Aus der Rechtsprechung

Bauen im Bestand – Bauwerkerkundigungspflicht des Architekten

OLG Köln, Urteil vom 19.08.2013 – BGH, Beschluss vom 20.10.2015 – VII ZR 225/14

Bauen im Bestand ist für Architekten/Ingenieure ein aktuelles und beherrschendes Thema. Durch das Vorhandensein von Altbestand gestalten sich viele Sachverhalte anders als bei reinen Neubauprojekten. Eine wichtige Pflicht stellt die Bauwerkserkundigungspflicht dar. Bei der Bauwerkserkundigungspflicht muss der beauftragte Architekt/Ingenieur bereits in Leistungsphase 1 prüfen, ob die vorhandenen Bauunterlagen sowie der Zustand des Gebäudes eine sichere Grundlage für das geplante Bauvorhaben sind. Über das Ergebnis muss der Architekt/Ingenieur den Bauherrn informieren, auf notwendige kostenintensive Untersuchungen hinweisen, sofern die Unterlagen unergiebig sind und über das Restrisiko – z.B., dass nur eine ganz andere Bauweise realisiert werden kann – aufklären. Wie weit diese Bauwerkserkundigungspflicht geht, hatte das OLG Köln entschieden, bestätigt durch den Bundesgerichtshof, deren Entscheidung immer noch aktuell ist.

In dem entschiedenen Fall wurde der Architekt mit der Planung des Umbaus einschließlich Aufstockung und energetische Sanierung beauftragt. Als die Bodenplatte geöffnet wurde stellte sich heraus, dass diese seinerzeit nicht entsprechend der Bestandsstatik ausgeführt worden war. Der Bauherr nahm daraufhin vom Umbau Abstand, ließ das Bestandsgebäude abreißen und einen Neubau errichten. Den Architekten nahm der Bauherr in Höhe der nutzlosen Kosten bezüglich des begonnenen Bestandsumbaus in Anspruch.

Das Gericht musste untersuchen, ob der Architekt im Rahmen seiner Bauwerkerkundigungspflicht bereits zu Beginn seiner Tätigkeit ein Bodengrundgutachten und eine Prüfung der Fundamente hätte veranlassen müssen. Für den Bestandsbau gab es eine geprüfte Statik. Anhaltspunkte, dass nicht nach dieser gebaut wurde, gab es nicht. Das Bestandsgebäude war seit Jahrzehnten frei von entsprechenden Schäden. Das Oberlandesgericht führte jedoch auch aus, dass ein Restrisiko verblieb, da der Architekt nicht sicher wissen konnte, ob nach der Bestandsstatik gebaut worden ist und die geplante Aufstockung überhaupt noch getragen werde. Den Architekten treffe daher eine intensive Bauwerkerkundigungspflicht. Es müsse geprüft werden, ob die vorhandenen Unterlagen eine sichere Grundlage für das geplante Bauvorhaben sind. Der Architekt hätte nach Ansicht des Gerichts hier die Bauherren darüber aufklären müssen, dass er nicht sicher anhand der Bestandsunterlagen die Tragfähigkeit der Fundamente feststellen kann und weitere Untersuchungen – mit denen ihnen verbundenen Vor- und Nachteilen – notwendig sind, sodass die Bauherren eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen können, wie weiter zu verfahren ist.

Das Oberlandesgericht bejaht demnach die Pflichtverletzung des beklagten Architekten. Gleichzeitig kommt es aber zur Klageabweisung, welche der Bundesgerichtshof bestätigt. Der Schaden, den der Bauherr geltend macht, war schließlich nicht kausal. Es konnte nämlich nicht nachgewiesen werden, dass der Bauherr bei ordnungsgemäßer Aufklärung anders gehandelt hätte und sich sofort für den Abriss und Neubau entschieden hätte.

Glück im Unglück für den Architekten. Maximal unbefriedigend für den Bauherrn. Allgemein gesehen gibt es zwar immer wieder Klagen, die an dem Nachweis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden scheitern. Hierauf sollte sich aber nicht verlassen werden. Es ist zu empfehlen die Bauwerksuntersuchungspflicht im Bestand lieber zu intensiv als zu oberflächlich zu erfüllen und vor allem zu dokumentieren.

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