Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Bei der Renovierung des Foyers im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe agierten die Interior Designer vom Studio Besau Marguerre und die Lichtplaner von Licht 01 auf engstem Raum – der zudem noch düster, schallhart und unorganisiert war. Mit frischen Farben und einem angepassten Lichtkonzept schufen sie jedoch eine neue Willkommenskultur im sonst so abweisenden Bahnhofsviertel, in dem der wuchtige Bau steht.
„Form follows function“ kann ein hilfreiches Gestaltungscredo sein, wenn man Neues schafft. Aber wie bringt man seinen Gestaltungswillen im Bestehenden zum Ausdruck, wo sich die neue Funktion in die bestehende Form fügen muss? Gerade in historischen Bauten ist der Handlungsspielraum dabei naturgemäß äußerst eingeschränkt.
So zum Beispiel im Foyer des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg, das ursprünglich nicht ausschließlich als Museum, sondern auch als Schule entworfen wurde – in dem 1876 fertiggestellten Gebäude logierten ab 1877 neben dem Kunstgewerbemuseum eine Naturhistorische Sammlung sowie Schulen für Bauhandwerker, Maschinenbauer, Techniker, Handarbeiter und Zeichner. Platzmangel beklagen alle Beteiligten, ein Turnsaal im Erdgeschoss, in dem auch die beiden Museen angesiedelt sind, verdeutlicht den Zwittercharakter des Gebäudes. Erst mit dem Auszug der Schulen sowie mit Um- (1987) und Anbauten (1996) erhält das Gebäude seine heutige Gestalt, die bis vor Kurzem ihre uneindeutige Herkunft nicht verbergen konnte.
Tageslicht, indirektes Licht, direktes Licht und Dekorationsleuchten umschmeicheln in den Warteräumen gemeinsam die harten Konturen der Architektur
Foto: Brita Sönnichsen
„Bereits vor zwölf Jahren erfolgte die Öffnung der sehr kleinteiligen Raumstruktur im Museum“, sagt Eva Marguerre vom Studio Besau Marguerre Hamburg, das als Architekten den Umbau geplant hat. „Nun hatten wir die Aufgabe, den Zugang zum Museum repräsentativer zu gestalten und gleichzeitig mehr Orientierung für die Besucherinnen und Besucher zu bieten.“ Was die Aufgabe erschwerte, sei die strenge Gliederung des Raums durch Gewölbedecken gewesen, die ein Versetzen von Wänden oder Tragsäulen unmöglich machte. „In der alten Version befand sich daher der Kassenschalter und Informationsstand außer Sicht der Besucherinnen in einem Nebengang der Hauptachse“, erklärt Marcel Besau. Wer damals Zugang zur Ausstellung suchte, musste sich zunächst einmal trauen, in einen kühl ausgeleuchteten, schallharten Gang zu treten, der Kulturinteressierte alles andere als willkommen hieß. Zwei wenig gestaltete Nebenräume rechts und links des Gangs, jeweils mit eigenen Türen zur Sammlung, lenkten eher von den rückwärtigen Spinden ab, als dass sie wirklich genutzt wurden.
