ANERKENNUNG dialogicum – Neubau dm drogerie markt Unternehmenszentrale, Karlsruhe
Die neue Unternehmenszentrale des Drogeriemarktes dm in Karlsruhe soll, passend zum Firmenmotto, den Mensch in den Mittelpunkt stellen. LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei aus Stuttgart planten dafür ein Gebäude mit einer wabenförmigen und weitgehend hierarchielosen Struktur, die sich um acht unterschiedlich bepflanzte Innenhöfe anordnet. Dieses System ermöglicht, durch den Verzicht auf die für einen Verwaltungsbau typischen Flure, eine beidseitige Belichtung der Büroräume. Die Büros werden durch die Querverbindungen zwischen den Innenhöfen erschlossen, in denen sich außerdem die Nebenräume befinden. An der „Magistrale“ als Haupterschließungsachse im Erdgeschoss liegen die beiden Eingänge, das Foyer, das Mitarbeiterrestaurant, der große Saal und die Konferenzbereiche.
Die fugenlose Stahlbetonkonstruktion mit einer Ziegelfassade wurde so bemessen, dass die Arbeitsbereiche stützenfrei sind. Die Rippendecken in Fertigbauweise tragen frei über 14 m. Für die Fassade wurden gebrauchte Abbruchsteine genutzt, sodass die Energie für die Herstellung oder das Recycling der Ziegel eingespart werden konnte.
Das Energiekonzept fußt zum einen auf der thermischen Speichermasse der massiven Bauweise und den umlaufenden Balkonen mit außenliegendem Sonnenschutz, die die Fassade aus Holzrahmenfenstern baulich verschatten, und somit den Kühlenergiebedarf im Sommer senken. Zum anderen sorgt die hochwärmegedämmte Gebäudehülle mit Dreifach-Wärmeschutzverglasungen und einer luftdichten, wärmebrückenminimierten Bauweise dafür, dass die Anforderungen der aktuellen Energieeinsparverordnung um 50 % unterschritten werden konnten. Als weiteres Element kommt eine dezentrale Belüftung der Büroflächen hinzu. Durch Fassadenlüftungsgeräte, die in eine Sitzbank am Fenster integriert sind konnte auf abgehängte Decken für die Kanalführungen verzichtet und der Bedarf an Technik- und Schaltflächen minimiert werden. Beheizt und gekühlt werden die Büros über eine thermisch aktivierte Rippendecke, die mittels Strahlungswärme bzw. –kälte für einen hohen thermischen Komfort in den Räumen sorgt.
Die teils drei-, teils viergeschossige Bauweise fügt sich städtebaulich ein. Und auch die gekrümmten und kleinteiligen Fassadenflächen geben dem Gebäude eine differenzierte Gesamterscheinung.
Bauherr dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, Karlsruhe
Architektur LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart
Tragwerksplanung Ingenieurbüro Dr. Binnewies, Hamburg
Planung HLS Pfeil & Koch Ingenieurgesellschaft Beratende Ingenieure VBI, Stuttgart
Planung ELT GBI Gackstatter Beratende Ingenieure GmBH, Stuttgart
Objektüberwachung Ernst2 Architekten AG, Stuttgart
Projektsteuerung fc.ingenieure Projektsteuerung GmbH, Ettlingen
Bauphysik ITA Ingenieurgesellschaft für technische Akustik mbH, Wiesbaden
Brandschutz Halfkann + Kirchner PartGmbB, Erkelenz
Die Auslobung des Balthasar Neumann Preises erwartet „beispielhafte, innovative und über technisch etablierte Standards hinausgehende Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen an einem Bauwerk [...], das aufgrund dieser Zusammenarbeit, ganz im Sinne Balthasar Neumanns, herausragende baukulturelle und technische Qualitäten aufweist.
Angesichts der alltäglichen Grenzen, denen die Architektur heute unterworfen ist, hängt die Messlatte damit sehr hoch. Das dialogicum lässt sich, zumindest was das Gesamtvolumen angeht, mit Balthasar Neumanns Würzburger Residenz vergleichen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Tragwerksplanern und Haustechnikern ist fundamental für so ein großes, fortschrittliches und raffiniertes Gebäude.
Es gibt allerdings kein Äquivalent zur Würzburger Einheit von Kunst und Architektur, die sich im prachtvollen ikonographischen Gesamtkunstwerk des Würzburger Architekten mit Giovanni Battista Tiepolo zeigt. Heutzutage sind die barocken, großen Erzählungen geschrumpft – zu den kleinen alltäglichen Erzählungen praktischer Möglichkeiten wie Speichermasse oder dezentraler Lüftung.
Hierin brillieren die Planer – von der haptischen und nachhaltigen, recycelten Ziegelfassade bis zu den nutzerfreundlichen Details der Inneneinrichtung und den räumlichen Sequenzen. Sogar der proto-barocken Wölbung der Eingangsfassade gelingt es, innerhalb des übergeordneten kompositionellen Systems präzise und eindeutig auf den Empfang hinzuweisen.« ⇥Jury-Statement