationalen "Alternative für Deutschland" Wählerinnen zutreibt.
Titelgeschichte auf dem ARTE Magazin (3/2023): Mein Haus, mein Glück. Ist der Traum vom Eigenheim noch zeitgemäß?" Dazu der Klimaminister, Robert Habek: ""Aufträge brechen ein und für so manche Familie droht der Traum vom eigenen Haus zu platzen."
Foto: Benedikt Kraft
So hat die Bundesregierung nun schon im Vorfeld des Gipfels in Berlin angekündigt, mit mehreren Maßnahmen gegen die Krise im Haus- und Wohnungsbau vorgehen. Verfahren sollen beschleunigt werden, Dämmstandards - deren ständige Gewichts- und damit Materialzunahme eher negative als positive Effekte hätten, sollen, bezogen auf die Vorhaben jüngster Vergangenheit, zurückgefahren werden. "Mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes", so Minister Habek, "ist sichergestellt, dass Neubauten ab 2024 klimafreundlich heizen. Deshalb halte ich es nicht mehr für nötig, jetzt auf die Schnelle den neuen Standard EH 40 einzuführen", sagte der Grünenpolitiker gegenüber Reuters. "Das kann noch warten, vor der EU-Gebäuderichtlinie macht es auch keinen großen Sinn. Daher sehe ich diesen neuen Standard in dieser Legislaturperiode nicht mehr." Die von der Baubranche immer wieder kritisierten Pläne werden damit wohl bis Ende 2025 nicht kommen. Kritisiert werden die Pläne nicht wegen der völlig unprofessionellen Vorstellung, mehr Dämmung im Neubau können Energie sparen, die Kritik richtet sich gegen die damit verbundenen höheren Erstellungskosten, die Bauherrinnen abschrecken. Bauexperten argumentieren schon länger, dass noch strengere Vorgaben zur Dämmung von Neubauten mehr kosten, ohne aber für deutlich mehr Klimaschutz zu sorgen.
Beim ursprünglich vom Klimaminister angepeilten und in der Presse beschimpftem EH-40-Standard brauchen Neubauten nur 40 Prozent der Primärenergie im Vergleich zu einem Standardvergleichsbau. Dies wird nun laut Habek nicht umgesetzt. Es bleibt beim Effizienzhaus-Standard EH 55, der derzeit wegen der staatlichen Förderung de facto der Standard für Neubauten ist.
Bauen, bauen, bauen ... Als wäre keine Zeit mehr danach.
Foto: Benedikt Kraft
Wegen der aktuellen Krise der Baubranche und weil sie sich offenbar mit den 400000 Neuwohnungen pro Jahr zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte, hatte Bundesbauministerin Klara Geywitz bereits den EH-40 als neuen Standard infrage gestellt. EH-40 sollte eigentlich ab Anfang 2025 für alle Neubauten gelten. Die Abkehr davon ist damit auch ein sehr offensichtliches Zugeständnis an die kriselnde Baubranche, die mit Genehmigungs- wie Bauantragsrückgängen, mit gestiegenen Baupreisen (im zweiten Quartal um knapp neun Prozent verglichen zum Zeitraum in 2022) und den immer noch hohen Zinsen zu kämpfen hat.
Und komme keiner mit "Schönheit", die liegt ohnehin im Auge des Betrachters. Der Bestand wartet, die Preise nicht. Auch nicht die Energiepreise ... (Parkhaus Pleichen, Würzburg, Abrisskandidat)
Foto: Benedikt Kraft
Auf dem Gipfel werden zudem die Nachfrager, also die privaten Bauherrn gestützt. Bessere Abschreibungsmöglichkeiten, keine Sanierungspflicht (oder auch "Sanierungszwang" wie auch "Heizungsverbot" etc., zu lesen bei den Kollegen der Presse), Anhebung der Kredithöchstbeträge um ca. 30000 Euro, aber auch "Mieterschutzoffensiven" sind vorgesehen, hier sollen Mietpreisbremsen und Mietenzuschüsse den überhitzten Wohnungsbaumarkt mit Steuergeldern kühlen.
Manches Neubauprojekt war auch zu groß gedacht, vor der erwartbaren Zinsexplosion. Muss das auch gerettet werden?
Foto: Benedikt Kraft
Was konkret beschlossen wird, darüber werden wir berichten [aktualisiert am 12. Oktober 2023: der 14 Punkte Plan als Download hier unten angefügt]. Dass die Berufsverbände die Diskussion begleiten, sollten wir hier an diesem Ort mit einer Stellungnahme des BDB Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e. V. nicht verschweigen, der Verband schlägt eben genau das vor, das nun von der Politik über Bord geworfen wird: Planen und Bauen im Bestand.
So können wir unter dem Titel "Planungsrecht neu ausrichten und Lasten reduzieren" in der Pressemitteilung des BDB von heute lesen, dass es "angesichts der weiterhin stark rückläufigen Auftragseingänge und der Entwicklung bei den Baugenehmigungen gerade im sozialen Wohnungsbau [...] ein gutes Zeichen [ist], dass das Thema nun im Bundeskanzleramt zur Chefsache erklärt wurde. Die Brisanz des Themas wurde durch die Absage der beiden wohnungswirtschaftlichen Verbände GdW und Haus & Grund noch einmal verdeutlicht.
Der BDB sieht zwei zentrale Aspekte, die zur Lösung der schwierigen Lage beitragen können:
1. Den Bestand nutzen: Mehr Wohnraum mit den richtigen Rahmenbedingungen für das Planen und Bauen
Ein entscheidender Schlüssel liegt, genau wie beim klimagerechten Planen und Bauen, in der Nutzung des Bestandes. Der BDB hat es in seinem Klimabauplan bereits formuliert: Das Aufstocken und der Um- und Ausbau von Gebäuden sowie die Verdichtung von Quartieren birgt großes Potential zur Schaffung von mehr Wohnraum. Die Planerinnen und Planer stehen bereit, um diese Aufgabe mit kreativen, zukunftsfähigen Lösungen anzugehen.
Dafür benötigen sie ein vereinfachtes Planungsrecht, das hilft, Zeit und Baukosten zu sparen. Baunormen müssen entschlackt, Genehmigungsprozesse verkürzt und die Zulassung von Recyclingbaustoffen vorangetrieben werden. Um ihren Einsatz zu fördern und Baukosten zu reduzieren, schlagen wir eine entsprechende Mehrwertsteuerbefreiung vor. Außerdem sind die planungsrechtlichen Hindernisse zur Aufstockung von Gebäuden zu beseitigen. Bebauungspläne sind von den Kommunen regelmäßig zu überarbeiten.
2. Die Angst vor dem Bauen nehmen: Neue Anreize für die energetische Sanierung
Viele potenzielle Bauherren, öffentlich und privat, schaffen keinen neuen Wohnraum, weil sie die Kosten für die energetische Sanierung fürchten – gerade im Hinblick auf die noch offene Europäische Gebäuderichtlinie. Sie brauchen finanzielle Planungssicherheit!
Um Anreize zu schaffen, schlagen wir den Erlass der Grunderwerbssteuer und befristet auch der Grundsteuer vor, der Spielraum für die energetische Sanierung und auch Neubau schafft."
BDB-Präsident Christoph Schild ergänzt: „Die finanzielle Kompensation der Baukostensteigerung der letzten Jahre ist für die Branche, aber auch die Bevölkerung von großer Bedeutung. Beide brauchen jetzt einfach Planungssicherheit!“