„Wanna See Wannsee?"

Eine Ausstellung im Strandbad Wannsee, Berlin, weist auf den desolaten Zustand eines Denkmals hin und bietet Lösungsvorschläge

Wer mit dem Zug von Berlin nach Potsdam reist, hält meist auch am Bahnhof Wannsee. Und wundert sich über die dort noch immer anzutreffende Frakturschrift, die den „Wannsee“ dort verortet, wo vor bald 80 Jahren Menschen-Schlächter auf der geheimen „Wannsee-Konferenz“ die Abwicklung der „Endlösung“ diskutierten. Eine Station davor, Nicolasee, steigen all die aus, die das Strandbad Wannsee aufsuchen und hier, auf mehr als 1000 m Strandlänge (weißer, Timmendorfer Sand), Badespaß und/oder Entspannung suchen. Dass das Bad, obwohl unter Denkmalschutz stehend, in wesentlichen Teilen zusehends verfällt, gefällt nicht, Prof. Carsten Gerhards, Hochschule Darmstadt, hat die Initiative ergriffen. Und mit einem Team schon mal eine Ausstellung initiiert.

Das Strandbad im Westen Berlins und seine bewegte Geschichte ist mit der persönlichen Geschichte vieler Berlinerinnen untrennbar verbunden und gehört damit zum kulturellen Gedächnis der Region. Seit über 95 Jahren lockt die Badeanstalt, die als Ensemble unter Denkmalschutz steht. Und in den Jahren schon mal saniert wurde. Aber nur in Teilen und teils nicht nachhaltig. Und während sich jeden Sommer bis zu 10000 Badegäste am Tag am Strandleben erfreuen, verfällt in direkter Nachbarschaft ein Baudenkmal – und damit eine Raumressource mit großem Potenzial.

Strandbad Wannsee, Empfang
Foto: Clemens Poloczek

Strandbad Wannsee, Empfang
Foto: Clemens Poloczek

Treppenanlage
Foto: Clemens Poloczek

Treppenanlage
Foto: Clemens Poloczek

Nun schreibt uns die Initiative von Professor Carsten Gerhards von der Hochschule Darmstadt das Folgende: „Als vor genau hundert Jahren die Stadt das Strandbad übernahm, hatte der sozialdemokratische Strandbaddirektor Hermann Clajus eine Vision: einen Erholungsort zu schaffen, an dem alle sozialen Schichten willkommen sind. Er öffnete das Bad für alle, organisierte Essensausgaben und Ferienlager für Kinder aus den Mietskaserenen der Arbeiterbezirke. Stadtbaurat Martin Wagner und Magistrats-Oberbaurat Richard Ermisch schufen 1929 bis 1931 ein ikonisches Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit. Ein weitläufiges „Weltstadtbad“ für die moderne Körperkultur der Weimarer Republik, mit Licht, Luft und Sonne für alle. Mit seinem 1,3 km langen und 80 Meter breiten Strand und jährlich über einer Million Badegästen war es seinerzeit das größte Binnenfreibad Europas. Clajus, dem nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Entlassung und Verfolgung drohten, nahm sich im März 1933 das Leben.

Wandelhalle
Foto: Clemens Poloczek

Wandelhalle
Foto: Clemens Poloczek

Strand mit Badarchitektur
Foto: Clemens Poloczek

Strand mit Badarchitektur
Foto: Clemens Poloczek

Noch heute reihen sich entlang des 500 Meter langen Wandelgangs des Strandbads Läden, Kioske, Imbisse und ein Café, eine Rettungsstation, Garderoben sowie Dusch- und Sanitärräume. Die darüberliegenden vier Umkleidehallen und Sonnenterrassen sind hingegen baufällig und nicht mehr zugänglich. Am Ende der Promenade befindet sich das verwitterte Strandrestaurant Lido. Sein geschwungener Gastraum mit Bar und Terrasse, eingebettet in ein riesiges Rondell mit rundem Wandelgang waren einst der Dreh- und Angelpunkt des Strandbads. Seine Kapazität von 2.500 Plätzen wurde ganzjährig intensiv genutzt – als Biergarten, Ausflugslokal und Spritzeisbahn.

