CEEC Jena II und AWZ, Jena
Um Jena als Wissenschaftsstandort weiter zu stärken, wird im Stadtzentrum aktuell wieder viel gebaut. Kürzlich fertiggestellt haben Telluride Architektur ein zukunftsorientiertes Forschungsgebäude für die noch bessere Verbindung von Forschung und Anwendung.
Text: Katja Reich/ DBZ
Mit dem Erweiterungsbau CEEC Jena II sowie dem dazugehörigen Anwendungszentrum sind weitere Speziallabore für die Forschungsgebiete Chemische Energiespeicherung und -wandlung sowie Umwelttechnik hinzugekommen
Foto: Hubert Juranek, Telluride Architektur
Pioniere der Optik- und Feinmechanikindustrie wie Zeiss, Jenoptik und Schott haben Jena seinerzeit weltbekannt gemacht. Die traditionsreiche, 1558 gegründete Friedrich-Schiller-Universität sowie die praxisorientierte Ernst-Abbe-Hochschule prägen, neben vielen weiteren Instituten, Jena auch als Wissenschaftsstandort. Vor allem seit der Wiedervereinigung wird die Stadt in der Metropolregion Mitteldeutschland kontinuierlich zu einem internationalen Bildungs- und Wissenschaftszentrum ausgebaut. Die rund 4 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in Jena tätig sind, leisten mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft und bearbeiten relevante Zukunftsfragen. „Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Technologie- und Forschungstransfer“, wie Nutzervertreter Dr. Martin Hager berichtet. Professor Dr. Ulrich S. Schubert als Direktor des CEEC Jena und Initiator des Neubauprojektes merkt an: „In Jena möchte man vor allem auch Innovationstreiber und Keimzelle für Start-ups sein und die marktreife Entwicklung von Forschungsergebnissen und neuen Technologien mit einem breiten Spektrum an Beratungsangeboten verbinden.“ Vor diesem Hintergrund ist in den vergangenen Jahren eine deutlich zunehmende Bautätigkeit zu verzeichnen, die den Thüringer Universitäts- und Wirtschaftsstandort moderner und attraktiver machen sollen. Dies spielt insbesondere vor dem Hintergrund des sogenannten „War for Talents“ eine entscheidende Rolle. Neben spannenden Forschungsprojekten und Standortvorteilen verlangen junge Forscherinnen und Forscher zunehmend auch nach top ausgestatteten Arbeitsplätzen in einem modernen und kommunikativen Umfeld.
Der heterogene Standort soll mit dem Neubau zu einen identitätsstiftenden Campus werden
Foto: Hubert Juranek, Telluride Architektur
Die Unendlichkeitsschleife
So entstand bereits 2015 auf dem Campus Chemie der Friedrich-Schiller-Universität Jena ein Forschungsneubau für das Center for Energy and Environmental Chemistry (CEEC Jena I), der alte Labore, Büros und eine Fertigungshalle aus DDR-Zeiten ersetzte. Mit dem nun realisierten Erweiterungsbau CEEC Jena II sowie dem dazugehörigen Anwendungszentrum (AWZ CEEC Jena) sollten weitere Speziallabore für die beiden Forschungsgebiete Chemische Energiespeicherung und -wandlung sowie Umwelttechnik hinzukommen und dem heterogenen Standort ein neues, identitätsstiftendes Gesicht geben. Der zuvor erwähnte Anspruch, die theoretisch orientierte Grundlagenforschung mit der angewandten Forschung noch besser zu verknüpfen, schlägt sich im architektonischen Konzept des Neubaus wieder. „Grundidee unseres Entwurfs bildet das mathematische Unendlichkeitszeichen, das hier die endlose Lernschleife zwischen Theorie und Praxis symbolisieren soll“, erläutert Projektleiter Vicente Menchero von Telluride. In Überlagerung mit dem für Institutsbauten typischen langgestreckten Grundriss entstand das Gebäude mit einem gemeinsamen Zentrum an dem Punkt, an dem sich die unendliche Lernschleife kreuzt, quasi im „Center of Gravity“. Städtebaulich wird durch den kompakten Riegel in Ost-West-Richtung auch ein neuer Campus-Platz gebildet. Ein weiteres Gebäude für ein neues Gründerzentrum ist noch in Planung und soll das Ensemble als städtebauliche Einheit abschließen.
