Abrisse und Klone in Hamburg
Das Bonmot des Museumsdirektors Alfred Lichtwark von der „Freien und Abrissstadt“ Hamburg wird in den letzten Jahren wieder häufiger zitiert, was darauf hinweist, dass die Kaufmannsstadt das Tempo ihrer baulichen Erneuerung wieder einmal verschärft.
Gerade regten sich viele – zu Recht – noch darüber auf, wie mit einem wichtigen Denkmal in der Hansestadt verfahren wird (City-Höfe werden jetzt doch abgerissen), da kommen aktuell Bilder eines wenig beachteten weil still und leise durchgeführten Workshopverfahrens auf den Tisch. Bilder, die Fragen aufwerfen. Bei diesem Workshop ging es um den Ersatz des sogenannten „Deutschlandhauses“ am Hamburger Gänsemarkt, eine 1920er-Jahre-Architektur der jüdischen Architekten Fritz Block und Ernst Hochfeld, die beide 1933 aus dem Bund Deutscher Architekten ausgeschlossen wurden und in die USA emigrierten. Das Bürohaus mit dem damals größten Kinosaal Europas, das in der für die Zeit typischen Dynamik den Gänsemarkt in einem Bogen in die Dammtorstraße führt, war im Krieg 1939 – 45 stark beschädigt, wiederaufgebaut und ab den 1970er-Jahren und 2006 zu großen Teilen völlig neu aufgebaut worden. Die Um- und Neubauten aus diesen Jahren verhinderten eine Unterdenkmalstellung. Der Eigentümer, die ABG Allgemeine Bauträgergesellschaft mbH & Co. Kommanditgesellschaft Hamburg, die aus Kapazitätsüberlegungen und aufgrund veränderter „heutiger Anforderungen moderner Nutzer“ einen Neubau will, entschied sich für den Entwurf von Hadi Teherani, einem Urgestein der Hamburger Architekturszene. Dessen Entwurf wurde allerdings nach erster lauter Kritik am Verfahren und seinem Ergebnis überarbeitet. Er orientiert sich nun derart am Original von Block und Hochfeld, dass er (gestalterisch) nur verlieren kann. Denn im Gegensatz zum Ursprungsbau wirkt Teheranis Entwurf, der sich gegen vier Konkurrenten durchsetzte, ohne Patina glatt und im detail-armen Ganzen monoton.
Der Stadt ist das ganz offensichtlich egal, 2019 soll der Abriss erfolgen, 2021 der Neubau fertiggestellt werden. 300 Mio. € plant ABG zu investieren, ob ein Teil davon der lokalen Bauunternehmerschaft zukommt?!
Den City Höfen hat auch der Denkmalschutz nicht geholfen, auch hier hat die Stadt Druck gemacht als sie selbst unter Druck geriet seitens der Öffentlichkeit. Wie aber auch seitens der Denkmalschützer der UNESCO, die Gefahr sehen für das Weltkulturerbe Kontorhausviertel, das seit 2015 Weltkulturerbeschutz genießt (was der nutzt wurde in Dresden ausgetestet). Die elf Seiten dünne Abrissbegründung der Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt, in welcher mit dem „überwiegenden öffentlichen Interessen“ für die Legitimität des Abrisses argumentiert wurde, liest sich ohne jeden Erkenntniszugewinn darüber, warum nun das in diesem Schreiben immer wieder hochgepriesene Denkmal einer Investorenarchitektur zu weichen habe. Vermuten lässt sich alles. Vielleicht auch, dass mit der Wahl des neuen Bürgermeisters, Peter Tschentscher (SPD), der Olaf Scholz nachfolgt, noch eine Baukultur-Korrektur in der Politik der Hanse- und Abrissstadt erreicht wird. Be. K.