Umkleidehalle
Foto: Clemens Poloczek

Umkleidehalle
Foto: Clemens Poloczek

Sonnenterrasse
Foto: Clemens Poloczek

Sonnenterrasse
Foto: Clemens Poloczek

Ehemaliges Restaurant Lido
Foto: Clemens Poloczek

Ehemaliges Restaurant Lido
Foto: Clemens Poloczek

Die Initiative von Professor Carsten Gerhards von der Hochschule Darmstadt schlägt nun vor, das Denkmal im Sinne des Weiterbauens zu retten und ihm eine sinnstiftende Zukunft zu geben. In Anlehnung an die früheren Werkstätten für die Instandhaltung des Strandbads könnte am Wannsee eine „Bauhütte“ entstehen, die Jugendlichen eine Ausbildung in verschiedenen Gewerken des Bauhandwerks, in der Gastronomie, in der Gärtnerei, als Bademeister, Rettungsschwimmerin, Fitnesscoach und Parkrangerin ermöglicht. So kann der Bestand sukzessive unter Anleitung von Profis denkmalgerecht saniert und von Lernenden und Lehrenden ganzjährig betrieben werden. Damit würde das Baudenkmal fit gemacht für die Zukunft und die soziale Idee des Strandbads und seines Gründungsdirektors Clajus im 21. Jahrhundert neu gelebt werden.

Restaurant Lido vom Strand aus, hinter den Wandelgängen
Foto: Clemens Poloczek

Restaurant Lido vom Strand aus, hinter den Wandelgängen
Foto: Clemens Poloczek

Vom 31. August. bis 15. September zeigt die Ausstellung „Wanna See Wannsee?", wie sich Architektur und Geschichte mit einer tragfähigen Weiternutzung verbinden lassen – um das Denkmal zu retten und dabei die soziale Idee des Strandbades und seines Gründers Hermann Clajus aufzugreifen.

Eine Initiative von Professor CarstenGerhards/Hochschule Darmstadt. Mit freundlicher Unterstützung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport und der Berliner Bäder-Betriebe.

Ausstellung „Wanna See Wannsee?", 31. August bis 15. September 2024, im Restaurant „Lido" im Strandbad Wannsee, Wannseebadweg 25, 14129 Berlin.

Geöffnet während der Öffnungszeiten des Strandbad Wannsee. Bitte beachten Sie, dass für den Zutritt zum Strandbad ein amtliches Ausweisdokument erforderlich ist!


Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2011

Gekrümmt wie eine Echse Strandbad Seeburg

Der neue Entwurf basiert maßgeblich auf dem vorhandenen wundervollen Baumbestand. Uralte Eichen prägen das natürlich gewachsene Gelände. Kein Baum wurde gefällt, im Gegenteil, man forstete auf,...

mehr

Wohn Raum Stadt

Rhein-Main Architektursommer vom 18. bis 25. Juni 2011, Darmstadt/Offenbach/Frankfurt/Wiesbaden

Zum zweiten Rhein-Main Architektursommer, der dieses Jahr in erweiterter Form die Städte Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden und Offenbach zusammenbringt, plant die h_da Hochschule Darmstadt ein breites...

mehr
Ausgabe 12/2019

Neue Honorarprofessoren an der Hochschule Darmstadt

Zwei neue Honorarprofessoren unterrichten ab diesem Semester an der Hochschule Darmstadt. Zum einen lehrt Benjamin Krick, Mitglied der Geschäftsleitung am Passivhaus Institut Darmstadt, nun in seinem...

mehr
Ausgabe 09/2018

Humboldt-Box muss weichen

Plangemäß wird Ende des Jahres 2018, exakt am 31. Dezember um Punkt 19 Uhr, die für viele schon zum Stadtbild Mitte gehörende Humboldt-Box geschlossen, um anschließend abgebaut und...

mehr
Ausgabe 07/2011

Fassadenspiel am Hochhaus C10, Darmstadt www.staab-architekten.com

In Darmstadt, auf dem Weg vom Bahnhof zum Staatstheater, kommt man an einer Baustelle vorbei. Kaum zu übersehen, weil das einzige Hochhaus in dieser Ecke, schimmert der 14 Geschosse aufragende Bau,...

mehr