BIM-Einsatz im kostengünstigen Wohnungsbau

Die Berliner Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land ließ vor einigen Jahren Typenhäuser entwickeln, die einen schnelleren und günstigeren Wohnungsbau ermöglichen sollen. Im Interview erklärt Ingo Malter, Geschäftsführer der Gesellschaft, wie sie bei dem aktuellen Wohnbauprojekt Senftenberger Straße die durchgängig digitalisierte Planung diesem Ziel noch einen Schritt näher gebracht hat.

Studio Mars plante modellbasiert mit seiner BIM-Software Archicad, Solibri kam für die Kollisionsprüfung und Qualitätskontrolle bei Otto Wulff zum Einsatz. Was war für Sie als Bauherr der ausschlaggebende Grund, auf BIM und Vorfertigung im Projekt Senftenberger Straße zu setzen?

Ingo Malter: Grundsätzlich machen wir derzeit noch keine Vorgaben für unsere Planer, mit welchen Instrumenten und Methoden die Planung erarbeitet werden soll. Die Entscheidung für eine BIM-Planung lag bei diesem Projekt bei unserem Generalübernehmer. Er übernahm Planung und Ausführung.

Das Projekt Senftenberger Straße zeigt eindrücklich, dass BIM auch im kostengünstigen Wohnungsbau Vorteile bietet. Wie ist Ihr Resümee nach Projektabschluss und den ersten sechs Monaten in der Nutzung?

Dieses Neubauvorhaben wurde im vereinbarten Zeit- und Kostenrahmen und in der vereinbarten Qualität umgesetzt. Nach so kurzer Zeit der Nutzung kann noch kein Resümee gezogen werden. Das ist auch gut so, denn erst wenn Mängel auftreten, was in der Regel erst nach Alterung der Immobilien der Fall ist, können die Vorteile von BIM bei Reparaturen erneut nutzbar gemacht werden.

Lässt sich beziffern, wie hoch der Effizienz- und Zeitgewinn sowie die Kosteneinsparung durch die Typenhäuser sind – mit Blick auf die Senftenberger Straße oder auch andere, ähnliche Projekte?

Ja, das können wir. Im Vergleich zu konventioneller Stahlbeton- oder Mauerwerksbauweise bei anderen Projekten haben wir sowohl Zeit- als auch Kostenvorteile.  Die Vergabezeiträume konnten beispielweise mit Hilfe der Rahmenvereinbarung erheblich verkürzt und die Planung schneller und kostengünstiger realisiert werden. Bei der Realisierung der Typenhaus-Projekte liegen die Kosten um einige hundert Euro pro Quadratmeter unter denen von Individualplanungen. 

Wie kam die Zusammenarbeit mit Studio Mars zustande, mit denen die Idee der Typenhäuser entwickelt wurde?

Das Typenhaus war das Ergebnis eines Projekts mit Mars Architekten (heute Studio Mars) in den Jahren 2016 und 2017, bei dem es um eine Untersuchung der Frage ging, ob und wie heute seriell und dadurch günstig, aber dennoch modern und qualitativ hochwertig gebaut werden kann; explizit mit dem Auftrag, sich mit der Historie des seriellen Bauens auseinanderzusetzen und die Erfahrungen einfließen zu lassen. Die Frage, ob das möglich ist, haben wir mit einem klaren Ja beantwortet.

Auf dieser Grundlage fiel im April 2018 mit der Grundsteinlegung der Startschuss für den Bau des Prototyps des ersten Typenhauses. Im November 2018 war Richtfest und Ende 2019 gingen die ersten 165 Wohnungen in der Schkeuditzer Straße in Marzahn-Hellersdorf in die Vermietung. Basierend auf den Erfahrungen und Erkenntnissen aus der bisherigen Planung und vor dem Hintergrund wachsender Nachfrage und steigender Mieten auf dem Berliner Wohnungsmarkt entwickelten wir gemeinsam mit Arnold und Gladisch Architekten und der mib Märkische Ingenieur Bau GmbH in einem mehrstufigen Prozess den Planungskatalog für das Typenhaus Plus.

Das Planungsmodul-Konzept ermöglicht es, die bis zu achtgeschossigen Neubauten in Höhe, Ausdehnung, Ausstattung und Gestaltung an individuelle städtebauliche Anforderungen und Qualitätsansprüche anzupassen. Es wurden drei Treppenhausmodule entwickelt, die jeweils an zwei Haushälften mit unterschiedlichen Wohnungsvarianten angedockt werden können; innerhalb des Gebäudes und in den Einzelgeschossen lassen sich unterschiedliche Wohnungsgrößen kombinieren. Das Neubauvorhaben in der Senftenberger Straße selbst wurde aus unserem Rahmenvertrag Typenhaus Plus abgerufen. In einer EU-weiten Ausschreibung wurden drei Generalübernehmer als Rahmenvertragspartner für die Umsetzung von Typenhaus Plus-Projekten gewonnen, die zum Teil bereits sehr konkret ausgewiesene Folgeprojekte auf der Basis des  Typenhaus Plus-Konzepts realisiert haben. Einer davon war Otto Wulff zusammen mit Mars Architekten.

