Goldkammer, Frankfurt a. M..
Nach vier Jahren Konzeption, Planung und Realisierung öffnete 2019 eines der modernsten Museen Europas seine Türen: die Goldkammer Frankfurt. Mit einer unaufdringlichen, aber nachdrücklichen Inszenierung der Exponate aus den vergangenen 6000 Jahren mit integrierten Beleuchtungselementen unterstreichen die Lichtplaner von Licht Kunst Licht die Dramaturgie des innovativen Ausstellungskonzepts.
Die Goldkammer Frankfurt stellt in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit unter den Museumsbauten in Europa dar. Zum einen stand schon vor der Auswahl des Gebäudes fest, welche Exponate darin ausgestellt werden sollten. Zum anderen fiel die Wahl für den Museumsstandort auf eine denkmalgeschützte Stadtvilla im Frankfurter Westend. Aufgrund der strengen Denkmalschutzvorgaben sollten die Ausstellungsräume allesamt unterirdisch entstehen. Diese baulichen Anforderungen verhalfen der Goldkammer schließlich zu ihrem speziellen Erscheinungsbild. Für die Exponate entstand so eine raffinierte Abfolge von Stollen und Schatzkammern unter der Erdoberfläche, während sich in den oberirdischen Geschossen des kernsanierten Gebäudes das Foyer mit Ticketverkauf, eine Café-Tagesbar und ein Restaurant befinden.
Warm Welcome über Tage
Das Eingangsfoyer empfängt den Besucher mit einer freundlichen, warmen Lichtatmosphäre, die mit Deckenfeldern und mit eigens für das Museum entworfenen Pendelleuchten erzeugt wird. Lichtplaner Konstantin Klaas von Licht Kunst Licht: „Für die Beleuchtung bestand die Herausforderung darin, an die Sprache der Gestaltung anzuschließen, die mit Leuchten in klassischen Formen, brillanter Lichtqualität und moderner LED-Lichttechnik den Spagat zwischen Klassik und Moderne vollbringt. Eine für das Museum eigens von uns entworfene Pendelleuchte erfüllt diese Anforderungen und stellt dabei das Herzstück dar, das sich sowohl im Bistro für die Beleuchtung des Tresens als auch in flächiger Anordnung als dekorative Deckengestaltung für das Eingangsfoyer wiederfindet.“
Mit ihrer engabstrahlenden Lichtcharakteristik erzeugen sie ein gerichtetes und brillantes Licht, das auf den polierten Oberflächen zu gewünschten Lichtreflexen führt. Zusätzlich bringen in den Deckenkassetten umlaufende Lichtvouten eine zweite, weiche und homogene Lichtkomponente ein. Die Lichtfarbe der LEDs von 3 000 K bringt hier sowohl die vorherrschenden, tiefblauen Wandfarben als auch die Akzente in warmtonigem Messing zur Geltung.
Lebendige Reise unter die Erdoberfläche
Die Reise zu den unterirdischen Ausstellungsräumen beginnt vom Foyer aus mit einer Fahrt in einem medial bespielten Aufzug, bei der das Gefühl entsteht, tief unter die Erdoberfläche zu gelangen. Mittels verlangsamter Fahrtgeschwindigkeit und Animationen wird der Eindruck erweckt, mehrere hundert Meter in die Tiefe, in einen Bergwerksstollen befördert zu werden. Unten angekommen, sticht sofort der Kontrast zur Welt von oben mit den außergewöhnlichen Marmorböden ins Auge – auch Licht und Farben werden in den Kammern nur dezent eingesetzt. Vier Naturmaterialien dominieren den Raum: Stampflehm, Bronze, Marmor und Stein.
Die facettenreiche Welt des Golds öffnet sich in vielen kleinen Ausstellungsräumen. Inspiriert von den Ägyptern haben die Planer von merz merz das Erscheinungsbild der Räume den Grabkammern in Pyramiden nachempfunden. Eine raffinierte Lichtführung lässt die Ausstellungsräume in ihrer Fläche großzügiger wirken, als sie tatsächlich sind. Lineare Lichtbänder suggerieren einfallendes Tageslicht, während dezent gesetzte Lichtakzente eine geheimnisvolle und spannungsreiche Atmosphäre erzeugen.