Die Technikzentrale auf dem Dach ist eine beeindruckende Welt für sich
Foto: Hubert Juranek, Telluride Architektur
Das „Center of Gravity“ ist gemeinsamer Eingang und Herzstück des Neubaus für CEEC Jena II und AWZ CEEC Jena. Schon von außen wirkt das Foyer großzügig und offen, gewährt Einblicke und präsentiert sich als multifunktionaler Kommunikationsraum, der Identität schafft und das Miteinander der beiden Institute fördert. Die raumprägende, skulpturale Treppe ist weit mehr als ein Erschließungselement. „Wie das gesamte Gebäude spielt sie mit dem Element der unendlichen Schleife und ist inspiriert von dem bekannten Gemälde von M. C. Escher“, sag Vicente Menchero. Neben der Teeküche und den temporären Arbeitsplätzen bietet auch sie die Möglichkeit, sich mit dem Laptop an die Brüstung zu setzen oder gemeinsam einen Kaffee zu trinken. Der speziell für das Projekt ausgesuchte Kupferfarbton für die zum Treppenauge orientierten Brüstungsseiten findet sich ebenfalls in dem raumhohen Kunstwerk aus perforiertem Lochblech an der rückwärtigen Innenwand wieder. Er symbolisiert das Orbitale des Wasserstoff-Atoms und schafft somit einen inhaltlichen Bezug zur Arbeit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.
Die Technikzentrale verschwindet hinter einer perforierten Fassade aus kupferfarbenem Blech, zudem wurden auch Versuchsaufbauten für Rückkühlaggregate untergebracht
Foto: Hubert Juranek, Telluride Architektur
Die Komposition der Fassade, die grundsätzlich dem strengen Raster der Laborflügel folgt, orientiert sich zum Center of Gravity. Die durchgestalteten Fensterlaibungen aus (ebenfalls) kupferfarbenem Stahlblech sind schräg ausgebildet und bewegen sich von beiden Seiten auf das Zentrum des Gebäudes zu. Die restlichen Fassadenflächen des fünfgeschossigen Baukörpers aus Stahlbeton sind weiß verputzt und bilden somit einen deutlichen Kontrast zu den hervorgehobenen Fensterelementen. So entsteht eine gewisse Spannung innerhalb der Fassadengestaltung, die je nach Standpunkt und Blickwinkel immer wieder variiert. Und auch der Technikzentrale auf dem Dach, die vor allem von den am Hang gelegenen Villen der näheren Umgebung gut wahrnehmbar ist, wurde eine eigens gestaltete Kupferhaube verpasst. Der Sockel hingegen erhielt eine Ausführung in Verblendmauerwerk in Anlehnung an die historische Stadtarchitektur.
Die Balustrade dient nicht nur als Absturzsicherung, sondern auch als temporärer Arbeitsplatz oder Kaffeebar
Foto: Hubert Juranek, Telluride Architektur
Die skulpturale Ausbildung der Treppenanlage erlaubt vielfältige Blickbeziehungen
Foto: Hubert Juranek, Telluride Architektur
Flexible Grundrissorganisation
Die Grundrissaufteilung in den beiden Gebäudeteilen folgt einem regelmäßigen Stützenraster, das jedoch eine gewisse Flexibilität bei der Einteilung der Labore und Büros ermöglicht – und perspektivisch auch andere Nutzungen erlauben würde. „Jede der fünf Etagen gliedert sich in eine Kernzone mit Nebenräumen und flankierenden Fluren. An diese schließen im Norden die Labore mit einer nochmals davor liegenden flexiblen Arbeitszone für die direkte Dokumentation von Ergebnissen an, nach Süden reine Büro- und Besprechungsräume“, erklärte Vicente Menchero die Grundrisse. Die Raumhöhe misst die für diese Nutzung standardmäßig vorgesehenen 4,10 m. Die Installation ist weitestgehend offen verlegt, um auch hier möglichst flexibel zu bleiben. Im Untergeschoss (Raumhöhe 4,40 m) sind anstelle der Laborausstattung hochsensible Elektronenmikroskope mit den dazugehörigen Nebenräumen untergebracht sowie weitere Technikräume für Heizung, Klimatisierung und Lager. Auf dem Dach befinden sich neben der Technikzentrale auch Versuchsaufbauten für PV-Prototypen. Bei der Orientierung helfen nicht nur die eigens entworfene Signaletik, sondern auch ein Zwei-Farben-Konzept, mit dem sich die Bereiche CEEC Jena II (dunkles Türkis) und AWZ CEEC Jena (dunkles Violett) beim Durchlaufen der Räume leicht zuordnen und unterscheiden lassen. Für Professor Dr. Ulrich S. Schubert ist damit ein „idealer Konsens zwischen den maximalen Anforderungen der Wissenschaft und einer herausragenden Architektur“ gefunden worden.
