Dezent repräsentativ

Haller Haus, Hamburg

Die zeitgemäße Nutzung einerseits und der sensible Umgang mit dem Bestand andererseits waren im Haller Haus, einem historischen Bankgebäude am Hamburger Jungfernstieg, in Einklang zu bringen. Das Büro LH Architekten fand hier, auch durch die intensive Zusammenarbeit mit dem Lichtplanungsbüro Licht 01, angemessene und situationsbezogene Lösungen.

Das Haller Haus am Hamburger Jungfernstieg wurde 1899 von dem Architekten Martin Haller seinerzeit für die Dresdner Bank gebaut. In prominenter Lage an der Binnenalster, nahe dem Rathaus und dem Alsterfleet, bestand die aktuelle Entwurfsaufgabe darin, einerseits die für den Denkmalschutz relevanten Merkmale des repräsentativen Bankpalais zu bewahren und gleichzeitig neue Wege einzuschlagen, beispielsweise, in dem sich das Gebäude nun für alle seine Kunden öffnet und so mehr Transparenz bietet.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projekts war die Lichtplanung sowohl in dem Gebäude als auch an seiner bedeutenden Straßenfassade. Hier kommt, insbesondere durch die Innenstadtlage, der Hamburger Lichtbeirat mit ins Spiel, der die jeweiligen Beleuchtungskonzepte am Gebäude freigeben muss und in diesem Projekt das zurückhaltende, die Architektur betonende Konzept, sehr begrüßte.

Fassung der 1920er-Jahre

Gefragt war also eine behutsame Sanierung mit einem eher zurückgenommenen Lichtkonzept. Dennoch sollte der Bau sich an die zeitgemäßen Anforderungen der Bank anpassen. Es war nicht die erste Anpassung, die das Gebäude seit seiner Erbauung erfahren hat. So war es ursprünglich deutlich niedriger gewesen und endete mit der historischen Attika, die heute in abstrahierter Form oberhalb des 4. Obergeschosses an der Fassade ablesbar ist. Eine erste Aufstockung erhielt das Haus 1922, die dann in den 1950er- und in den 1980er-Jahren neu gestaltet wurde. In Absprache mit dem Denkmalamt lehnt sich die aktuelle Sanierung nicht an den Ursprungsbau, sondern an die Fassung aus den 1920er-Jahren an.

Das Haller Haus ist heute ein Baustein des Gesamtensembles „Alsterfoyer“, zu dem auch das Eckgebäude Jungfernstieg/Große Bleichen, genannt „Haus am Stieg“, sowie die daran anschließenden Häuser „Top Three“ und „Fab Five“ in den Großen Bleichen gehören. Nach der Sanierung zeichnet sich die Nummer 24 mit Einzelhandelnutzung im Erdgeschoss heute als eigenständige Fassade ab. Sie liegt am Jungfernstieg zwischen dem Eckhaus und der Bank. Das schmale Grundstück war ursprünglich mit einem Jugendstilgebäude überbaut gewesen. Zuletzt war die Fassade des Nachfolgebaus wie die Fortsetzung der Fassade des Haller Hauses behandelt worden. Im neuen Architektur- und Lichtkonzept sind die Planer und Planerinnen hier sehr viel differenzierter vorgegangen, so dass nun wieder jede Fassade für sich steht und doch ein harmonisches Gesamtbild entstanden ist.

Die Visitenkarte des Hauses

Das Lichtkonzept der Fassade des Haller Hauses selbst gliedert sich in drei Zonen: Im unteren Bereich wird die vertikale Ausrichtung, die durch die Halbsäulen bereits vorgegeben ist, durch Up- und Downlights betont. Oberhalb der Säulen, auf Höhe des Gesimsbands und des historischen Dachabschlusses erinnern horizontale LED-Linien an den ursprünglichen Gebäudeabschluss. Als dritte Zone werden die Aufstockung und die Dachflächen durch Wallgrazer bestrahlt.

