Architektur im Dienst des Protests
Deutschland diskutiert über die Protestformen der Klimakleber – da kommt eine Ausstellung zu Architektur im Dienst einer politischen Sache genau zum richtigen Zeitpunkt. Nicht nur für Architekturliebhaber unbedingt sehenswert ist die Ausstellung „Protest/Architektur – Barrikaden, Camps, Sekundenkleber“ im Deutschen Architekturmuseum DAM.
Detailreiche Modelle, gebaut an der TU München und der Hochschule für Technik Stuttgart (Prof. Andreas Kretzer), zeigen Protestcamps von der „Resurrection City“ (1968 in Washington/USA) bis zur „Lobau-bleibt!-Bewegung“ 2021/2022 (siehe auch Seite 18). Vierzig „Bodenstrukturen“ aus Lützerath, zumeist Pfahlbauten, wurden von Rokas Wille (HfG Karlsruhe) mit Fotopapiermodellen dokumentiert. Der Regisseur Oliver Hardt entwickelte für die Ausstellung eine Filminstallation. In Zusammenarbeit mit den Demonstrantinnen konnte gar eine Hängebrücke aus dem Hambacher Wald übernommen werden. Auch ein 1 : 10-Hängemodell des „Barrio Beechtown“, eine Leihgabe des Künstlers Stephan Mörsch, zeigt diese Waldbesetzung.
Die Ausstellungsarchitektur auf der um 1 000 m² erweiterten Fläche des DAM Ostend wurde vom Berliner Gestaltungskollektiv „Something Fantastic“ entwickelt. Die Ausstellungsmacher nutzten für die Einbauten, Möbel, Gitterwände etc. ausschließlich Material, das sich bereits im DAM befand, nichts wurde neu gekauft, bis auf ein paar Spanngurte und Kabelbinder. Die Ausstellungsarchitektur selbst erinnert an Zelte und Barrikaden, wie wir sie in den ausgestellten Modellen sehen. Für das DAM ist diese neue Art der Ausstellungsfertigung möglicherweise der Startschuss für vergleichbare Arbeiten in der Zukunft. Die kuratorische Leitung hatte Oliver Elser (DAM) inne. Die gemeinsame Ausstellung des DAM – Deutsches Architekturmuseum und des MAK – Museum für angewandte Kunst in Wien ist noch bis zum 14. Januar 2024 in Frankfurt zu sehen, ab dem 13. Februar 2024 im MAK – Museum Angewandte Kunst in Wien. Katalog bei Park Books, Zürich, 19 €.