Einstimmung in die unterirdische Welt des Golds
Der Auftakt der Ausstellung widmet sich der Frage, wie das Gold auf die Erde gelangt ist und wie es aus unterirdischen Vorkommen geschürft, gereinigt und anschließend eingeschmolzen wird. Die dunkel gehaltenen Räume verfügen über Wände aus schroff behauenem Naturstein. Gedämpftes Licht kommt aus explosionsgeschützten Leuchten, die entlang des Stollens auf die Wände aufgesetzt wurden. Die Assoziation mit Grubenlampen wird zusätzlich verstärkt durch lose hängende Kabel, mit denen die Leuchten verbunden zu sein scheinen. An einigen Stellen ergänzen oberhalb des Deckengitterrosts platzierte LED-Leuchten – die an freistrahlende Leuchtstofflampen erinnern – das Grundlicht und verstärken den groben, zweckmäßigen Charakter der Räume. Eine Stand-
vitrine beherbergt 4,6 Mrd. Jahre alte Meteoriten. Ihre flächige, dynamische Beleuchtung unterstützt die raumfüllende 360°-Video-projektion, die den Meteoriteneinschlag auf der Erde simuliert.
Kühler Tageslichteindruck und warmtonige Ausstellungsbeleuchtung
Der Hauptbereich des Museums widmet sich den Themen Gold als Währung, Frühe Kulturen und Schmuck. Die Räume sind mit Stampflehm verkleidet und stellen durch die sich nach oben verjüngenden Raumgeometrien und die geneigten Lehmputzdecken eine Reminiszenz an die Pyramidenbauwerke der alten Ägypter und Mayas dar. In die Raumgestaltung eingeflossene Deckenversprünge beherbergen im Inneren, gut verborgen, lineare Lichtbänder und erwecken den Anschein, als würde aus ihnen kühles Tageslicht hervorquellen. Die Strahler für die Exponate dagegen sind mit Leuchtmitteln mit 2 700 K Farbtemperatur bestückt, um die goldenen Exponate in warmtonigem, intensivem Licht glänzen zu lassen. Deckenbündige Stromschienen nehmen die zumeist in Gruppen angeordneten Strahler zusammen mit einem linearen Downlightmodul für die Wartungsbeleuchtung auf. Die Anordnung der Stromschieneneinheiten nimmt dabei Bezug auf die von allen Seiten zugänglichen Standvitrinen, die in den Räumen symmetrisch angeordnet sind. Ergänzt werden sie durch zahlreiche Wandvitrinen, die jeweils mit einer Batterie sehr kleiner, blendfreier LED-Spots bestückt sind.
Lichtbänder als visuelle Verbindungselemente
Zwei der Highlights der Ausstellung – die einzig erhaltene Goldbüste des römischen Kaisers Licinius I. und eine kostbare Goldmaske aus Kolumbien – werden in sich gegenüberliegenden Kammern gezeigt, die durch den Ausstellungsraum „Antike Kulturen“ verbunden sind. In den rückseitigen Wänden der Kammern befindet sich je eine konisch zulaufende, raumhohe Wandnische, die als Vitrine ausgestaltet ist und jeweils ein Exponat beherbergt. Beidseitig, von vorne unsichtbar in den Fugen angebrachte Linearleuchten erzeugen den Eindruck eines glühenden Lichtbands, das auch den verbindenden Raum in Form eines offenen Kanals durchzieht und das Raumensemble visuell verbindet. Das Lichtband sorgt für die Grundhelligkeit und bildet zugleich die Rückwandbeleuchtung der beiden Wandvitrinen. Die direkte Beleuchtung der Exponate erfolgt mit für den Betrachter nicht sichtbaren Strahlern.