Die Bank wird heute zentral erschlossen. Eines der vier Erdgeschossfenster wurde zu diesem Zweck in Absprache mit dem Denkmalamt zu einer hohen Tür erweitert. Über diesen Zugang betreten die KundInnen die Bank ebenerdig und stehen nun in dem recht hohen Raum der SB-Zone. „Es war einer der größten Eingriffe, die wir vorgenommen haben, um dem unbedingten Wunsch des Nutzers nach einem stufenlosen Eingang nachzukommen“, erläutert Architekt Martin Seibert-de la Cruz vom Büro LH Architekten. „Dafür haben wir die Decke des ehemaligen Souterrains herausgenommen und auf Höhe des Straßenniveaus eine neue eingezogen.“ Um die Raumhöhe zu relativieren, entschieden sich die Planer dafür, an dieser Stelle – als einzige im gesamten Gebäude – große, dekorative Leuchten zu platzieren. Zwei moderne Kronleuchter aus Messingstrukturen mit etwa 1 600 LED-Lichtpunkten erhellen nun den Raum, ergänzt durch Deckeneinbaustrahler in einem umlaufenden, markant schwarz abgesetzten Deckenkanal.

Betritt man den Raum von der Straße und wendet sich nach links, lässt sich hinter drei Rundbogenfenstern das historische, halb öffentliche Ves-tibül mit seiner historischen Malerei schemenhaft erkennen. Es lässt sich separat über den ehemaligen Haupteingang erreichen. Die Scheiben sind nicht entspiegelt, weshalb sich hier Neu und Alt zu einem spannenden Overlay-Bild überlagern.

Die historische Kassenhalle

Hinter dem modernen, trotz der Kronleuchter schlichten Eingangsbereich, führen elf Stufen hinauf in die historische, zweigeschossige Kassenhalle mit imposanten Stuckmarmor-Säulen, Gesimsen, Rundbogenfenstern und einer filigran gestalteten, ornamentierten Lichtdecke. „Wir haben die Decke äußerlich nicht verändert“, erläutert Lichtplanerin Katja Winkelmann, Geschäftsführerin des beauftragten Lichtplanungsbüros Licht01 aus Hamburg. „Die Messingprofile wurden nur aufgearbeitet und das Glas ersetzt. Die Leuchten wurden gegen LED-Lichtquellen mit Farbtemperatursteuerung ausgetauscht und in ihrer Position um 90 ° gedreht, um eine höhere Gleichmäßigkeit in der Lichtverteilung und damit weniger Dunkelzonen und Verschattungen in der Glasfläche zu bekommen.“ Für die 229 LED-Lichtleisten wurde eine leichte Montageebene innerhalb des Glas- und Dachtragwerkes eingezogen. Durch die automatisierte Farbtemperatursteuerung (Tunable White) können unterschiedliche Lichtszenarien in der Halle abgebildet werden, die sich auf die jeweilige Außen-Tageslichtsituation beziehen. Außerdem lässt sich die Beleuchtung an die aktuelle Betriebssituation anpassen. Um die feingliedrige Architektur und Ornamentik der Halle zusätz­lich zu unterstützen, entschieden sich die Licht­designerInnen in Absprache mit dem Architekturbüro für sondergefertigte, dezente Strahler am Gesims, die sich farblich ihrer Umgebung anpassen und so nicht zu stark in den Vordergrund treten.

An den imposanten Hallenbereich schließen auf zwei Geschossen an den Längsseiten Beratungsräume und Büros an. Aus ästhetischen Gründen hätten sicher alle Beteiligten hier lieber keine abgeschlossenen Räume generiert. Da diese Anordnung allerdings aus Nutzersicht notwendig war, musste eine praktikable, zurückgenommene Lösung gefunden werden, die den imposanten Raumeindruck möglichst wenig beeinflusst. Trennwände aus bedrucktem, hochverspiegeltem Glas trennen die Räume nun ab und reflektieren die historische Architektur, erlauben aber dennoch hinreichend Durchblicke und bewahren so den Eindruck des großen Ganzen. Unterstützt wird dieser Effekt durch schmale, über alle Räume hinweg laufende Lichtdecken, deren Helligkeit mit jener der Decke der Kassenhalle korrespondiert.

