Auf dem Weg zur Allianz

Die enge Zusammenarbeit von Architekturplanung, Tragwerksplanung und anderen Fachdisziplinen ist inzwischen Arbeitsalltag für die Ingenieurinnen und Ingenieure beim österreichischen Planungsspezialisten Wendl ZT und beim deutschen Büro Eisfeld Ingenieure. Wir sprachen mit Bauleiter und BIM-Manager Manuel Schoppler und Tragwerksplaner Peter Adanic von Wendl ZT sowie mit Professor Michael Eisfeld von Eisfeld Ingenieure über die Herausforderungen und Potenziale modellbasierter Planung für sie und die Planungsteams.

Für das Ingenieurbüro Wendl ZT hat die Digitalisierung planungsrelevanter Prozesse oberste Priorität. Wo haben Sie sich neu positioniert und welche Bereiche der Projektarbeit umfassen diese Entwicklung?

Manuel Schoppler: Als ich vor elf Jahren ins Unternehmen kam, haben wir ein Gebäudemodell bis zu dreimal hochgezogen, was sehr aufwendig war. Um Massen und Mengen früh im Projekt zu haben, entwickelten wir das erste Modell, oft schon mit dem Vorentwurf des Architekturbüros. Da neue Entwurfsansätze und konstruktive Anpassungen im Projektverlauf wesentliche statische Veränderungen bedeuten, war später ein zweites Modell für die statischen Berechnungen sowie die Erstellung der Leistungsverzeichnisse notwendig. Das dritte Modell haben wir dann für die Schalungs- und Bewehrungsplanung gezeichnet. Heute zeichnen wir kein Modell mehr neu. Wir können das Architekturmodell direkt einbetten. Die meisten Architekturbüros, mit denen wir arbeiten, nutzen wie wir Archicad. Der Datenverlust ist damit gleich Null, was optimal ist.

Peter Adanic: In der Tragwerksplanung entwickelten wir aus den 2D-Daten der Architektur, also aus 2D-DWG-Informationen, unser 3D-Modell. Erst dann haben die Architekturbüros ihre Planung zum ersten Mal dreidimensional gesehen. Damals zeichneten noch viele Büros ihre CAD-Pläne in 2D. Heute hat sich das grundlegend verändert: Wir erhalten das Entwurfsmodell des Architekturbüros in einer frühen Projektphase und können bereits hier mit unserer Tragwerksplanung Einfluss nehmen.

Mit welchen Partnern arbeitet Eisfeld Ingenieure bereits interdisziplinär zusammen?

Michael Eisfeld: Es sind vor allem junge Architekturbüros, die den Mehrwert von BIM und ConED längst erkannt haben. ConED ist eine Software zur Bearbeitung der Tragstruktur in 3D, die wir inhouse für die frühen Leistungsphasen im Projekt entwickelt haben. Wir arbeiten alle gemeinsam an einem dreidimensionalen Modell in Archicad. Das ist gut, denn Architekt:innen sind sehr visuell geprägt und erfassen die Gebäudestruktur und das Tragwerk so am besten. Bei den Generalunternehmen ist es ähnlich. Auch mit ihnen können wir oft BIM-basiert zusammenarbeiten. Hier liegen Ausführungsprozesse in der Bauphase dahinter, bei denen BIM ebenfalls Vorteile bietet. Und drittens sind es Bauproduktehersteller, die BIM nutzen. So entwickeln wir mit Xella ein neues Bauverfahren, um in Zukunft digitalisiert seriell zu bauen.

Wo arbeitet Wendl ZT interdisziplinär mit seinen Planungspartner:innen zusammen?

Schoppler: Die größte Interaktion gibt es mit der Architekturplanung, teilweise auch mit der TGA. Mit der TGA-Fachplanung ist die wichtigste gemeinsame Schnittstelle eine abgestimmte Durchbruchsplanung für die Haustechnik. In unserer BIM-Software erstellen wir Durchbruchvorschläge, die dann miteinander abgestimmt werden. Dies geschieht derzeit noch häufig in 2D, weil die TGA-Fachplanung in den Projekten mit uns eher selten 3D-basiert arbeitet. Verlangt ein Auftraggeber eine BIM-Planung, hat er auch einen eigenen BIM-Manager. Bei einem unserer derzeit größten Projekte, der Post City Linz, gibt es einen BIM-Manager auf Bauherrenseite, der die Vorgaben in Form einer AIA (Auftraggeber-Informations-Anforderung) erstellt und einen BIM-Gesamtkoordinator auf der Generalplanerseite, der den BAP (BIM-Abwicklungsplan), also die Umsetzung der Zielvorgaben aus den AIA entwickelt und sie regelmäßig überprüft. Hinzu kommen bei interdisziplinärer Zusammenarbeit in den BIM-Projekten die BIM-Fachkoordinatoren der beteiligten Fachplanungen, die die Umsetzung der Vorgaben des BAP für ihr Gewerk vor Datenübermittlung an die Gesamtkoordination prüfen.

Wie wichtig ist Ihnen eine stärkere Verzahnung von Architektur- und Tragwerksplanung?

Eisfeld: Wir wollen sehr früh sehr eng mit den Architekt:innen zusammenarbeiten, dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen. In den angelsächsischen Ländern ist an dieser Stelle bereits „mehr Fahrt“ zu erkennen: Das gemeinsame Durchspielen von Varianten und Optimieren des Entwurfs ist dort dank BIM viel verbreiteter als bei uns.

Schoppler: Auch für mich als Kostenplaner und Ausschreibender bedeutet es eine enorme Zeitersparnis, wenn das vom Architekturbüro gelieferte Modell bereits passt. Hinzu kommt die inhaltliche Tiefe der Plandaten: In 2D sind viel weniger Informationen hinterlegt als im bauteilbasierten 3D-Modell. Die Architekt:innen übernehmen für ihre Modellierung unsere Attribute und Klassifizierungen. Bei den Klassifizierungen stimmen wir zudem weitgehend mit den Archicad-Vorlagen überein, die auch das Architekturbüro verwendet. Um diese strukturierte Arbeitsweise zu ermöglichen, müssen wir jedoch früh mit dem Dialog beginnen! So muss zum Beispiel die Verschneidung von
Decken und Stützen im Architekturmodell äußerst korrekt sein. Nur dann können wir gut mit dem Tragwerksanalysemodell arbeiten.

Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen in der Zusammenarbeit?

Eisfeld: Es gibt zu viele Insellösungen. Die Hersteller sind selten bereit, ihre Produkte für einheitliche Schnittstellen zu öffnen. Das liegt auch im Planungsprozess begründet: Der Architekt hat seine gelernte Abstraktion auf ein Gebäude. Und der Tragwerksplaner will immer sofort etwas berechnen. Da gibt es ein großes Delta zwischen den Anforderungen und Wünschen der beiden. Meine Hoffnung ist, dass BIM diese Lücke künftig schließt.

Adanic: Aus meiner Ingenieursicht ist der Weg von der reinen Tragwerksplanung zurück zu einem gemeinsamen Architekturverständnis sehr wünschenswert. Der saubere Datenaustausch ist hier noch die große Herausforderung.

Interview: Tim Westphal

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