Aus Liebe zur Vehemenz des AusdrucksIm Gespräch mit Markus Peter, Marcel Meili, Markus Peter Architekten AG, Zürich
Das Sprengelmuseum in Hannover ist eine erste Kunstadresse. Die allerdings zu wenige Besucher im Jahr hat. Das mag daran liegen, dass das Museum zu wenig Ausstellungsfläche hat, um das komplette Spektrum der hochwertigen Bestände abzubilden. Wie auch, dass es so beschränkt kaum Möglichkeiten hat, mit spektakulären Themen Besucher auch für die leiseren, aber nicht minder bedeutenden Arbeiten zu begeistern.
So wurde nun der Museumsbau erweitert mit einem Entwurf aus der Feder der Schweizer Architekten Meili Peter, Zürich (s. auch DBZ 10 I 2015). Markus Peter trafen wir vor Ort und fragten ihn nach Herausforderungen und seinem Lieblingsraum im Museum.
Auf Pressekonferenzen – so auch auf der zur Eröffnung des Neubaus – bekommen Dinge, die man als Detail betrachtet hat, mit einem Mal ein ungeheures Gewicht. Der Leiter des Sprengel-Museums, Reinhard Spieler, betonte nachdrücklich, hier im Neubau sei das Licht das Beste weltweit. Was ist, lieber Markus Peter, einmalig an einem Konzept, das ich auch schon bei Renzo Piano in Basel/Riehen gesehen habe?
Markus Peter: Grundsätzlich ist das in Basel wie in Hannover. Dort wie hier auch geht es um die Frage, wie wir das Licht steuern. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wenn wir Wände in Ausstellungsräumen optimal beleuchten wollen, wir Oberlichter auf dem Dach brauchen. Aber ein normales Oberlicht gibt zu viel Licht, zu viel Sonne. Also muss man das Licht von oben brechen. Das ist ja eine Problematik, die es gibt, seit Kunst in Häusern ausgestellt wird: Wie brechen wir das Licht? In dieser Fragestellung, in dieser Tradition steht eben auch Renzo Piano mit seinem Museum in Texas, aber auch mit dem von Ihnen genannten in Riehen. Der Nachteil dieser an sich schönen Lösung ist, dass dabei zu viel Energie, also Wärme ins Gebäude gelangt. Damit haben die Kälteanlagen derart hypertrophe Anforderungen, dass sie mit unseren heutigen Energiestandards gar nicht zu denken sind. Das hat auch damals vor dem Hintergrund energetischer Diskussionen nicht funktioniert.
Hier in Hannover haben wir Passivhausstandard. Wir mussten bewegliche Sonnenlamellen einrichten, oberhalb der eigentlichen Hülle, sonst hätten wir mit dem Licht die Energie der Sonneneinstrahlung im Haus gehabt. Wir sollten aber Tageslicht liefern. Maximal 300, am liebsten 280 Lux, wie gerade auf der Pressekonferenz gesagt wurde. Aber wie bringen Sie konstant und auf allen Wänden 280 Lux zustande?! Da müssen Sie optimale Lichtdiffusionsgefäße schaffen. Hier sind das Dachaufbauten mit etwa 3,5 m Höhe. Die brauchen wir.
Das klingt nach riesigem Aufwand. Wird der dadurch gerechtfertigt, dass das Lichtkonzept zugleich auch das Energiekonzept des Gebäudes ist?
Ja. Die Vorgabe war eben Passivhausstandard, den man über die Hülle erreicht. Deutsche Museen haben sehr hohe Ansprüche. Mit Blick auf die Lux-Zahl, die ein international führender Standard ist, zusammen mit den Anforderungen an den Energiestandard. Das Schwierigste an der Beleuchtung der Räume sind die Steuerungsfunktionen. Zum Beispiel, dass das System nicht permanent reagiert: Eine Wolke kommt, gleich arbeiten die Lamellen. Nein, die Frage war, wie kann man diese Spontanreaktionen verlangsamen, ohne dass zu lange Dämmerungsphasen die Räume beeinträchtigen ... das ist extrem anspruchsvoll.
Wer hat hier die Lichtplanung gemacht? Ein Schweizer Büro?
Nein, keine Schweizer. Wir haben mit dem Kölner Büro Licht Kunst Licht zusammengearbeitet. Nicht zum ersten Mal übrigens.
Deutsch-Schweizer Zusammenarbeit. Das geht also doch. Zurück zur Fassade, die ordentlich Wirbel verursacht hat. Der Wettbewerbsentwurf zeigte noch eine Glasfassade, die schon in der Jurybeurteilung als problematisch, auch „zu teuer“ angesehen wurde. Mir hat gerade die Fassade gut gefallen, weil sie sich so selten schön „retro“ gezeigt hat. Können Sie die Fassadengeschichte kurz erläutern?
Die Grundidee im Wettbewerb mit dem Glas war, den schweren Körper zu brechen, ihn optisch aufzulösen. Und eigentlich zu signalisieren, dass hier kein Zugang ist. Ebenso sollte die Glasfläche spielerische Bewegung erzeugen.
