Neubau eines Mehrfamilienhauses Majakowskiring 71, Berlin/D

Hochwertig und günstig
Neubau eines Mehr­familienhauses Majakowskiring 71, Berlin

Günstigen und zugleich hochwertigen Wohnraum zu schaffen, glich schon immer der Quadratur des Kreises. Nicht selten lassen sich architektonische Visionen und die Vorstellungen des Bauherrn und der Nutzer nur schwer miteinander vereinen. Um jedoch gestalterisch anspruchsvollen Wohnraum in einem vertretbaren Kostenrahmen zu schaffen, bedarf es gleich zu Beginn eines Bauprojekts der intensiven Zusammenarbeit von Bauherrn, Architekten und ausführenden Firmen. Keiner der am Planungs- und Bauprozess Beteiligten darf sich Illusionen hingeben, die den Anforderungen der Realität nicht standhalten.

Auf den ersten Blick erfüllt das Bauprojekt Majakowskiring 71 in Berlin-Niederschönhausen nicht die Kriterien eines preisgünstigen Wohnungsbaus. Schon der Bauplatz in der historischen Villenkolonie, die der DDR Nomenklatura als Wohnquartier diente, und die unmittelbare Nachbarschaft zum Schlosspark Niederschönhausen lässt keinesweg auf ein Bauwerk mit Erstellungskosten von exakt 1 359 €/m² (netto) schließen. Erst der zweite Blick gestattet Rückschlüsse auf Bereiche wo geschickt Kosten eingespart wurden ohne kompromitierend auf den architektonischen Gesamteindruck zu wirken.

So geben bei genauer Betrachtung die Anordnung und äußere Gestaltung der Baukörper, die Ausstattung der Wohnungen, Eingänge und Treppenhäuser und vieles mehr Aufschluss über die gestalterischen Kunstgriffe. Im Gespräch mit dem verantwortlichen Architekten Matthias Gorenflos erkennt man schnell, welche Umstände bei der Erstellung dieser sehr repräsentativen aber zugleich kostenbewussten Wohnbebauung zum Zuge kamen. Nicht alle Einsparmaßnahmen sind einsehbar, viele verbergen sich in dem stringent geführten 12-monatigen Planungs- und 15-monatigen Bauprozess.

Mit einer über 15-jährigen Erfahrung im europäischen Wohnungsbau verfügen Gorenflos Architekten über Kenntnisse und Verbindungen, die für den Bauherrn bare Münze sind. Im Fall des Mehrfamilienhauses am Majakowskiring kannten sich Architekt und Bauherr schon aus vorangegangenen Projekten, was die Kommunikation schnell und zielgerichtet machte. Zusammen recherchierte man den Berliner Wohnungsmarkt und definierte für welche Art von Mietern die Wohnungen errichtet werden sollten und wie sich dies baulich umsetzen ließ. Jede Wohnung sollte über einen Außenbereich (Garten/Terrasse), einen Kamin, eine Deckenhöhe von 2,90 m und gut ­geplante wie eingebaute Küchen und Bäder verfügen. Mit diesem klaren Fokus ging man gemeinsam ans Werk. Alles wurde nach dem Prinzip schlicht und einfach geplant, aber mit einem jeweils wohlgesetzten Höhepunkt: In den Wohnzimmern ist es z. B. der Kamin. Alle Türen haben eine Durchgangshöhe von 2,50 m, kosteten aber nicht wesentlich mehr als die Standardtür, und in den Bädern (mind. zwei pro Wohnung) sind nur die Wände über der Wanne mit grünem Marmor verkleidet, alle anderen Oberflächen mit Feinsteinzeug oder glatt geputzt.

Die Entscheidungen bzw. Maßnahmen, die am meisten kostensenkend und sich entsprechend wertsteigernd erwiesen, waren jedoch die, die nicht unmittelbar ins Auge stechen. Das 2 000 m² große Grundstück und der nach drei Seiten exponierte Bauplatz wurden nur partiell mit insgesamt 1 100 m² Wohnfläche überbaut. Niedrige oder gar keine Zäune lassen die Anlage räumlich großzügig erscheinen, ein Bachlauf markiert den Übergang zum Schlosspark. Aufgrund des hohen Grundwasserspiegels verzichtete man – insbesondere seitdem auf dem Nachbargrundstück die Baugrube volllief – auf eine Unterkellerung oder Tiefgarage. Nur bei dem 20 m² großen Haustechnikraum mit BHKW zur Eigenstromversorgung war eine kleine Wasserhaltung notwendig.

