Rechtsprechung

BGH-Grundsatzentscheidung: Der Architekt schuldet keinen fiktiven Schadensersatz!

Nach dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes vom 22. Februar 2018 (Az.: VII ZR 46/17) (unser Beitrag vom 09.06.2018), wonach Mängelbeseitigungskosten nicht mehr fiktiv geltend gemacht werden können, hat der Bundesgerichtshof am 8. November 2018 (Az.: VII ZR 100/16) nunmehr auch der Geltendmachung eines fiktiven Schadens gegenüber dem planenden und bauüberwachenden Architekten eine deutliche Absage erteilt.

Die „fiktive“ Geltendmachung von Mangelbeseitigungskosten, bzw. von Schadensersatz meint die jahrelange Praxis, dass der Besteller die Mängel bzw. Schäden nicht beseitigen ließ und gegenüber dem Bauunternehmer die in einem Gutachten festgestellten Beseitigungskosten netto geltend gemacht hat. Die vorgenannte Grundsatzentscheidung hatte der Bundesgerichtshof vor allem damit begründet, dass der Besteller nicht besser gestellt werden dürfe, als er gestellt wäre, wenn keinerlei Mängel am Bauwerk vorhanden sind. Die mit der fiktiven Abrechnungsmethode oft in der Realität erreichte - und dem BGB fremde - Überkompensation des Bestellers sollte vermieden werden. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nun auch auf das Vertragsverhältnis Besteller zu planendem oder bauüberwachenden Architekt/Ingenieur übertragen.

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde: Der Besteller ließ auf seinem Grundstück ein Mehrfamilienhaus errichten, wobei er die Erbringung von Architektenleistungen, u.a. auch die Bauüberwachung beauftragte. Das in der Folgezeit errichtete Wärmedämmverbundsystem entsprach nicht den Regeln der Technik. Ein Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass es komplett entfernt und neuerrichtet werden müsste. Die erforderlichen Kosten wurden auf 131.300 € bis 178.342 € netto geschätzt. Der Besteller nahm deswegen den Architekten wegen eines Bauüberwachungsfehlers auf Zahlung in Anspruch. Das Wärmedämmverbundsystem hat der Besteller jedoch nicht sanieren lassen.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass dem Besteller zwar dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus fehlerhafter Bauüberwachung gegen den Architekten zusteht. Dieser Schadensersatzanspruch berechne sich hier aber nach den realen Beseitigungskosten und könne daher nach Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fiktiv - also ohne tatsächliche Beseitigung der Mängel/Schäden - geltend gemacht werden. In den Leitsätzen stellte der Bundesgerichtshof zudem klar, was der Besteller stattdessen tun kann:

Solange der Besteller den Mangel am Bauwerk nicht beseitigen lässt, kann er seinen Schaden gegenüber dem Architekten im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen. Der Besteller könnte auch - sofern das Äquivalenzverhältnis des Bauvertrages betroffen ist - seine Schäden anhand der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung für den mangelbedingten Minderwert berechnen. Schließlich ist es dem Besteller unbenommen, den Architekten auf Vorfinanzierung in Form eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrages in Anspruch zu nehmen, wenn er den Mangel des Bauwerks beseitigen lassen will.

Der BGH (Bundesgerichtshof) hat also nicht nur seine Rechtsprechungsänderung vom 22. Februar bestätigt, sondern auch klargestellt, was nun zu tun ist.

In unserem nächsten Beitrag werden wir uns mit einer Entscheidung des OLG Frankfurt befassen, in der es um die Frage geht, ob der Architekt/Ingenieur in dem Fall einer formunwirksamen Pauschalhonorarvereinbarung nach den Honorarmindestsätzen abrechnen darf.

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