Kupferfarbene Elemente bestimmen das GEbäude durch und durch - hier die Innenseiten der Brüstung
Foto: Hubert Juranek, Telluride Architektur
Die zentrale Treppe prägt das gemeinsame Foyer als multifunktionalen Kommunikationsraum
Foto: Hubert Juranek, Telluride Architektur
Richtungsweisend
Noch sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht vollends eingezogen, doch Nutzervertreter Dr. Martin Hager und Bauherrenvertreterin Claudia Wichert zeigen sich bereits sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Trotz der schwierigen Budgetsituation mit mehreren Einsparungsrunden war die Zusammenarbeit sehr angenehm, konstruktiv und letztendlich zielführend, sodass nicht nur alle Funktionalitäten gewährleistet werden konnten, sondern auch ein gestalterisch richtungsweisendes Gebäude entstanden ist. Prof. Dr. Ulrich S. Schubert fasst dies folgendermaßen zusammen: „Wir verwirklichen mit den Neubauten einen weltweit sichtbaren gemeinsamen Aufschlag, um mit innovativen Energiekonzepten signifikante Beiträge für neue nachhaltige Energiespeicherlösungen zu schaffen“.
Die Labore sind umfangreich ausgestattet und durch die offene Installationsebene auch flexibel aufzuteilen
Foto: Hubert Juranek, Telluride Architektur
Fassadendetail, M 1 : 50
1 Pfosten-Riegel Konstruktion, RAL 7021
2 Fensterbank, MDF-Platte 16 mm in RAL 9016, lackiert matt, verschraubt
3 Laibungsblech, Aluminium, 3 mm, Oberfläche RAL Marrone 630 HWL, gekantet; 2 mm Stoßblech in 10 mm Blechfuge; Unterkonstruktion Aluminium, 3mm, mehrfach gekantet als U-Profil, verschraubt
4 Haltebügel Aluminium, 4 mm.
5 Rohrrahmen 50 x 50 x 5, als Längs- und Querausteifung
6 Luftraum.
7 Konsole Rahmen Aluminium, 5 mm, walzblank
8 Rauchabzug
9 Mineralwolldämmung
Fassadenaufbau:
Putz, 2 cm, weiß, rau
Putzträgerplatte, 5 cm, inkl. Stahlblech-
Unterkonstruktion, verschraubt
Luftschicht, 7 cm
Mineralwolldämmung, vlieskaschiert
schwarz, 16 cm
Stahlbeton, 30 cm
Telluride Architektur
www.telluride-architektur.de
Foto: Klaus Schwaiger
Projektdaten
Objekt: Center for Energy and Environmental Chemistry mit Anwendungszentrum, CEEC AWZ Jena
Standort: Jena
Typologie: Forschungsbau, Hochschule
Bauherrin: Friedrich-Schiller-Universität Jena
Nutzerin: Chemisch-Geowissenschaftliche Fakultät, Prof. Dr. Ulrich S. Schubert und Dr. Martin Hager
Architektur: Telluride Architektur,
www.telluride-architektur.de
Team: Vicente Menchero Díaz (Projektleitung), Denise Kossert (stv. Projektleitung), Victoria Rusina, Christina Zejnelović, Sebastian Pertl, Karina Podra; BIM: Fedor Maksyutin, Hivi Sindy-Bayz, Lorenzo Simón Santillana
Bauleitung: Telluride Architektur, Torsten Hafemeister
Bauzeit: Vorabmaßnahmen 07.2020 – 03.2021, Hochbau 04.2021 – 11.2023
Grundstücksgröße: 17 200 m²
Grundflächenzahl: 1 861 m²
Geschossflächenzahl: 6 (Vollgeschosse lt. LBO: 4)
Hauptnutzflächen gesamt (NUF1-7, TF, VF): 8 815 m²
Nutzfläche (NUF1-7): 4 492 m²
