Alles ist jetzt schon anders
Die Cersaie 2010 stellt Nachhaltigkeit ins Zentrum
Alles verändert sich. Oder vielmehr, alles ist bereits anders. Der internationale Branchentreffpunkt Cersaie 2010 bietet unter dem diesjährigen Motto „Bauen, Wohnen, Planen” zahlreiche Konferenzen und Seminare zum Thema nachhaltige Bauwirtschaft, aber auch Einsichten in kulturelle und gesellschaftliche Umwälzungen, die einhergehen mit einem neuen Verständnis von Architektur.
Sind unsere Städte noch Orte? Und unsere Wohnräume? Ist eine Zukunft der Bauwirtschaft vorstellbar, ohne dass sie den großen kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und letztendlich Umweltveränderungen dieses ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts Rechnung trägt? „Existentiellen” Fragen möchten die Macher und Denker der Cersaie (28.09. bis 2.10.2010 in Bologna) in diesem Jahr nachgehen, und sie beziehen sich dabei wortwörtlich auf Martin Heidegger. Und werden in Veranstaltungen und der Konzeption ganz konkret, um für alle Beteiligten, Gäste und Beobachter, deutlich zu machen, wie solche theoretischen Vorüberlegungen bis in die Details, die Planung eines Wohnhauses, eines urbanistischen Konzeptes, ja sogar bis in die Systeme der Energieeffizienz umgesetzt werden. Auch eine einfache Fliese, so die Cersaie, hat viel zu sagen über Orte und Nicht-Orte, über den Aufwand an Krea-tivität und das eingeflossene Design. Denn die sind Leistungen im weiten Feld der Umweltverträglichkeit und Zeuge für Vielseitigkeit und ein breites Anwendungsspektrum in der Architektur.
Diese Vorüberlegungen sind, so die Cersaie, die Voraussetzungen der Seminar- und Konferenzzyklen zu „Bauen, Wohnen, Planen”, die auf der Cersaie im norditalienischen Bologna stattfinden. Mögliche Antworten, ungewöhnliche Standpunkte, „Visionen” zur Zukunft der Bauwirtschaft – und der Keramik im Bau – werden von renommierten Fachleuten aus der Wissenschaft, der Architektur und anderen professionellen Baubereichen geboten. Drei Themenkreise charakterisieren die Gespräche, beginnend bei der großen Frage, die sich alle Branchenfachleute stellen: Das große Thema „Umwelt“ wird ausschließlich in „nachhaltiges Bauen“ übersetzt. Ist das richtig? Ist das ausreichend? Ausgehend von dieser Fragestellung beschäftigen sich die Gespräche ausgewiesener Fachleute mit dem Begriff der Umweltverträglichkeit und richten einen Fokus auf die ureigenen Eigenschaften von Keramikfliesen und ihren potenziellen Beitrag zur Nachhaltigkeit des gesamten Gebäudes.
Eine vertiefende Analyse beschäftigt sich mit der Rolle von Forschung und Innovation, um Nachhaltigkeit wettbewerbsfähig zu machen. Aber auch umgekehrt wird geschaut, inwieweit umweltverträgliche Nachhaltigkeit als Entscheidungsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit eine Rolle spielt; und diese Rolle ist keine kleine!
Von Häusern, Hotels und nachhaltigen Gebäuden ist es ein kleiner Schritt zum zweiten Themenbereich der Messe in Bologna, der Rolle des Gebäudes und seiner Bestandteile in der heutigen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die, wie überall sichtbar wird, sich mit umwälzenden Veränderungen auseinanderzusetzen hat, gerade auch im Vergleich zu vor wenigen Jahren. Welche bessere Gelegenheit zur Untersuchung dieser Veränderungen gibt es, als eine Betrachtung der Lebensstile und der neuen Freizeitkonzepte? Hier liegt auch der Fokus der Hospitality Branche. Sie schaut in Bologna intensiv auf das Angebot für den Reisenden insgesamt und im Detail. Städtische Flächen werden auf ihre besonderen Wirkmechanismen hin analysiert, ganz sicher auch in der Weise, die der Philosoph Marc Augè in seiner Schrift „Orte und Nicht-Orte“ (Frankfurt 1994) kritisch anwandte. Hier stellte er fest, dass solcherart Künstlichkeit nichts anderes als Nicht-Orte seien, substitutionelle Mikrokosmen, in denen auch – aber nicht vorrangig – komplementäre Bedürfnisse erfüllt werden.
Und über alles Philosophische dieser genannten Gesprächskreise hinaus lockte die Cersaie ihre Besucher mit einer riesigen Produkteschau zum Thema Fliesen, welches sie praxisnah am Objekt veranschaulicht, ganz konkret am gerade fertiggestellten Central Saint Giles, London, das Renzo Piano mit RPBW Architekten zusammen realisierte und das der 73-jährige Genuese mit anderen Keramik-Projekten in einem Workshop präsentieren wird (1. Oktober, Palazzo dei Congressi, 11 Uhr) als Teil einer Werkschaureihe unter dem Messemotto.
Die Trends werden in Kollektionen, Einzelanfertigung, Forschungsszenarien etc. präsentiert, doch was wirklich im Bereich Keramik auf uns zukommt, das wird nur der erleben können, der das Messeangebot vor Ort wahrnimmt. Und nicht zuletzt: Die Schöne Bologna ist immer eine Reise wert!