All ready?! Alles fertig, an alles gedacht? In der Realität des Wohnungsbaus – aber sicher nicht nur dort – sieht das anders aus. Manches, an das nicht gedacht wurde, muss nach Fertigstellung mit nicht selten großem Aufwand nachgerüstet werden. Aber was das „all ready“ hier meint, geht über das „an alles gedacht?“ hinaus, beziehungsweise fragt nach dem besten Erreichbaren in einer ganz besonderen Kategorie: nämlich in der des altersgerechten Planens. Das allerdings klingt nun schon wieder nach Sonderplanung, nach einem spezialisierten Wohnungsbau, der neben dem Bestand und neben der Menge an Neubauten eine ganz eigene Bauwelt wäre. Falsch. Jedenfalls, wenn es nach dem IWE – Institut Wohnen und Entwerfen der Univerisät Stuttgart geht, das in einem zweijährigen Forschungsprojekt (Antragsforschung) der Frage nachging, was denn altengerechtes, eigentlich eben „altersgerechtes“ Planen sein sollte („ready“ ist das Ergebnis einer gemeinsamen Forschungsarbeit von Architekten und Soziologen. Gefördert wurde das Projekt durch die Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und der Firma Knauf).
Ausgehend von der Gewissheit, dass die westeuropäischen Gesellschaften immer älter werden und weiterhin davon ausgehend, dass die alten Menschen immer weniger gewillt sind, in diese schon angesprochenen Sonderwohnformen mit Hab und Gut umzuziehen, stellte sich den Forschern unter der Leitung von Thomas Jocher die Frage, ob wir in Zukunft nicht jeden Neubau so planen sollten, dass er seinen Bewohnern ihr ganzes Leben lang ein Zuhause ist – ohne dass diese als junge Menschen bereits das Gefühl haben müssen, sie wohnten altengerecht. Altengerecht, so die Forscher, bedeutet eben nicht seniorengeeignet sondern altersgerecht, also flexibel in der Anpassung an Lebensumstände. Die Anpassungen können so oder so aussehen, einen kleinen Umfang haben oder einen, der den kompletten Wohnraum umschreibt. Die Anpassungen können schon in frühen Lebensjahren ein „Airbag“ sein, wie Thomas Jocher es formuliert, oder wie ebenfalls der Airbag vielleicht niemals eingefordert werden.
Also geht es hier nicht um Barrierefreiheit, dazu gibt es Vorschriften und Normen, es geht um das Altersgerechtsein. Um Wohnen im Alter, das sein solllte wie in jedem Alter. Es geht darum, für das Wohnen im Alter vorbereitet zu sein. Was schon damit beginnt, das bestmöglich alle Wohnungen im Neubau „besuchsgeeignet“ sind. Die Planung der Lebensumstände für einen Ort bedeutet, dass wir nachhaltigen Wohnungsbau erstellten, der das bauliche Potential hat, sich dem Lebenslauf anzupassen, einfach und effizient. Und natürlich, wenn die Alten hier nicht mehr wohnen, gleich wieder für die jungen oder weniger alten Menschen bewohnbar zu sein.
Paradigmenwechsel für die Praxis
Die Zweifel am Erfolg des Konzepts der Barrierefreiheit in der Praxis führten in der Vergangenheit immer wieder dazu – so die Forscher –, dass die Gestaltungsspielräume der DIN 18040 so genutzt wurden, um „Schutzziele auch auf andere Weise als in der Norm festgelegt“ zu erfüllen. Gefragt sei ein ganzheitliches Konzept, das eine weitgehende Annäherung an die Schutzziele bei vertretbarem Aufwand ermöglicht. Das Konzept soll sein: einfach vermittelbar, flexibel anwendbar und wirtschaftlich realisierbar.
Die Forschungsgruppe „ready – vorbereitet auf altengerechtes Wohnen“ empfiehlt in ihrer Studie zur Verbesserung der rechtlichen Regelungen (z.B. Anpassung der MBauO, KfW-Programm) beispielsweise, dass in allen Bundesländern möglichst bald folgende Regelungen im Neubau gelten:
– Aufzug ab drei Vollgeschossen*,
– absatzfreier Zugang für alle Wohnungen bei Gebäuden mit mehr als sechs Wohnungen**,
– alle Wohnungen müssen besuchsgeeignet (ready) sein (Mindeststandard)***
* Zusätzlich zu Treppen sind Personenaufzüge zu errichten oder nachweislich vorzubereiten. Dies gilt nicht für Ein-, Zweifamilien- und Reihenhäuser. vgl.§ 70 (3) Erschließung, Stmk. BauG vom 6. Juli 2010
** Ein zweigeschossiger Dreispänner kann ohne (vorbereiteten) Aufzug errichtet werden. Für zweigeschossige Neubauten mit mehr als sechs Wohnungen gilt jedoch die Aufzugspflicht, d.h. der Einbau oder für den Mindeststandard wenigstens die nachweisliche Vorbereitung eines Aufzuges. Zulässig sind auch Senkrecht- und Plattformlifte.
*** Die Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Ausnahmen sind deshalb bedingt zulässig.
Ein Paradigmenwechsel, so die Forscher, erfordere eine bedarfs-orientierte Strategie, die die Kommunikations- und Planungsprozesse ebenso berücksichtigt wie die unternehmerische Praxis und die Handlungsbereitschaft der Bauwirschaft.
Inklusiv statt exklusiv
„ready – vorbereitet für altengerechtes Wohnen“ wendet sich ab vom exklusiven Angebot der Barrierefreiheit, das die alte und neue DIN Barrierefreies Bauen explizit formuliert. Hier wird auf einen kleinen Teil des Wohnungsangebots ein hoher Anspruch projiziert. Das Resultat ist nicht nur viel zu gering, gemessen am Bedarf. Ein dauerhaftes Verteilungsproblem verhindert ein optimales Marktgleichgewicht. Denn eine prinzipiell barrierefreie Wohnung an einem festgelegten Ort, fertiggestellt zu einem bestimmten Zeitpunkt, bedeutet nicht, dass ein spezifischer, individueller Bedarf auf dieses exklusive Angebot passt. Demzufolge entsteht ein hochqualifiziertes Angebot auf Vorrat für eine mehr oder weniger fiktive Nachfrage.
Vielleicht schreckt manches Wohnungsunternehmen die höheren Einstiegskosten in das hier entwickelte ready-Konzept, doch die große Mehrheit der befragten Wohnungsunternehmen (87%) hält einen Mindeststandard nach diesem Konzept nicht bloß für technisch machbar sondern auch für sinnvoll!
Und noch etwas möchten die Forscher den Planern und Inves-toren mit auf den Weg geben: Die Leitbilder des Barrierefreien, die ein reibungsloses Funktionieren in den alltäglichen Wohnabläufen sicher stellen sollen, reflektieren auch das Bild des bewegungslos bewegten Bewohners. Ärzte warnen schon lange vor allzu „reibungslosem“ Wohnen, weil hiermit den Bewohnern die Chance genommen wird, Bewegungsfähigkeit bis ins hohe Alter zu trainieren und zu erhalten. Am Besten sei es, so Thomas Jocher, man halte zwar den Fahrstuhl vor, verstecke ihn aber gut: „Baut schöne, helle und bequem zu gehende Treppenhäuser!“. Be. K.
Der Forschungsbericht „ready – vorbereitet für altengerechtes Wohnen“ steht als PDF-Download auf der o. g. Website zur Verfügung, in Gänze, in Auszügen für den Laien oder Experten. Das gedruckte Exemplar kann beim BMUB ebenfalls auf der genannten Website kostenlos bestellt
werden.