Teil der Ausstellung: Das flexible Lichtkonzept erlaubt es den Planerinnen, verschiedene Objekte oder Aspekte des Raums immer wieder neu in Szene zu setzen
Foto: Brita Sönnichsen
„Die Aufgabe war also, Funktionen in der bestehenden Struktur neu zu organisieren und klar zuzuordnen, um einerseits die Orientierung zu erleichtern und andererseits die Besucher gleich an der Türschwelle abzuholen und zu empfangen“, sagt Eva Marguerre. Dies sei umso wichtiger gewesen, weil auch das Umfeld des Museums schwierig ist. „Der sehr urbane Mix aus Reisenden, die vom Bahn- und Busbahnhof kommen oder dahin eilen, den Bewohnern des Stadtteils St. Georg sowie den flanierenden Touristen schafft eine sehr geschäftige und teils auch raue Atmosphäre, die nicht eben gut auf einen Museumsbesuch einstimmt.“
Farbverlauf durch Beleuchtung: In enger Abstimmung mit den Architekten hat Licht 01 ein Design entwickelt, das Funktionen eine
neue Form gibt
Foto: Brita Sönnichsen
„Unser Ansatz war es daher, die Kassenschalter in die Sichtachse zu verlegen, damit die Besucherinnen gleich von einem freundlichen Gesicht in Empfang genommen werden“, erklärt Marcel Besau. Da für diesen Zweck nicht mehr Platz durch Abriss der bestehenden Säulen geschaffen werden konnte, mussten sie diese neue Funktion um sie herum planen. „Damit war ein erster Schritt getan. Des Weiteren wollten wir jedoch auch die Nebenräume als Wartebereiche für Gruppen und Schulklassen erschließen, um Unruhe und Überfüllung in den nun noch schmaleren Durchgängen zu vermeiden. Dazu war es notwendig, die harten Übergänge und strengen Sichtachsen mit fließenden Übergängen aus Licht und Farbe zu entschärfen.“
Zentrale Anlaufstelle: Um die Attraktionskraft der Kassenschalter zu unterstreichen, entwickelte Licht 01 eine abgependelte Leuchte, die indirektes Licht nach oben und direktes Licht nach unten abgibt
Foto: Brita Sönnichsen
Das leuchtende Blau der Kassenzone dient hierbei als visueller Anker, der den Eintretenden sogleich Halt und Orientierung bietet. Unterschiedlich abgestufte Terrakottatöne und leuchtendes Gelb in den Nebenräumen und der Garderobe sorgen für Behaglichkeit und umschmeicheln die eher gravitätische Architektursprache der Gründerzeit. „Mit dem abgerundeten Mobiliar wie Tresen, Sofas, Tischen und Stühlen greifen wir zusätzlich die Rundbögen der Decke auf und erzeugen so eine wohnliche, entspannte Atmosphäre, die vom Lichtkonzept von Licht 01 in Balance gehalten wird“, sagt Eva Marguerre.
Das H-Schienen-System ermöglichte es den Lichtplanern, eine sanfte, indirekte Grundbeleuchtung mit gezielter Spotbeleuchtung zu kombinieren
Foto: Brita Sönnichsen
„Das Erlebnis Kunst und Gewerbemuseum fängt bereits im Windfang an“, erläutert Juan Rivera, der im Hamburger Büro Licht 01 von Katja Winkelmann und Robert von Sichart für die Lichtplanung im Museum verantwortlich war. „Dort haben wir die historischen Kassettendecken mit Hilfe von Architekturstrahlern in Szene gesetzt.“ Das Ziel war dabei, eine möglichst homogene Ausleuchtung zu erzielen und Schattenwürfe weitgehend zu vermeiden. So ergibt sich eine Dreidimensionalität, die ohne die expressive Dramatik starker Hell-Dunkel-Kontraste auskommt. Dazu nutzten die Lichplaner die vorhandenen Schächte in den Bodenkonsolen, ergänzten sie aber um eine Stromschiene, welche die passgenaue Ausleuchtung aller Details ermöglichte. „Die ursprünglichen Strahler erzeugten eine asymmetrische Lichtverteilung, die zum Beispiel die historischen Schilder an den Wänden unregelmäßig ausleuchtete. Jetzt ist das Lichtbild harmonisch und ausgewogen, es scheint, als ob die Details strahlen und nicht angeleuchtet werden.“
Beim Blick durch die verschiedenen Raumfolgen offenbart sich das Spiel mit unterschiedlichen Lichtintensitäten
und -qualitäten
Foto: Brita Sönnichsen
Beim Foyer selbst war die Planung noch anspruchsvoller: „Wir benötigten eine indirekte, warme Grundbeleuchtung als Ersatz für die alten Leuchtstoffröhren, die dem Empfang eine kalte, unpersönliche Note verliehen haben. Gleichzeitig benötigten wir aber auch flexibel einsetzbare, direkte Beleuchtungskörper, um einzelne Objekte oder Strukturen hervorheben zu können.“ Die starre Installation von Einzelleuchten kam daher nicht infrage. „Stattdessen setzten wir auf ein abgependeltes Strangschienensystem, das nach oben indirektes Licht abgibt und nach unten frei versetzbare Strahler mit Strom versorgt.“ Dieses System ist in einem H-Profil untergebracht.
