15. Internationale Architekturbiennale Venedig. Noch bis Ende November

Gerne haben wir an dieser Stelle über Sinn und Unsinn von Architekturausstellungen räsoniert. Das lassen wir jetzt einmal. Natürlich haben wir besonders genau beim deutschen Beitrag hingeschaut, hier soll das voranstehende Interview mit den Kuratoren/Generalkommissaren/Konzeptionisten einen ersten Einblick geben. Mehr, als dass wir eine Kritik der 15. Internationalen Architekturbiennale in Venedig verfassen, wollen wir lieber ein paar Hinweise, Eindrücke und kleine Reisetipps geben. So zuallererst den: Bringen Sie viel Zeit mit! Und: Neben Arsenale und Giardini gibt es zahlreiche kollaterale Veranstaltung in den Palazzi, an der Universität, auf dem Festland. Drei Tage in Venedig sollten es mindestens sein, eine gründliche Vorbereitung über den Katalog (wie immer bei Marsilio, 2 Bde.) ist nur von Vorteil, insbesondere die Projekte in den Arsenale können eine inhaltliche Vorbereitung gut gebrauchen. Dass die ursprünglich auf DIN A5 gedruckten Projekteerläuterungen im Halbdunkel der Ausstellungsräume kaum zu lesen waren, bemerkten auch die Ausstellungsmacher schnell. Und v­ergrößerten die Zettel auf DIN A4.

Insgesamt sind die einzelnen Beiträge der Ausstellung konsequenter auf das Motto ausgerichtet, als das in den Ausstellungen zuvor war. Hier herrschte schon mal eine Lässigkeit des Kuratierens vor, die ärgerte und ganz offenbar einem international definierten Netzwerk geschuldet war, das häufig die bekannten, nicht unbedingt aber die klugen Köpfe der Architektur abbildete. Zwar interpretierte mancher das diesjährige Motto „Reporting from the front“ als eine Aufforderung, der globalisierten Ästhetik mit ihrer durch und durch ökonomisierten Dialektik vom Effizienz und Nachhaltigkeit mit geschichts- und ortsbezügliche Bildern in kämpferischer Haltung entgegen zu treten. Auch wurde der Frontbericht in Teilen verwechselt mit der Darstellung des alltäglichen Kampfes mit Behörden oder Bauherren, die immer nur ein Mittelmaß verlangten.

Im Bestand mit Verstand

Doch viele der Beiträge – tatsächlich sehr zahlreich aus Lateinamerika, Afrika und Asien stammend – verstehen den Frontbericht schlicht als das, was der Kurator Alejandro Aravena meinte: less aesthetic more practices. Mehr Einblick in die Arbeit derjenigen, die Architektur auch als eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft verstehen. Das können ganz praktische Dinge sein. Wie man Schulen bauen kann ohne Baumaterial, wie man Notunterkünfte herstellt nach der Naturkatastrophe, wie man im Bestand mit Verstand das meiste erreicht oder auch, wie es möglich ist, der Natur die Dinge abzuschauen, wie die Menschen das machten, als es noch keine globalen Massenprodukte gab, keine Bauvorschriften und keine global genormten, digitalen Planungsmodule.

Die Darstellung dieser Art und Weise, mit Architektur so umzugehen, dass sie wieder Anschluss an weitere gesellschaftliche Gruppen finden kann, geschieht in Venedig auf unterschiedlichste Weise. Entweder sehr praktisch, objektbezogen, künstlerisch abstrakt oder ­erzählerisch pointiert. Mal sehr sparsam wie zugleich effektvoll inszeniert (Uruguay) oder beinahe kitschig (Rumänien). Der deutsche Pavillon arbeitet – abgesehen von seiner formalen Behandlung der Öffnung der Wände – sehr dokumentarisch, was er mit dem aus Österreich teilt. Dort wird mit „Orte für Menschen“ der politischen Lage in Europa ein vergleichbarer Beitrag gewidmet. Die Schweizer zeigen das vielleicht schönste Ausstellungsstück: eine innen begehbare Wolke aus Spritzbeton. Womit ihre Interpretation des Zentralthemas diejenige ist, die den täglichen Kampf um die Entwicklung immer neuer Räume und immer weiter voranschreitender Raumwahrnehmungen ins Zentrum stellt.

Die wenigen Stars präsentieren wie gehabt

Herzog & de Meuron kann man in einem kleinen Raum am Ende des Arsenale-Geländes in einem Film wiederfinden. ­Direkter Nachbar ist die Foster-Foundation, die Drohnenpavillons in die Wildnis stellen möchte, von denen aus die kleinen Alleskönner bei Bedarf Lebensmittel, Medikamente oder Ersatzteile transportieren. Um ein paar Ecken zurück, neben dem Beitrag Chiles, der sich mit kleinen Architekturprojekten gegen den Mainstream wendet, kann Peter Zumthor sein Museumsprojekt in Los Angeles inszenieren, stimmungsvoll, haptisch interessant, aber kein Beitrag zur Klärung eines Architekturbegriffs, mit dem wir in nächster Zukunft hantieren können.

Und dann gibt es immer noch die Ausstellungsstadt selbst, die Beachtung fordert und der man diese so gerne schenkt. Die Stadt als analoger Report, der auf einer der kommenden Architekturbiennalen selbst Thema sein sollte mit unserer (Bau)Kultur, dem Umgang mit Migration und Segregation, der Selbstausbeutung, Geschichtsvergessenheit. dem Stilstand und vielen weiteren Aspekten. Aber das wird wohl noch dauern. Be. K.

In unregelmäßigen Abständen berichten wir auf DBZ.de von der Biennale in Venedig.

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