Nach der ersten Runde des Wettbewerbs gab es mit der Spiegelfassade dann ganz grundlegende Schwierigkeiten. Wie sieht denn eine Loggia – wir stehen ja gerade in einer – in einer durchgehend verspiegelten Fassade aus? Sie könnten aus dieser Loggia nicht mehr hinaussehen. Andererseits wollten wir und die Bauherren die drei Räume unbedingt, die fantastische Blicke auf den Maschsee und überhaupt in die Umgebung erlauben. Die Loggien sind jetzt mit Weißglas, also möglichst transparentem Material geschlossen.
Ich stelle mir gerade einen matt geschliffenen Quader vor, auf dessen Oberfläche hochglänzende Felder einpoliert worden wären ...
Nein. Wenn Sie das schaffen wollen: Bitte gerne! Ich fordere Sie als Architekt auf, mir dazu Skizzen anzufertigen ... Nein, hier haben Sie zu viele Probleme. Beispielsweise, wie man das über die Ecken zieht. Und je weiter wir in der Arbeit kamen, umso größer wurde der Wunsch, den Körper monolithisch, dreidimensional zu fassen, auch unten, in der Untersicht und über die Ecken. Das wäre mit Glas einfach nicht zu schaffen.
Jetzt machen Sie Ihren ersten Entwurf aber ganz schön runter! Ist der verglaste Sockel die Umkehrung? Was soll er leisten?
Er soll den Monolithen zum Schweben bringen. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger!
Schluss mit dem Glas, kommen wir zum Beton. Stimmt das, dass die Oberflächenstruktur das Innere widerspiegeln soll?
Es wird ja viel geschrieben und vieles vermutet. Nein, wir haben einen Behälter für die Kunst gemacht, wenn man so will. Für Räume, die Kunst zeigen sollen. Und die Räume werden – man kann das von außen ahnen – von oben belichtet. Das Einzige, was das Innere über die Fassade nach außen vermittelt, sind die drei Loggien. Der Rest ist eigentlich ein in sich ruhender Körper, der durch die Betonreliefwerksteinarbeit eine Gliederung erfahren hat.
Haben Sie dafür bestimmte Maße verwendet, gibt es Symmetrien, Zahlenspiele?
Nein, eigentlich ist es ganz einfach, wir mussten auf die asymmetrisch gesetzten Loggien reagieren und Rhythmen formulieren. Der Rest hat zu tun mit technischen Bedingungen beim Betonieren, mit bauphysikalischen Überlegungen.
Hat die liegende Werksteinskulptur eine Beziehung zum Altbau?
Die ganze Entwurfsarbeit war eigentlich eine Inbeziehungsetzung der inneren Wege vom Alt- zum Neubau. Und das haben wir über die Spirale gelöst. Eine Lösung, die auch der Grund war, warum wir den Wettbewerb gewonnen hatten. Wir haben damit gezeigt, dass wir nicht einfach was Neues hinstellen, sondern dass wir den erweiterten Organismus von innen denken können.
Wir haben in dem Altbau diese wunderbare Museumsstraße, die jetzt den Kunstraum erschließt. Die darf man nicht verspotten, weil man glaubt, man könne alles besser machen! Die Museumsstraße endet jetzt in einem Ort, mit Blick in den Garten. Das finde ich extrem entscheidend.
Gibt es etwas aus diesem Erweiterungsprojekt, das Sie für kommende Projekte verwenden können?
Ja unbedingt. Hier haben wir unsere Faszination für Raum, Bewegung und dieses Vage noch einmal sehr vertieft anwenden können. Aber auch, diszipliniert mit Diagonalen umzugehen, ohne einfach nur schiefe Wände, schiefe Geometrien zu produzieren. Und natürlich unsere Liebe zur Vehemenz des Ausdrucks, den wir hier mit dem Sichtbeton gelöst haben.
Hätte man die Spirale nicht konsequenter ausformulieren können? Warum am Ende die recht lange Treppe?
Die Spirale muss eben viel leisten. Sie muss vom bestehenden Außenpodest zur Ausstellungsebene oben, dann zur Ebene unten verbinden. Diese zahlreichen Anschlusspunkte haben uns gezwungen, eine nichtreguläre gekrümmte Symmetrie zu suchen. Eine Spirale, die bis ganz runter gegangen wäre, hätte den unteren Raum zerstört.
Was lieben Sie an dem Neubau ganz besonders?
Die Loggia am Maschsee. Die hat meine Vorstellung, meine Erwartungen deutlich übertroffen. Immer wenn ich da rein gehe und die spiegelnde Seeoberfläche unter den Bäumen hindurch schimmern sehe, kann ich so eine Art Entrücktheit registrieren. Da erfahre ich, dass die Wirklichkeit reicher ist als die Welt meiner Vorstellung.
Sieht das Museum Sie noch einmal? Dann mit Kunst gefüllt?
Sicher werde ich kommen. Schon, um 2016 die Werksteinfassade abnehmen zu lassen. Die ist noch nicht aus dem Controlling raus!
Mit Markus Peter unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 18. September 2015 im Erweiterungsneubau des Sprengelmuseums in Hannover.