Schadensersatz für im Bauwerk verwirklichte Planungs- oder Überwachungsfehler nur bei deren Beseitigung
(BGH, Urteil vom 24.09.2020 – VII ZR 91/18)
Kann ein Architekt/Ingenieur für den im Bauwerk durch Planungs- oder Überwachungsfehler verwirklichten Schaden auf Zahlung der Beseitigungskosten in Anspruch genommen werden, wenn der Bauherr diesen gar nicht beseitigen lässt (sog. „fiktiver Schadensersatz“)? Nein! entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH) und bekräftigt damit seine neue, seit 2018 geltende, Rechtsprechungslinie.
Ein Bauträger hatte einen Architekten mit der Planung (Leistungsphasen 1 bis 5) eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage beauftragt. Ca. drei Jahre nach der Fertigstellung des Mehrfamilienhauses wurden Mängel an den Flachdächern festgestellt. Diese Mängel beruhten auf Planungsfehlern des Architekten. Der Bauträger nahm daraufhin den Architekten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe der – noch nicht aufgewandten – Beseitigungskosten in Anspruch. Die erste Instanz wies die Klage ab. Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil ab und gab der Klage des Bauträgers überwiegend statt. Der BGH hat diese Entscheidung kassiert und den Streit zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Dies tat der BGH aus folgenden Gründen:
Der Schaden lasse sich nicht nach den (noch) nicht angefallenen – „fiktiven“ – (Netto-) Mängelbeseitigungskosten bemessen. Der 7. Zivilsenat des BGH hatte am 22.02.2018 seine bisherige Rechtsprechung zum „fiktiven“ Schadensersatz für das Werkvertragsrecht aufgegeben. Im Verhältnis zum Architekten scheide daher (auch für „alte“ Verträge) die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen in Höhe der „fiktiven Mängelbeseitigungskosten“ aus, auch wenn sich die Planungs- oder Überwachungsfehler bereits im Bauwerk als echter Schaden verwirklicht haben.
Im Ergebnis wird durch diese Rechtsprechung eine Besserstellung des Bauherrn unterbunden, der sich vorher u.U. mit dem fiktiven Schadensersatzanspruch einen Teil der Baukosten refinanzieren konnte. Tatsächlich hatten einige Bauherren diese „Lücke“ recht extensiv genutzt…
Der Bauherr geht nach der neuen Rechtsprechung aber auch nicht leer aus. Wenn er den Schaden tatsächlich beseitigen lässt (aber eben erst dann), kann er die dafür erforderlichen und tatsächlich angefallenen Kosten vom Architekten ersetzt verlangen. Darüber hinaus stehen dem Bauherrn noch weitere Möglichkeiten des Ersatzes seines Schadens zur Verfügung, auch wenn er den Schaden nicht beseitigen lassen möchte. Bei einem Verkauf des Hauses mit den Mängeln/Schaden kann er die Differenz zu dem Kaufpreis erstattet verlangen, die sich ergibt, wenn das Haus in dem geschuldeten Zustand verkauft worden wäre. Der Bauherr kann aber auch ein Wertgutachten erstellen lassen und sich den Wertverlust erstatten lassen, der durch den Schaden entstanden ist. In jedem Fall müsste er aber den Schaden nachweisen, was manchmal recht problematisch sein kann.
Man kann es also drehen und wenden, wie man will: Einen fiktiven Schadensersatz lehnt der BGH in diesem Bereich rundweg ab!
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