Planungsallianz: besserer Austausch zwischen Architektur- und Tragwerksplanung

Eine integrale Planung bedeutet schon früh im Projekt hohe Planungs- und Kostensicherheit. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass alle Beteiligten eng und Hand in Hand zusammenarbeiten – insbesondere aber Architektur und Tragwerksplanung. Um sie zu unterstützen, arbeitet Graphisoft mit der Nemetschek Engineering zusammen und zeigt so, wie aus einer fragmentierten Softwarelandschaft ein Ganzes entsteht, das den Ideen- und Wissensaustausch beschleunigt.

Text: Tim Westphal

Das Studierendenwohnheim Variowohnen in Kassel von Schulze Schulze Berger GbR / Eisfeld Ingenieure AG. Tragkonstruktion und Fassade bestehen zu großen Teilen aus vorgefertigten Elementen. Sowohl der Planungs- als auch der Ausführungszeitraum konnte durch ein integrales BIM-Modell deutlich verkürzt werden
Foto: Schulze Schulze Berger GbR, Kassel

Das Studierendenwohnheim Variowohnen in Kassel von Schulze Schulze Berger GbR / Eisfeld Ingenieure AG. Tragkonstruktion und Fassade bestehen zu großen Teilen aus vorgefertigten Elementen. Sowohl der Planungs- als auch der Ausführungszeitraum konnte durch ein integrales BIM-Modell deutlich verkürzt werden
Foto: Schulze Schulze Berger GbR, Kassel

Kostendruck, knappe Rohstoffe, Fachkräftemangel, ausufernde Vorschriften und Normen: Bauprojekte im In- und Ausland werden immer komplexer und teurer. Da bleibt wenig Spielraum für Missverständnisse. Insbesondere der Austausch zwischen Architektur- und Fachplanungsbüros ist für den reibungslosen Ablauf auf der Baustelle zentral. Denn die Tragwerksplanung bestimmt viele konstruktive und gestalterische Details im Entwurf des Architekturbüros. Ebenso ist eine kluge Tragwerksplanung, die die Besonderheiten des Entwurfs umfassend berücksichtigt, ein Gewinn für alle. Denn sie erhöht die Gesamtqualität des Bauwerks.

Das Projekt voranbringen

Eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Architekturbüro und Ingenieurbüro ist für Michael Eisfeld, Geschäftsführer von Eisfeld Ingenieure aus Kassel und Professor für Tragwerkslehre und CAD an der FH Bielefeld, eine wichtige Grundlage in allen Projekten. Allerdings gibt es noch immer Verständnisprobleme bei den Wünschen und Sorgen des anderen. Dies ist ein altes Problem, das auf mangelnde und wenig substanzielle Kommunikation zwischen Architektur- und Tragwerksplanung zurückzuführen ist. Durch digitale Planungswerkzeuge und BIM besteht nun jedoch die Chance, den Austausch zu verbessern und eine Engineering Alliance zu schmieden: Der Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis liegt in einer gemeinsamen Sprache und in gemeinsam genutzten Werkzeugen. „Eine modellbasierte Architekturplanung, die bereits wichtige Informationen über das Tragwerk enthält, vereinfacht das Verständnis bei den Tragwerksplanenden und allen anderen Fachingenieur:innen. Umgekehrt finden Archi­tekt:innen leichteren Zugang zu den statisch relevanten Punkten und zum (räumlichen) Gesamttragwerk, weil die Besonderheiten nun bildhaft und direkt im Modell verortet sind und sie diese nicht mehr über endlose Zahlenkolonnen und 2D-Pläne erschließen müssen“, sagt Eisfeld.

Effiziente Werkzeuge gemeinsam nutzen

Die Bandbreite der bei Eisfeld Ingenieure eingesetzten Software ist groß, was auch dem Spektrum der Bauwerkstypologien geschuldet ist: Kleine Werkhallen, Logistik- und Umschlagzentren oder Wohnbauprojekte mit mehreren hundert Wohnungen gehören ebenso dazu wie kleinere Brückenbauwerke. Michael Eisfeld: „So vielfältig wie unser Arbeitsgebiet ist auch die Software, die wir einsetzen. Wenn wir in den frühen Leistungsphasen mit dem Architekturmodell arbeiten, ist das in Archicad. In der Tragwerksplanung kommen dann häufig der FRILO BIM-Connector und das FRILO Gebäudemodell zum Einsatz. Darüber hinaus planen wir die Tragstruktur mit unserer selbst entwickelten Software ConED und mit einer Fülle weiterer Spezial-Softwarelösungen für Statik, Kollisionsprüfung, Ausschreibung und Vergabe.“

Die Fülle der genutzten Software macht deutlich, wie groß der Bedarf an ganzheitlichen Lösungen ist, die ein möglichst breites Aufgabenspektrum abbilden können, und die Notwendigkeit, dass die technisch notwendigen Schnittstellen zwischen den einzelnen Lösungen möglichst verlustfrei funktionieren. Aus diesem Grund wurde die Nemetschek Engineering ins Leben gerufen, die als Markenverbund verschiedener Programmlösungen aus der Tragwerksplanung (FRILO und SCIA Engineer) sowie aus dem Grundbau (DC-Software) Schnittstellen optimieren hilft und eine durchgängige Gesamtlösung für alle statischen Berechnungen im Tragwerksplanungsbüro liefert. In den nächsten Jahren soll der agile Markenverbund der Nemetschek Engineering sukzessive um weitere Lösungen für Ingenieur:innen erweitert werden. 

