Der Architekt sollte lieber einmal mehr hinschauen!
OLG Köln, Urteil vom 8.9.2017; BGH, Beschluss vom 19.12.2018 - VII ZR 234/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Der tatsächliche Umfang der Bauüberwachungspflichten des Architekten ist heiß umstritten. Mit der Bauüberwachung übernimmt der Architekt die Verpflichtung, das Bauwerk frei von Mängeln entstehen zu lassen. Hierzu muss er das ihm Zumutbare beitragen. Wieviel das im Einzelfall ist, ist nicht immer klar. Das OLG Köln hatte sich hier mit folgendem Sachverhalt auseinander zusetzen:
Der Auftraggeber eines Neubauvorhabens beauftragte ein Architekturbüro unter anderem mit der Bauüberwachung. Ausgeführt wurde das Neubauvorhaben von einem Generalunternehmer. Nach der Abnahme zeigten sich massive Mängel am Innenputz. Die Schäden überstiegen einen Betrag von 4 Mio. €. Die Beweisaufnahme hatte ergeben, dass der Innenputz bei zu niedrigen Temperaturen aufgetragen wurde und sich deshalb bei der Aushärtung nicht, bzw. nicht mit der erforderlichen Stärke in der Betondecke verfestigen konnte. Hierin lag zugleich ein erheblicher Mangel in der Bauüberwachung des Architekten. Dieser hätte die Putzarbeiten bei den seinerzeit vorherrschenden niedrigen Temperaturen stoppen müssen. Bei dem Verputzen von Decken handelt es sich um keine handwerklichen Selbstverständlichkeiten, die keiner Überwachung bedürfen. Bei kritischen Baumaßnahmen werden an die Aufmerksamkeit des Architekten zudem strengere Anforderungen gestellt, da diese Baumaßnahmen generell ein höheres Mängelrisiko aufweisen. Zwar wird das Auftragen von Innenputz teilweise als einfache, nicht überwachungsbedürftige Baumaßnahme angesehen. Jedoch gilt dies nicht, wenn sie entgegen den anerkannten Regeln der Technik bei Luft- und Bauteiltemperaturen unter 5 Grad Celsius vorgenommen werden. Den Architekten hätte insoweit die Pflicht getroffen die Einhaltung der minimal zulässigen Temperatur für die Innenputzarbeiten zu überprüfen. Diese Pflicht kann auch nicht auf den ausführenden Generalunternehmer abgewälzt werden.
Im Ergebnis lässt sich hieraus entnehmen, dass der Umfang der Überwachungspflicht immer am Einzelfall zu bemessen ist. Je gefahrgeneigter die Baumaßnahmen sind, desto höher sind die Anstrengungen die der Architekt im Rahmen der Bauüberwachung zu tätigen hat. Selbst bei grundsätzlich einfachen, handwerklich selbstverständlichen und nicht gefahrgeneigten Baumaßnahmen kann sich aber eine erhöhte Aufmerksamkeit des Architekten ergeben, wenn z.B. anerkannte Regeln der Technik, etwa Verarbeitungstemperaturen nicht eingehalten werden und der Architekt hiervon in irgendeiner Art ausgehen muss. Dies ist besonders in Jahreszeiten mit Witterungsextremen zu beachten, wenn gleichzeitig eine Bauzeitverzögerung aufgeholt werden muss. Im Ergebnis gilt also: Lieber einmal mehr überprüfen, ob alle Regeln eingehalten werden!
Axel Wunschel und Jochen Mittenzwey sind Rechtsanwälte bei Wollmann & Partner Rechtsanwälte mbB, Berlin, www.wollmann.de