Less is more

Das Schlagwort der klassischen Moderne „Weniger ist mehr“ passt auch in das übergeordnete Lichtkonzept im Haller Haus. Ein typisches, an verschiedenen Stellen wiederkehrendes Mittel sind die kaum sichtbaren Deckeneinbaustrahler in schmalen Deckenkanälen: Diese, von innen meist schwarz gestrichen, setzen als geometrische Linien lediglich Akzente an den Decken oder beleuchten Details und Materialien. Die Beleuchtung passt sich der Gebäudestruktur an, Leuchten und Leuchtmittel halten sich im Hintergrund. Und so stellte sich auch die Frage nach dem angemessenen Umgang mit den erst in der Bauphase entdeckten Deckenfresken und Wandmalereien im ehemaligen Eingangsbereich erst gar nicht. Drei sonderangefertigte Metallringe versuchen nun gar nicht erst historisch daherzukommen, sondern nehmen sich respektvoll zurück und beleuchten in moderner Form die historischen Fresken indirekt. An die Ringe montierte Strahler werfen zusätzlich gezieltes Licht auf die Wandmalerei, um diese entsprechend hervorzuheben. ⇥Nina Greve, Lübeck

Projektdaten

Objekt: Haller Haus

Standort: Jungfernstieg 22, Hamburg

Typologie: Bank- und Geschäftshaus

Bauherr/Bauherrin: Art-Invest Real Estate, Hamburg

Nutzer/Nutzerin: Commerzbank

Architektur: LH Architekten Landwehr Henke + Partner mbB, Hamburg
www.lh-architekten.de

Team: Martin Seibert-de la Cruz, Sebastian Heyken, Meike Ziegler, Nina Mölle

Bauleitung: mo Architekten Ingenieure, www.mo-architekten.de

Bauzeit: Januar 2019 – Juni 2021

Brutto-Grundfläche: 8 858 m²

Brutto-Rauminhalt: 35 076 m³

Fachplanung

Lichtplanung: Licht 01, Hamburg, www.licht01.de

Tragwerksplanung: Wetzel & von Seht, Hamburg, www.wvs.eu

TGA-Planung: Petersen Ingenieure, Flensburg,

www.petersen-ingenieure.de

Fassadentechnik: Prof. Michael Lange, Hannover, www.pml-lange.de

Innenarchitektur: LH Architekten Landwehr Henke + Partner mbB 

Akustik: Taubert und Ruhe, Pinneberg, www.taubertundruhe.de

Energieberatung: Wetzel & von Seht, Hamburg

Brandschutz: ifb Schütte, Bremen, www.ingenieurbuero-fuer-brandschutz.de

Hersteller

Beleuchtung: Zumtobel,

www.zumtobel.com, Iguzzini,

www.igguzini.com, Bergmeister, www.bergmeister-leuchten.de, Quasar, www.quasarholland.com

Bodenbeläge: Carpet Concept,

www.carpet-concept.de, Objekt Carpet, www.object-carpet.com

Innenwände: Lichte Glastrennwände, www.lichte-systemwand.de

Sonnenschutz: Durach,

www.durach.com

Sanierung mit Feingefühl und Respekt: Der historische Kontext wird – passend zu den aktuellen Anforderungen – neu interpretiert. Das Zusammenwirken von Sanierung mit viel Liebe zum Detail und einem Gespür für die Licht-dramaturgie sorgt für eine stimmige Raumwirkung. Die besondere Lage an der Binnenalster stellte hohe Anforderungen an die Außenillumination und nächtliche Gebäudewahrnehmung.« DBZ HeftpartnerInnen ANDRES + PARTNER, Hamburg

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