Die Visualisierung zeigt vor allem die architektonische Idee und dient in erster Linie der Kommunikation mit den Bauherr:innen
Grafik: Schulze Schulze Berger GbR, Kassel

Die Visualisierung zeigt vor allem die architektonische Idee und dient in erster Linie der Kommunikation mit den Bauherr:innen
Grafik: Schulze Schulze Berger GbR, Kassel

Neumodulierungen reduzieren

Ein ähnliches Bild lässt sich bei den Spezialist:innen von Wendl ZT aus Graz in Österreich zeichnen. Auch ihre Projekte sind äußerst vielfältig: Generalplanung, Tragwerksplanung, Betonbau, Statik für Holz- und Stahlbau und auch Bauüberwachung wird für die Projekte in einer Größenordnung von 5 bis zu 300 Mio. € Bausumme umgesetzt. Die integrale Planungsarbeit erfolgt dabei überwiegend gemeinsam mit der Architekturplanung, in Teilbereichen auch mit der TGA-Fachplanung. „Für Wendl ZT ist es wesentlich, früh in die Architekturplanung einbezogen zu werden. Denn bereits im Vorentwurf werden für Statik und Tragwerk wichtige Parameter festgelegt“, sagt Ingenieur Manuel Schoppler, seit über 10 Jahren bei Wendl ZT angestellt, unter anderem BIM-Manager und für die Kostenplanung, LV-Erstellung und örtliche Bauaufsicht verantwortlich. Seit 2020 setzen sie ergänzend Archicad ein, was vor allem die mehrmalige Neumodellierung unnötig macht. Im Gegensatz zu früher leiten sich die Ingenieur:innen nun aus dem Architekturmodell des Architekturbüros ein Tragwerksanalysemodell ab, das sie in ihrer Statiksoftware nutzen.

Die für die Statik relevanten Bauteile sind im Architekturmodell bereits enthalten und werden mit einfachen Regeln so angepasst, dass das Analyse­modell direkt verwendbar ist. Das Ergebnis wird via SAF in die jeweils sinnvolle Statiksoftware übertragen. Bei Wendl ZT sind dies abhängig vom Anwendungsfall zum Beispiel FRILO oder SCIA Engineer als Teil der Nemetschek Engineering. Auf Grundlage des Analysemodells aus Archicad wird daraus das Statikmodell mit allen notwendigen Kenngrößen weiterentwickelt. Es ist die Basis für den folgenden und einmaligen Austausch zwischen Architekturplanung und Tragwerksplanung: „Im weiteren Projektverlauf entwickelt sich das Statikmodell bisher noch unabhängig vom Architekturmodell“, macht Manuel Schoppler deutlich. „Zukünftig sollen aber Tragwerksplanung und Architekturplanung an dieser Stelle enger zusammenfinden,“ ergänzt Tragwerksplaner und Ingenieurskollege Peter Adanic.

Aus dem Entwurf leitete das Architekturbüro Schulze Schulze Berger aus Kassel ein Rohbaumodell ab, ...
Grafik: Schulze Schulze Berger GbR, Kassel

Aus dem Entwurf leitete das Architekturbüro Schulze Schulze Berger aus Kassel ein Rohbaumodell ab, ...
Grafik: Schulze Schulze Berger GbR, Kassel

Massen, Mengen und Kosten  im Blick

Auch für die Kosten- und Positionsplanung kommt das Ausgangsmodell vom Architekturbüro zur Anwendung. Bauteilbezogen lassen sich daraus die korrekten Massen, Mengen und Abmessungen ableiten. Manuel Schoppler: „Rund 90 % der effektiv benötigten Massen liegen damit bereits exakt vor. Wir sind im laufenden Prozess, die Leistungspositionen des Leistungsbuchs Hochbau – das vom Bund Österreich zur Verfügung gestellt wird – sowie ergänzende Positionen in Archicad zu programmieren. So können wir immer mehr Leistungen mengenmäßig über das Architekturmodell abrufen.“