Grundriss Erdgeschoss, M 1 : 200
Kunstelement mit Licht – abgependelt
Stromschienensystem mit indirektem Lichtanteil, abgependelt
Stromschienenstrahler engstrahlend
Stromschienenstrahler breitstrahlend
Dekorative Pendelleuchte
Stromschienensystem- aufbau / abgependelt
Licht im Handlauf
Lineare Leuchte – Bogenbeleuchtung
Aufbaustrahler
Pendelleuchte direkt/ indirekt
„Da so alle Beleuchtungskörper miteinander verbunden sind, lassen sich unterschiedliche Beleuchtungszenarien sehr einfach anpassen – je nach Tageszeit, Nutzung und gewünschtem Effekt zum Beispiel“, erläutert Juan Rivera. Alle Leuchten sind einzeln ansteuerbar und gegeneinander dimmbar. Spots auf die signalgelben Vorhänge zum Beispiel, die als Schallschlucker aufgehängt wurden, heben deren weiche Materialität hervor und modulieren optische Verläufe, die den wohnlichen Eindruck der Aufenthaltsräume unterstützen. In gleicher Weise lassen sich künftig aber auch Exponate oder Ausstellungsplakate dezent ins rechte Licht rücken.
„Mit dieser Grundausleuchtung im Gepäck machten wir uns dann daran, weitere Akzente nach den Vorgaben von Studio Beserau Marguerre zu setzen“, sagt Juan Rivera. „Dazu gehören neben der Lichtinstallation im Raum zwischen Treppe und Kassenbereich auch akzentuierende Hängelampen in den Wartebereichen und der Garderobe. Die vorhandenen Architekturstrahler an den Säulen haben wir zudem dezent in die Kapitele eingefügt, um die Architektur mit ihren hohen Bögen sanft zu inszenieren.“ Auch hierbei sei es ihnen um die Entdramatisierung der Architektur gegangen, die sonst leicht einschüchternd auf Besucherinnen und Besucher wirkt. „Eins der Highlights unseres Lichtkonzepts sind jedoch die Beleuchtungsbänder oberhalb der Kassentresen, die deren Form nachempfinden und frei von der Decke abgependelt sind.“ Da Aufputztechnik und sichtbare Leitungen nicht infrage kamen, mussten die Lichtplaner die Steuerungseinheit reversierbar in das Lichtband integrieren – auch diese eine Eigenentwicklung speziell für das Projekt.
Studio Besau Marguerre
Eva Marguerre, Marcel Besau
www.besau-marguerre.de
Foto: Silke Zander
Licht 01
Juan Rivera, Licht 01
www.licht01.de
Katja Winkelmann, Licht 01
Robert von Sichart, Licht 01
„Als letzten Schritt werden wir 2024 die Außenbeleuchtung des Gebäudes in Angriff nehmen“, verrät Juan Rivera. Dabei werden sie dem gleichen Credo wie im Inneren folgen: Mit sanften Akzenten, die Architektur in Szene setzen, ohne sie durch harte Schatten und Übergänge zu dramatisieren. Denn wer Lichtplanung im Bestand betreibt, kann letztlich nur mit der vorhandenen Form arbeiten – kann aber, mit geschickter Lichtführung, die Stärken und Schwächen neu für die eigenen Zwecke funktionalisieren.
Projektdaten
Objekt: Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg
Standort: Steintorplatz; 20099 Hamburg
Typologie: Kulturbauten; Öffentliche Bereiche Innenraum; Museum
Bauherr/Bauherrin: Sprinkenhof GmbH; Burchardstr. 8; 20095 Hamburg
Baukoordination: Sprinkenhof, Hamburg
Nutzer/Nutzerin: Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg
Gestaltungskonzept: Studio Besau-Marguerre, www.besau-marguerre.de
Bauleitende Architekten: SWP-Architekten, www.swp-architekten.com
Planungszeit: 05.2021 – 04.2023 (Innen – Fassade außen läuft noch)
Fachplanung
Lichtplanung: Licht 01 Lighting Design, www.licht01.de
TGA-Planung: Wittmaack Ingenieurgesellschaft,
Innenarchitektur: Studio Besau-Marguerre,
Hersteller
Technische Beleuchtung: ERCO www.erco.com, LED-Linear, Peters Leuchten www.petersleuchten.de
Dekorative Beleuchtung: E 15
Steuerung: DALI; Casambi www.casambi.com