50 Jahre Philip Johnsons Kunsthalle Bielefeld
Das mit den Jubiläen ist immer so eine Sache. Zwar sind die 25, 50, 100 oder 1 000 Jahre Baugeschichte tatsächlich hinreichender Anlass, um noch einmal auf ein (herausragendes) Gebäude der Architekturgeschichte zu schauen. Aber reichen beispielsweise 50 Jahre Kunsthalle Bielefeld, um wieder einmal (nach dem ersten Jubiläum 1993) auf den Museumsbau unterhalb der Sparrenburg zu schauen? Den einzigen Museumsbau Philip Johnsons in Europa, dieses bunt schillernden Le Corbusier eines international weit verbreiteten Architektur-Pop?
Es reicht, denn der Museumsbau ist tatsächlich eine Klasse für sich. Eine Klasse, die der mit rötlichem Sandstein verkleidete, würfelförmige und sehr kompakte Bau über drei Aspekte erreicht. Einmal über seine Singularität in der ostwestfälischen Stadt, die nicht reich gesegnet ist mit internationaler Architektur. Dann durch seine Entstehungsgeschichte, deren kultur- und sozialpolitische Komponenten exemplarisch sind für die Entwicklung einer immer noch extrem konservativ seienden jungen Republik, die kaum etwas anderes kennt als den festen Glauben an Autoritäten, egal welcher Couleur. Und natürlich durch seine Architektur, die im September 1968 mit einem kleinen Bürgerfest eröffnet wurde; und nicht, wie geplant, im Rahmen einer großen Feier mit 1 200 Geladenen, darunter die Bundesminister Heinemann und Stoltenberg und der Ministerpräsident des Landes, Kühn. Ein Jahr zuvor hatte man noch ein Klavierkonzert bei Hans Werner Henze in Auftrag gegeben, auch der zog zurück, löste seine Komposition aus dem Eröffnungskontext und definierte sie als rein „musikalische Manifestation“.
Offener Brief der „Linken Baracke“
Der Grund für das plötzliche Zurückschrecken: ein offener Brief des Studenten-Clubs „Linke Baracke” an den Rat der Stadt. Hier fragten aufgebrachte und in einer extrem
politisierten Zeit die Väter anklagende Kinder, ob es denn „keinen würdigeren Namen für das Kunsthaus” gebe? Gemeint war damit der Wunsch des Finanziers Oetker, die Kunsthalle „Richard-Kaselowsky-Haus“ zu nennen. Oetker wollte Kaselowsky, seinem Stiefvater, mit der Kunsthalle ein Andenken setzen. Dummerweise war dieser ein strammer Nationalsozialist gewesen, NSDAP-Mitglied von Anbeginn an und Mitglied im „Freundeskreis des Reichsführers der SS Heinrich Himmler”. Keine glückliche Konstellation, könnte man denken, doch erst dreißig Jahre später, 1998, verschwand der Name Kaselowsky aus dem Kunsthallennamen.
Und die Architektur? Oetker hatte sich damals nach Gutsherrenart den Architekten selbst ausgesucht. Hatte, wie es damals für viele Unternehmer, Künstler, Intellektuelle und auch Architekten üblich war, das Beste in den USA gesucht, also nicht nur einen „weltbekannten Architekten“, sondern auch „einen
im Museumsbau besonders erfahrenen“. Wie genau er nun auf Philip Johnson gestoßen ist, bleibt unklar, vielleicht hat ihn der Museumsbau des Munson-Williams-Proctor Arts Institute überzeugt, ein Projekt, das auf der Brüsseler Weltausstellung 1958 im Modell gezeigt wurde und das Johnson 1960 in Utica im Staat New York als seinen ersten Museumsbau realisieren konnte. Das heute so genannte MWP Arts Institute ist definitiv ein Geschwister der heute so genannten „Kunsthalle Bielefeld“ und wird mit seiner klaren Formensprache, der schlicht schönen Steinfassade, aber auch mit seiner kompakten Kubatur, den Museumsinitiator Oetker für sich eingenommen haben.
Schwierige bis hervorragende Ausstellungsräume, je nachdem
Die Kunsthalle in Bielefeld hat eine Seitenlänge von 30 x 30 m und ist in rotem, fränkischen Sandstein gekleidet, der von Hand charriert wurde. Die Halle ist eigentlich keine, wird sie doch über insgesamt vier Ebenen horizontal gegliedert. Die Ausstellungsflächen sind wiederum in Räume und Galerien aufgeteilt und lediglich das Treppenhaus mit den anliegenden Flächen erzeugt die Ahnung von einer Halle. Kuratorisch bieten sich die größeren Flächen für großzügige Rauminstalla-
tionen/Raumteilungen an, die großen Fens-terflächen zum nördlichen anliegenden Kunstpark erzeugen schwierige bis hervorragende Ausstellungsräume, je nachdem.
Die Kunsthalle hat – je nach ihrem Direktor – mit mal mehr oder weniger geringen Besucherzahlen zu kämpfen. Und auch damit, dass die Flächen für heutige, massentaugliche Konzepte zu klein geworden sind. Womit das Museum, wie sein aktueller Direktor Friedrich Meschede schon mal anmerkte, nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Erweiterungsplanungen gab es schon immer, in
den 1990er-Jahren mit Frank Gehry, der in Bielefeld scheiterte und ins benachbarte Herford („Marta“) ging. 2013 wurden Pläne von Sou Fujimoto vorgestellt, doch offenbar fand sich niemand bei Oetker, der die veranschlagten 25 Mio. € hätte spenden wollen. Jetzt aber sollen Klima-, Haushalts- und Beleuchtungstechnik saniert werden, 10 Mio. € sind dafür veranschlagt. Irgendwann soll es losgehen. Und möglicherweise wird dann auch erweitert, irgendwie. Denn wettbewerbsfähig (nur gemessen an den Besucherzahlen, weniger am Programm) ist die Institution Kunsthalle eben nicht mehr. Münster beispielsweise gönnte sich gerade den rund 50 Mio. € teuren Neubau des Landesmuseums am Domplatz (Staab Architekten). Auf viele weitere Jahre noch, Kunsthalle Bielefeld!
Be. K.