Bauen wird immer teurer und technisch herausfordernder. Wie gehen Sie als Bauherr mit der aktuellen Situation um, sowohl in Hinblick auf die Erstellung als auch auf den Betrieb der Wohngebäude?

Wir versuchen bei jedem Bauprojekt die Grundsätze des kostengünstigen Planens und Bauens anzuwenden. Dies war insbesondere der Hauptbeweggrund für die Entwicklung unseres Typenhauses für den Neubau. In allen bisher umgesetzten Typenhaus-Projekten hat sich bewahrheitet, dass wir mit den Baukosten unter den Kosten von konventionell geplanten und gebauten Neubauvorhaben liegen. In Bezug auf den späteren Gebäudebetrieb planen wir mit dem Ziel einer weitestgehenden Wartungsfreiheit mit möglichst langlebigen Bauteilen, solide und robust.

Wo findet die Idee der Typenhäuser noch Anwendung? Also gibt es weitere Projekte, die bereits umgesetzt wurden oder werden?

Die Planungsgrundlagen galten als Blaupause für weitere Projekte. Der Planungskatalog wurde laufend aktualisiert. Es entstanden weitere Typenhaus-Projekte in Marzahn, Hellersdorf und Treptow. Bei dem derzeit größten Neubauprojekt  auf den Bu­ckower Feldern im Bezirk Neukölln entstehen derzeit ca. 900 Wohnungen, davon 377 in Typenhaus-Bauweise. Und das Typenhaus Plus (Massivbau) soll dann mit dem als Prototyp geplanten Typenhaus Eco (Holzbau) verglichen werden. Das Ziel: Durch einen Wechsel in der Baukonstruktion könnten 40 bis 70 % weniger CO2 verursacht werden. Die Decken, Außenwände und das Dach würden demnach eine CO2-Einsparung von 50 bis 60 % erreichen.

Alle Typenhaus-Projekte finden Sie unter www.stadtundland.de/typenhaus. Bis auf die Neubauvorhaben Am Plänterwald und Buckower Felder sind die hier abgebildeten Projekte bereits fertig gestellt.

Sie arbeiten in verschiedenen Projekten mit Otto Wulff zusammen. Wo liegen die Vorteile dieser bereits längeren Kooperation?

Otto Wulff ist einer von drei Rahmenvertragspartnern, die für uns als Generalübernehmer Typenhaus Plus-Projekte geplant und gebaut haben. Auch bei konventionellen Neubauprojekten arbeiten wir mit dem Generalübernehmermodell. Hier liegt der Vorteil gegenüber der herkömmlichen Vorgehensweise, bei der zunächst ein Architekt plant und anschließend die Bauausführung ausgeschrieben wird, darin, dass von Projektbeginn an das Planungsteam das Projekt zusammen mit der ausführenden Firma und dem Bauherrn entwickelt. Wesentlicher Vorteil ist, dass bereits in der ersten Planungsphase (Projektentwicklung) die Prinzipien des kostengünstigen Bauens sicher eingehalten werden, da wir mit dem General­übernehmer für das Neubauvorhaben einen globalen pauschalen Festpreis für die funktionstüchtige und schlüsselfertige Erstellung des Werks (= Kosten pro m² Mietfläche) vertraglich vereinbaren, bevor es in die weitere Planung und Bauausführung geht. Selbstverständlich musste und muss sich die Firma Otto Wulf nach europaweiter Ausschreibung im Wettbewerb durchsetzen. Auf gleichem Wege haben sich auch andere Unternehmen bei uns als Rahmenvertragspartner qualifiziert.

Was sind die aktuell größten Herausforderungen bei Ihren Projekten – und wie lassen sich die damit verbundenen Aufgaben lösen?

Als landeseigenes Wohnungsbauunternehmen ist es für uns seit einigen Jahren oberste Prämisse, möglichst schnell viele Mietwohnungen in solider Qualität zu bauen. Und diese Wohnungen müssen möglichst kostengünstig errichtet werden, um die geforderten leistbaren Mieten anbieten zu können. Unwirtschaftliche Projekte können und werden wir nicht umsetzen. Auch bei den zurzeit stagnierenden Baupreisen bleiben diese Kosten gemeinsam mit den Zeitplänen die größte Herausforderung im Neubau.

Interview: Tim Westphal ist Fachjournalist mit eigener Kommunikationsagentur und spezialisiert auf digitales Planen und Bauen.

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