Technikfläche: 1 953 m²
Verkehrsfläche: 2 370 m²
Brutto-Grundfläche: 9 762 m²
Brutto-Rauminhalt: 44 908 m³
Baukosten (nach DIN 276, KG200 - 600):
Gesamt brutto: ca. 40 000 000 €
Hauptnutzfläche: ca. 4 500 €/m²
Brutto-Rauminhalt: ca. 890 €/m³
Fachplanung
Tragwerksplanung: Ingenieurgruppe Bauen, Berlin, www.ingenieurgruppe-bauen.de
TGA-Planung: HKL Ingenieurgesellschaft mbH, Erfurt, www.hkl-ingenieure.de
Fassadentechnik: Telluride Architektur,
www.telluride-architektur.de
Innenarchitektur: Telluride Architektur,
www.telluride-architektur.de
Akustik: BBS Ingenieurbüro (Thüringen), Weimar, www.bbs-international.com
Landschaftsarchitektur: Rehwaldt Landschaftsarchitekten, Dresden,
www.rehwaldt.de
Energieplanung und -beratung: BBS Ingenieurbüro (Thüringen), Weimar,
www.bbs-international.com
Brandschutz: RJP - Prof. Rühle, Jentzsch & Partner, Dresden, www.rjp.de
Fachplaner Labor: Weber & Partner, Dresden,
www.weber-und partner.eu
Energie
Primärenergiebedarf: 204,6 kWh/m²a
Endenergiebedarf: Fernwärme: 74,4 kWh/m²a + Strom 101,3 kWh/m²a
Jahresheizwärmebedarf: 67,6 kWh/m²a
Energiekonzept:
Fernwärmeversorgung, Primärenergiefaktor ep = 0.30; Lüftungsanlagen mit WRG, Rückwärmezahl > 70%; PV-Anlagen zur anteiligen Eigenbedarfsdeckung (in Energiekennzahlen nicht berücksichtigt)
Nutzungsspezifisch (wegen der hohe Anzahl von Laborräumen wurde der Schwerpunkt für Zusatzinvestitionen in Maßnahmen zur Energieeinsparung bei diesem Gebäudeart auf die Konzeption und Regelung der Lüftungsanlagen ausgerichtet) = bedarfsgeregelte Lüftungssysteme, optimierte (druckverlustarme) Luftverteilung).
U-Werte Gebäudehülle:
Außenwand = 0,23 W/(m²K)
Fassadenpaneel = 0,33 W/(m²K)
Bodenplatte = 0,65 W/(m²K)
Dach = 0,18 W/(m²K)
Fenster (Uw) = 1,3 W/(m²K)
Verglasung (Ug) = 1,0 W/(m²K)
Hersteller
Beleuchtung: Lenneper GmbH & Co. KG,
www.lenneper.de
Bodenbeläge: Nora, www.nora.com; Villeroy & Boch, www.villeroy-boch.de; BASF, www.basf.com
Dach: Knauf, www.knauf.de; Soprema,
www.soprema.de
Fassade/Außenwand: Schüco, www.schueco.com; Sto, www.sto.de
Heizung: Pewo, www.pewo.com; Kermi,
www.kermi.com
Innenwände/Trockenbau: Fural, www.fural.com; Knauf, www.knauf.de
Lüftung: Trox, www.trox.de; Schneider Elektronik, www.schneider-elektronik.de; Fibertec Deutschland GmbH, www.ke-fibertec.com; HygroMatik GmbH,
www.hygromatik.com
Möbel: Steelcase, www.steelcase.com; H&K Einrichtungen, www.huk-einrichtungen.de
RLT-Anlage: Berliner Luft, www.berlinerluft.de; Weiss Technik, www.weiss-technik.com
RWA-Anlage: D+H Deutschland GmbH,
www.dh-partner.com
Sanitär: Geberit, www.geberit.de
Zutrittssysteme: SimonsVoss, www.simons-voss.com; BKS, www.g-u.com
Sonnenschutz: Warema, www.warema.com
Außentüren: Schüco, www.schueco.com
Innentüren: Neuform, www.neuform-tuer.com; Teckentrupp, www.teckentrup.biz; Foster,
www.forster-profile.ch
Wärmedämmung Außenwand: Rockwool,
www.rockwool.com
Elementrennwände: Drum, www.drum-systeme.de