Rob Krier (1938–2023)
Der Bildhauer, Architekt, Lehrer und Städteplaner Rob Krier verstarb am 20. November 2023 in Berlin 29.11.2023 |Vielleicht, weil Rob Krier ein Universalist mit sehr speziellem, durchaus engem Fokus war, konnte er sich nicht derart im europäischen Architektur-Diskurs etablieren, wie er es sich sicherlich gewünscht hat. Themen wie Serielität, Suffizienz oder Kreislaufwirtschaft fanden sich nicht in seinem Vokabular, doch wer seine praktischen wie insbesondere theoretischen Arbeiten studiert, kann das alles dort finden: das Ganze der Stadt, das Detail am Haus, in der Straße Blickachsen und Farbe und Materialität und vor allem: das Langanhaltende ... ein Nachweis für Nachhaltigkeit, wie er heutzutage gerne von neubauenden Architektinnen für das eigene Schaffen herangezogen wird. Nun ist Rob Krier 85jährig in der Stadt gestorben, in der jahrzehnte lang (bis 2010) mit Christoph Kohl ein Planerbüro führte und in der Stadt, in der - neben den Niederlanden - die meisten seiner Projekte geplant und auch realisiert wurden.
Anlässlich seines 80. Geburtstags fasste der Architekt in einem Interview in der Welt seinen Blick auf die Zeitläufte so zusammen: "Ich bin wahrhaftig erschrocken über das, was man von dieser neuen Europa-City am Hauptbahnhof sieht. 30, 35 Jahre Lehre und Veröffentlichungen und Bauanstrengungen sind in den Wind geschlagen. Wie Kollegen heute diesen repetitiven Dreck, diese Banalität in die Städte tragen können – das ist ungeheuerlich und geschmacklos, das ist öffentliche Kriminalität, Baukriminalität! Wenn in der Oper diese Art von Qualität gesungen würde, die wäre leer und müsste in drei Wochen schließen."
Edificio Artklass (2011), mit Breitman & Breitman Architectes, IA+B
Foto: Rob Krier
Fast wollte man dem nichts mehr hinzufügen, denn hier kommt etwas zum Ausdruck, das man durchaus mit Unverständnis, rigider Ablehnung oder auch ideologiegetränkter Überzeugung charakterisieren wollte, wäre da nicht ein Mensch gewesen, dessen Gebildetsein, dessen feiner - man könnte fast sagen vornehmer - Geist sogar nicht zu diesem Bild des polternden Baupopulisten passen will.
Robert Krier, am 10. Juni 1938 in Grevenmacher, Luxemburg, geboren und der ältere Bruder von Léon Krier, mit dem er viele Projekte zusammen gemacht hatte, zog es ins Ausland, zum großen Nachbarn Deutschland. Hier studierte er von 1959-64 Architektur an der TU München, arbeitete ein paar Jahre bei Ungers und startete schnell seine Lehrtätigkeiten an der Universität Stuttgart und École polytechnique fédérale de Lausanne. Von 1976 bis 1998 Professor an der TU Wien und Direktor des dortigen Instituts für Gestaltungslehre hatte er 1986 eine Gastprofessur an der Yale University, New Haven/USA inne.
Muzentoren, Den Haag/NL (2000)
Foto: Rob Krier
International bekannt und vielfach diskutiert wurde Rob Krier durch seine 1975 erschienene Publikation „Stadtraum“, in der er sich – wie in seiner späteren Praxis – mit der städtebaulichen Rekonstruktion zerstörter urbaner Strukturen auseinandersetzte. Dabei orientierte er sich an Vorbildern historischer - häufig italienischer - Städte. Deren, aus seiner Sicht, idealen Strukturen, die sich aus Jahrhunderten Entwicklungsgeschichte gleichsam evoluzioniert hatte, versuchte er in seinen Vorschlägen für den Städtebau der Nachkriegszeit anzuwenden, was ihm bereits damals die Kritik einbrachte, er schaue zu sehr auf Vergangenes.
1976 gründete Krier in Wien ein eigenes Büro, das er, wie viele seiner Kollegen, 1993 nach Berlin verlegte. Damit reiste er auch in eine Stadt, in welcher er bereits im Rahmen der IBA Blockrandbebauungen an der Ritterstraße (1977–1980), "Stadtvillen" an der Rauchstraße (1980) realisiert hatte. Sein größtes Projekt allerdings war das Projekt Kirchsteigfeld in Potsdam (1992–1997), das das Büro Krier Kohl mit 24 Architekturbüros aus Deutschland, Italien und den USA umzusetzte. Es galt damals als urbane Vorstadt nach "traditionellen städtebaulichen Mustern", in der kleinteiliger Wohnungsbau mit Arbeitsstätten, Einzelhandel und Grünflächen gemsicht waren.
Fast aktuell bei Birkhäuser: Rob Kier, The Work (2 Bde., 2021, 120 €)
Abb.: Birkhäuser
Dass dieses Projekt wie viele weitere auch - manche davon mit seinen bildhauerischen Werken ausgestattet - eine Kampfansage an die Prinzipien der Moderne waren, findet sich nicht bloß in der Analyse ebendieser, es finden sich bücherweise Anhalte, Aufrufe, Versuche, Studien etc., die die von Alexander Mitscherlich erhobene Maxime von der Unwirtlichkeit unserer Städte umformt, weiterspinnt, zu mildern versucht. Dass man dann zu dem Schluss kommen kann, er sei der "Anwalt der schönen Künste" (Dankwart Guratzsch) erscheint logisch, sein im oben schon genannten Interview geäußerter Wiederwille gegen die Folgen der Moderne, unterstreicht seine Haltung, die Vergangenheit als Qualität anzuerkennen und den Bruch mit ihr über das Bauen beispielsweise zu heilen: "Kein Mensch fährt am Sonntag in das Märkische Viertel und in die Gropiusstadt, um dort spazieren zu gehen. Aber das, was jetzt entsteht, ist nicht besser."
Brief Rob Kriers als Reaktion auf eine Rezension seines Buches in der DBZ
Foto: Benedikt Kraft
Seine Stimme wird fehlen, so schreibt man gerne, tatsächlich brauchen wir mehr von diesen Korrektiven, diesen "Statements dawider", ohne gleich zu fordern, wir sollten wieder post- oder prämodern werden!