Dennoch fließen die hier ermittelten Größen nicht direkt in das entsprechende Leistungsverzeichnis für eine spätere Ausschreibung ein. Wendl ZT geht derzeit den Umweg, die Ergebnisse händisch in ihrer Tabellenkalkulation zu überprüfen. Damit haben die ausschreibenden Planer:innen eine für sie wichtige manuelle Kontrollinstanz, um eventuelle Rechenfehler zu erkennen und rechtzeitig zu korrigieren. Diese Vorgehensweise ergibt sich auch daraus, dass Wendl ZT derzeit noch nicht alle Leistungen und Positio­nen in die Positionsdatenbank von Archicad übertragen hat. Die Ingenieur:innen arbeiten parallel an deren Ergänzung, um auch diesen Prozess zukünftig zu digitalisieren. Weiter vorangeschritten sind sie bereits bei der Schal- und Bewehrungsplanung in der BIM-Planungssoftware Allplan, die Wendl ZT in den späteren Leistungsphasen einsetzt: Hier übernehmen die Tragwerksplaner:innen 1 : 1 das Modell vom Architekturbüro und erstellen die korrekten Bewehrungspläne in Allplan Engineering.

... aus dem die Statiker:innen von Eisfeld Ingenieure das Tragwerksmodell entwickelten
Grafik: Eisfeld Ingenieure, Kassel

... aus dem die Statiker:innen von Eisfeld Ingenieure das Tragwerksmodell entwickelten
Grafik: Eisfeld Ingenieure, Kassel

Werkzeuge optimieren

Die Fülle an unterschiedlichen Softwarelösungen und die vielfältigen Prozesse, die sowohl von Eisfeld Ingenieure als auch von Wendl ZT eingesetzt und angewendet werden, machen deutlich: Der Optimierungsbedarf im Zusammenspiel der eingesetzten Werkzeuge ist groß. Jeder der beschriebenen Abläufe bedeutet potenzielle Schnittstellen in der Projektumsetzung und damit Daten- sowie Informationsverlust. Das merken auch andere Architekt:innen und Tragwerks:planer:innen in Vorträgen und auf Podien zum Thema Prozessoptimierung in der Planung immer wieder an. Konsistente Daten zu erhalten und geeignete Werkzeuge möglichst eng miteinander zu verknüpfen, Schnittstellen zu minimieren, muss ein wichtiges Ziel für die kommenden Jahre sein.

Erste Beispiele dafür, dass dies funktioniert, gibt es bereits. So hat der konsequente Einsatz des Tragwerksanalysemodells bei Wendl ZT in den vergangenen Projekten zu einer spürbaren Zeit-ersparnis geführt. Tragwerksplaner Peter Adanic: „Wir haben im letzten Jahr ein Projekt fertiggestellt, das vor sieben Jahren gestartet und berechnet wurde. Damals haben wir teilweise noch mit DWG- und IFC-Dateien gearbeitet. Diese in eine überarbeitete Planung zu übernehmen und entsprechend aufzubereiten, war sehr zeit- und kostenaufwendig. Wir haben etwa drei Monate gebraucht, um daraus ein berechenbares Modell zu entwickeln. Jetzt habe ich ein Projekt mit gleichem Bauvolumen und ähnlicher Komplexität in der Umsetzung, das aber von Herrn Schoppler in Archicad vorbereitet wurde. Der Arbeitsaufwand für ein berechnungsfähiges Modell in unserer Statiksoftware betrug nun lediglich drei Wochen statt drei Monate!“

Gemeinsame Lösungen entwickeln

Das abgestimmte Zusammenspiel der digitalen Arbeitsmittel, insbesondere der eingesetzten Programmlösungen, ist auch für Michael Eisfeld die Basis zukünftiger Projekte. Eine integrierte Engineering-Lösung hätte für ihn gleich mehrere Vorteile. Michael Eisfeld: „Für mich sind das vor allem: 1. Die Produktivität: Wir sind damit schneller, weil wir durch weniger Programme und Schnittstellen weniger redundante Prozesse haben.

2. Die Fehlerminimierung: Bei uns arbeiten mehrere Kolleg:innen in den Projekten. Wenn hier die Technik durch schlechte Informationsweitergabe Fehler erzeugt, ist das nur schwer zu erkennen. Darin liegt großes Fehlerpotenzial.

3. Der digitale Workflow: Diesen sehe ich bereits als Alleinstellungsmerkmal unseres Büros. Viele Softwarehäuser verfolgen ihn aber noch nicht mit dem nötigen Nachdruck. Ihn in einer gemeinsamen Lösung zu entwickeln und auszubauen, ist mein großer Wunsch!“

Autor: Tim Westphal ist seit 2016 ­selbstständig mit eigener PR- und Kommunikations­agentur sowie Beratungsdienstleis­tungen im ­Architektursektor
www.timwestphal.de
Foto: Zorica Funk, München

Autor: Tim Westphal ist seit 2016 ­selbstständig mit eigener PR- und Kommunikations­agentur sowie Beratungsdienstleis­tungen im ­Architektursektor
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