„Versunkene Schätze“ im lichtdurchfluteten Meer
Die Goldschätze aus den Meeren werden in einem in zartem Blau gehaltenen Raum präsentiert. Die Exponate sind in der Raummitte platziert und von raumhohen Glasscheiben umschlossen. Sie dienen nicht nur als Schutz, sondern auch als multimediale Projektionsflächen und Informationsträger. Eine raumgreifende Lichtinstallation projiziert aus unregelmäßig geformten, sich drehenden Glaskolben, die von kleinen Halogenlampen durchstrahlt werden, Lichteffekte an die Raumflächen und bildet so das Brechungsverhalten von Sonnenstrahlen an der Wasseroberfläche nach. Durch die konstante Bewegung der von der Decke herabhängenden, mundgeblasenen Glaskolben und die Überlagerungen der Lichtreflexe ändert der Raum kontinuierlich seine Gestalt. Lichtplaner Konstantin Klaas zu dieser Lichtlösung: „Hier bekamen wir die Chance, zu zeigen, dass der richtige Einsatz von Licht weit über die herkömmlichen Beleuchtungsaufgaben hinaus die Dramaturgie einer Ausstellung unterstützen kann. Durch zahlreiche Bemusterungen und Probeaufbauten und die Zusammenarbeit mit der Manufaktur Lobmeyr wurde die optimale Lösung erarbeitet.“
Das Grundlicht aus den deckenbündig integrierten Linearleuchten ist mit mehreren Farbfilterfolien satt blau eingefärbt und unterstreicht das „Unterwasser-Gefühl“.
Licht unterstützt digitales Museumskonzept
Begleitet wird die unterirdische Entdeckungsreise durch die Welt des Golds von zahlreichen animierten Schautafeln und Videos der Medienplaner von Art+Com aus Berlin. Entlang einer im Boden eingelassenen Goldader, die sich durch die gesamte Ausstellung zieht, erfährt der Besucher an verschiedenen digitalen Stationen Wissenswertes über das Edelmetall. Marker im Boden, die über sehr engstrahlende Deckeneinbaurichtstrahler zur Geltung gebracht werden, offenbaren Informationen, wenn diese mit dem Smartphone gescannt werden. Zusätzlich projizieren insgesamt 18 Goboprojektoren Informationstexte zu den jeweiligen Räumen auf die Wände. Die Projektoren sind unsichtbar in der Abhangdecke installiert und bringen die Informationen durch kleine, ovale Öffnungen in der Deckenverkleidung auf die Wände.
Andrea Rayhrer, Stuttgart
Baudaten
Bauherr: Pacelli Immobilien- und Liegenschaftenverwaltung GmbH, München
Nutzer: Goldkammer Frankfurt GmbH
Architekt: AS+P Albert Speer + Partner GmbH, Frankfurt a. M., www.as-p.de
Ausstellungsgestaltung: merz merz gmbh & co. kg, Berlin, www.merzmerz.plus
Lichtplanung: Licht Kunst Licht AG, Bonn/Berlin, www.lichtkunstlicht.com
Projektleitung: Konstantin Klaas
Projektteam: Edwin Smida, Nils von Leesen, Andreas Schulz
Lichtplanung Sammlung Rothschild: pfarré lighting design, München, www.lichtplanung.com
Mediengestaltung: ART+COM AG, Berlin,
www.artcom.de
Elektroplanung: Speidel GmbH Niederlassung, Frankfurt a. M., www.speidel.de
Fertigstellung: 2019↓
Hersteller
Deckenleuchten: Bergmeister Leuchten GmbH,
www.bergmeister-leuchten.de; Moooi, www.moooi.com; Bega Gantenbrink-Leuchten KG, www.bega.com; iGuzzini illuminazione, www.iguzzinig.com;
LED Linear GmbH, www.led-linear.de
Vitrinenbeleuchtung: XAL GmbH, www.xal.com;
DGA, www.dga.it; LED Linear GmbH, www.led-linear.de
Außenleuchten: Bergmeister Leuchten GmbH,
www.bergmeister-leuchten.de;
Filix, www.filixlighting.com
Effekt- und Spezialleuchten: J.&L. Lobmeyr,
www.lobmeyr.at; Rosco, www.emea.rosco.com
In den unterirdischen Ausstellungsräumen wird Lighting Design zum kongenialen Partner eines innovativen Ausstellungskonzepts. Die aufregenden Rauminszenierungen mit der eindrucksvollen Abfolge von Stollen und Schatzkammern werden erlebbar durch das sorgfältig geplante narrative Licht. Raum und Material werden immer wieder neu interpretiert – eine Reise in die Geschichte des Goldes. DBZ Heftpartner Prof. Dr.-Ing. Paul Schmits