Aber auch das Vorbild des kostengünstigen Wohnungsbaus in manch anderen europäischen Ländern, wie z. B. den Niederlanden oder Skandinavien, galt als inspirierend und gestattete Rückschlüsse auf das eigene Vorhaben. Die niederländische Vorliebe für Maisonetten wurde offensiv aufgenommen, was die Qualitäten von fünf der sieben Wohnungen ungemein erhöhte. Die aus Skandinavien bekannten nach Außen anschlagenden Fenster verbaute man aufgrund ihrer extrem schlanken Profile. Auch die glattgeputzten, bündigen Fassaden gehen mit ihrer bewussten Vermeidung von Vorsprüngen und Erkern auf eine äußert kostengünstige Ökonomie zurück. Nur der Sockel, der am meisten beanspruchte Bereich eines Gebäudes, ist aufwändig mit Bruchklinker verkleidet und verdeutlicht die Dreiteilung des Baukörpers. Ansonsten sind die Fassaden auf das absolut Wesentliche reduziert, Linien und Formate wie auch deren teils geschwungene Fronten verteuerten die Ausführung in keinster Weise. Im Vergleich zum Ausland zeichnet sich zwar der Wohnungsbau in Deutschland durch eine geringere Experimentierfreudigkeit aus, im Gegenzug aber durch eine höherwertige Bauausführung.

Zu dieser Art von optimalem Preis-Leistungs-Verhältnis kommt es nur, wenn eine wesentliche Voraussetzung erfüllt ist: Bauherr, Architekt und Firmen müssen von Projektbeginn an eine Einheit darstellen und alle streben ein und dasselbe Ziel an. Ferner gilt es die vom Bauherrn gesetzten Ansprüche mit den Erfahrungen der Planer auf eine Ebene zu bringen. So wächst käufmännisch und gestalterisch das Projekt. Jede nur auf die Einsparung von Geldern ausgelegte Planung resultiert in einer Verminderung der architektonischen Qualitäten, d. h. Geld darf nicht auf Biegen und Brechen eingespart werden. Das macht die Betreuung durch den Architekten von Anfang bis Ende und von der ersten Skizze bis zur letzten Schraube zur zwingenden Notwendigkeit. Auf diese Weise entstehen solch überraschende Synergieeffekte, wie es z. B. am Majakowskiring 71 die reduzierte Fassaden­gestaltung oder der natürliche Bachlauf als „fließen­der“ Gartenzaun belegen. Die in zahlreichen Projekten gewonnene Souveränität im Umgang mit kosteneinsparenden Kniffen im Wohnungsbau lässt eine Reihe von allgemein gültigen Schlüssen zu ohne die dergleichen Bauvorhaben nicht steuerbar und dementsprechend für den Bauherrn finanziell unvorhersehbar enden können. So profitierte auch das Projekt Majakowskiring 71 von einer durchgehenden Planung, die nahtlos in die Realisierung überging. Schnell stießen alle Beteiligten des überschaubaren Projektteams – bestehend aus Bauherr, Architekt und Ingenieuren – zu dem Wesentlichen und Machbaren vor ohne sich dabei mit langwierigen Abwägungen von Möglichkeiten aufzuhalten. Die Fähigkeit sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und in der Reduktion mit dem Wenigen zurechtzukommen, gerät zu einer unabdingbaren Tugend des kostenbewussten Planens und Bauens. Ein Festhalten an liebgewonnen Konventionen und Eigenarten läßt diese Vorgehensweise genausowenig zu. Die Kunst des Weglassens wird zu einer Schlüsselkom­petenz im tagtäglichen Kampf mit dem Budget und der Qualität des Endprodukts. In den letzten Phasen eines Bauprojekts zeigen sich immer wieder die Risiken und Schäden, die durch falschverstandene Planung in der Ausführung entstehen können. Da gilt es für den Architekten die entsprechenden Kompetenzen der Fachfirmen einzufordern und gezielt abzufragen. Denn zu keiner Zeit sollte die wirtschaftliche Verantwortung des Architek­ten von der ästhetischen abgetrennt werden. Matthias Gorenflos bringt all diese Punkte eines verantwortungsvollen und kostenbewussten Bauprojekts prägnant zum Ausdruck: „Intensiv und zügig planen und bauen, da sonst der Faden immer wieder aufgenommen werden muss, wobei viel Energie verloren geht.“

Der Majakowskiring 71 offenbart sich demzufolge als ein exemplarisches Paradebeispiel einer effektiven, sparsamen, nachhaltigen und gleichzeitig äußerst repräsentativen Variante des gehobenen modernen Mehrfamilien Wohnungsbaus.

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