Bilderlesenhilfe
„In der Photografie geht es nicht, wie irrtümlich angenommen, um eine reale Welt. Es ist stets etwas Vermitteltes, nicht erfunden, sondern transformiert.“ Diese fast schon banal anmutende Feststellung des deutschen Fotografen Timm Rauter beschreibt den Kern des Bildermachens und zugleich lässt er alles offen. In Zeiten generativer KI und sich immer weiter verbreitender, immer perfekter werdender „Deepfakes“ kommt wieder einmal die Frage auf, ob das, was wir auf Bildern gezeigt bekommen, als wahr anschauen sollen oder eher nicht. Die Frage, ob wir generell Bildern trauen dürfen, müssen wir längst durch eine hinterfragende Kritik ersetzen, die allem Bildermachen entgegenzubringen ist. Wenn wir Bildern trauen wollen. Paradox?
Tatsächlich ist, mit Timm Rauter, festzustellen, dass Bilder noch nie das erfüllt haben, wofür sie irgendwie immer gestanden haben: wahrhaftig zu sein. Jedes noch so sehr auf Authentizität zielende Abbilden ist immer nur ein Vermitteln, eine Übersetzung, nicht die Gleichsetzung. Doch digitale Bilder, und deren Bedeutung für die Deutung von Welt manifestiert sich ja schon in ihrer massenhaften (und das ist untertrieben) Produktion, digitale Bilder erscheinen uns anfälliger zu sein für massenhafte Manipulationsstrategien und ja, sie sind es. Nicht nur „anfälliger“ könnte man hinzufügen, sie sind per se manipulativ in ihrer nur schwer fassbaren, irgendwie auch ephemeren Konsistenz.
Doch tatsächlich hat sich der erste Aufruhr mit dem Aufkommen digitaler Bilder in den 1990er-Jahren mittlerweile gelegt, kaum jemand spricht noch vom totalen Realitätsverlust (den es allerdings immer noch gibt). Es gibt zuverlässige (digitale!) Verfahren der Bildanalyse und der vergleichenden Datenauswertung.
Die werden in diesem kleinen Buch vorgestellt, kritisch, detailliert, auf generelle Fragen der Bildpraktiken ebenso bezogen wie auch technische Aspekte mit ihren Möglichkeiten und Grenzen der Bildbearbeitung. Zugleich weisen die Autoren darauf hin, dass man insbesondere in künstlerischen Arbeiten erkennen kann, wie der Verdacht gegenüber Bildern selbst produktiv wird: Der Blick auf das Manipulative bringt nicht nur neue Bilder hervor, sondern auch ein neues, prozessuales Verständnis digitaler Bildlichkeit.
Warum wir das lesen sollten? Weil das tägliche Lesenmüssen von (auch Architektur)Bildern zentraler Bestandteil unserer kulturellen Identität ist. Weil das (Bilder)Lesenkönnen gar dazu befähigt, intellektuelle Abgehobenheit zu erden und die Bilderarbeit wieder zu einem Instrument in der wissenschaftlichen, publizistischen oder künstlerischen Arbeit zu machen. Auf die Frage: Bilder, was wollt ihr von uns? können wir dann antworten: Mit euch auskömmlich und produktiv weiterleben. Sollte man lesen. Be. K.