Rechtssprechung

Architekt kann wegen nicht ausreichender Überprüfung des richtigen Umgangs mit Baumaterial haften!

OLG Schleswig, Urteil vom 04.10.2023 - 12 U 25/21

Der richtige Umgang mit dem zu verarbeitenden Material gehört zum Gegenstand der Objektüberwachung. Bei der Verwendung von Rollenware kann es für den regelkonformen Einbau darauf ankommen, dass die Ware vor der Verarbeitung ausgerollt wird; dies muss der Architekt zumindest stichprobenartig überprüfen.

Der Sachverhalt:
 
Die klagende Auftraggeberin, die ein Krankenhaus betreibt, beabsichtigte den Neubau eines Gebäudes mit einem Flachdach. Hierzu beauftragte sie im Jahr 2002 den Architekten mit den Grundleistungen der Objektplanung der Leistungsphasen 1 bis 9 nach § 15 HOAI (1996). Bei der Ausführung wurden die Flachdachabläufe nicht so eingebaut, dass sie anstauendes Niederschlagswasser ausreichend ableiten konnten. Erforderlich wäre, eine trapezförmige Ausführung mit entsprechendem Gefälle vorzunehmen. Nach DIN 18531-3:2005-11 müssen Abdichtungsbahnen eine 80 mm Überlappung aufweisen. Weil die Schweißbahnen vor der Montage nicht zum „Strecken“ ausgelegt wurden hatten sich diese um bis zu 22 mm verkürzt. Die Überlappung der Stöße in Längsrichtung reduzierte sich und wurde so kleiner als 80 mm. Die Auftraggeberin verlangte vom Architekten Schadensersatz wegen Mängel am Flachdach in Höhe von rund 100.000 Euro. Der Architekt ist der Ansicht, sein Überwachungsfehler in Bezug auf die Schweißbahnen habe sich nicht ausgewirkt, weil das fehlende „Strecken“ nicht kausal für den Mangel am Flachdach sei.
 
Die Entscheidung:
 
Dieser Argumentation folgte das Gericht jedoch nicht und die Auftraggeberin obsiegte! Der Architekt hafte wegen eines Überwachungsfehlers. Im Rahmen der Objektüberwachung habe der Architekt nicht die Aufgabe, das Entstehen eines Mangels zu verhindern. Er müsse vielmehr durch die gebotene Überprüfung der Ausführung in angemessenen Abständen dafür Sorge tragen, dass ein mangelfreies Werk entstehen könne. Hieraus folge, dass die Intensität der Überwachung auch davon abhänge, ob es sich um ein wichtiges und schadensträchtiges Gewerk handele oder ob eine handwerkliche Selbstverständlichkeit ausgeführt werde. Bei der (Dach-)Abdichtung handele es sich um ein wichtiges und schadensträchtiges Gewerk, so dass hier eine enge und intensive Überwachung angezeigt sei.

Zur Herstellung eines dichten Daches bedürfe es verschiedener Maßnahmen, die dieses Ziel absichern sollen. Hierzu gehöre, dass die Bahnen sich um 80 mm überlappen. Diese Überlappung bedinge, dass sich die Länge der Bahnen beim Einbau nicht verkürzt. Diese Verkürzung könne etwa dadurch eintreten, dass die Rollware vor der Verarbeitung nicht ausgelegt wird, um sich zu "strecken", also ihre Wellenform zu verlieren und platt oder eben zu werden. Hieraus folge, dass der Architekt genau diese Vorgänge überwachen müsse.

Wenn es zur Herstellung eines dichten Daches gehöre, dass die Rollenware in besonderer Art und Weise behandelt werde, dann müsse der Architekt wenigstens in Stichproben überprüfen, ob diese Behandlung erfolgt sei oder nicht. Er könne zumindest überprüfen, ob das Auslegen vor der Verarbeitung erfolgt sei. Die Dauer dieses Vorgangs müsse er nicht überwachen; diese würde die Anforderungen an die Überwachung überspannen. Der Architekt habe vorliegend das Auslegen nicht überwacht, er habe auch die nicht ausreichende Überlappung nicht festgestellt - dies hätte er auch überprüfen müssen. So habe er den Ablauf nicht ausreichend überwacht und das Ergebnis der Abdichtungsarbeiten nicht überprüft. Dies sei für den Mangel am Bauwerk kausal, so dass er die Mangelhaftigkeit des Bauwerks zu verantworten habe und auf Schadensersatz nach §§ 633, 634 Ziffer 4, 280 Bürgerliches Gesetzbuch in Höhe der Mängelbeseitigungskosten hafte.

Praxishinweis:
 
Bereits das Vorliegen eines Mangels kann ausreichen, um Schadensersatzansprüche gegen den Architekten auszulösen. Der Schaden liegt dann bereits in dem Mangel selbst. Es ist nicht erforderlich, dass der Fehler des Architekten den Mangel verursacht hat. Der Auftraggeber muss, wenn die Leistung nur das Risiko eines späteren Schadens in sich birgt, den Schadenseintritt nicht erst abwarten. Für die Annahme eines planungsbedingten Baumangels reicht es aus, dass eine Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs besteht.

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass der Architekt eine Überwachung der Bauausführung auch dahingehend schuldet, ob die Handwerker ordnungsgemäß mit dem zu verarbeitenden Material umgehen.

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