Axel Springer Campus. Ein Baustellenbesuch

Irgendwie ziemlich imponierend: Da reist ein Chefredakteur mit kleiner Mannschaft für ein Jahr gleichsam undercover ins kalifornische Silicon Valley, um dort bei den digitalen Nerds der Branche nach Ideen für seinen Verlagskonzern Ausschau zu halten. 2012 war das, 2013 kam der „Austauschschüler“ (Süddeutsche Zeitung) zurück und tatsächlich: Er hatte ihn gefunden, den Spirit, der die digitale Zukunft des Verlagswesens sein könnte. Und weil der damalige Chefredakteur der BILD, Kai Diekmann, einen, was die Verlagsgeschäfte angeht, open minded Vorstandsvorsitzenden an der Seite hatte, endete die Reise auch nicht in einer Art von Selbsterfahrungskurs für Manager-Chefredakteure: Direkt nach seiner Rückkehr lud im Mai 2013 Mathias Döpfner 22 internationale Architekturbüros nach Berlin ein. Sie sollten ihre Entwürfe, Konzepte, Vorstellungen, Visionen für einen digitalen Medienhub abliefern. Das Gebäude, so der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE damals, „soll nicht nur überwältigend schön sein, sondern auch der Frage nachgehen: Was bedeutet Materie in einer entmaterialisierten Medienökonomie, was bedeutet ein Büro in einer mobilen Arbeitswelt, die Büros eigentlich nicht mehr braucht? Das Projekt kann eine Schlüsselrolle für die digitale Transformation unseres Unternehmens einnehmen, indem es die bisher in der Peripherie angesiedelten digitalen Tochterunternehmen ins Zentrum des Unternehmens rückt und mit den traditionellen Marken des Hauses vernetzt.“ 18 Büros reichten schließlich ein, 2014 wurden die Gewinner bekannt gegeben. Aus der Runde der letzten drei – BIG Bjarke Ingels Group, Büro Ole Scheeren und OMA – gingen die Rotterdamer als Sieger hervor (die beiden weiteren Finalisten waren Kuehn Malvezzi und SANAA).

Offene Terrassenlandschaft, die ein Tal
(Valley!) formt

Rem Koolhaas, (un)ideologischer Kopf von OMA, beschreibt den Entwurf so: In Zeiten, in denen die Digitalisierung auch die Presse erreicht hat, wolle er mit seinem Entwurf zum Einen ein Zeichen schaffen, das für diesen entwicklungsgeschichtlichen Moment steht. Dann soll das Haus ein Werkzeug sein, das diesen Übergang von der analogen in die digitale Welt bewältigen helfe. Und natürlich soll der Neubau dem Altbau gegenüber „die Elite der (deutschen) digitalen Bohème anlocken“. Die Essenz des Entwurfes ist, so Koolhaas, eine offene Terrassenlandschaft, die ein Tal (Valley!) formt, dessen Zentrum die kreativen Ideen für alle Axel Springer Unternehmungen bereichert.

Koolhaas, in länger zurückliegender Vergangenheit selbst einmal Journalist gewesen und mit Bildern von kettenrauchenden, die Schreibtastatur malträtierenden Investigativen unterwegs, zieht in seiner Projektbeschreibung Parallelen zwischen dem Arbeiten der Architekten und dem der Journalisten. Doch wie die Architekten, die unter den immer kürzer werdenden Entwicklungszyklen leiden, so verkriechen sich auch die Journalisten mehr und mehr hinter dem Bildschirm, der sie mit der Welt verbindet, „which isolates him in a bubble of introverted performance, inaccessible to collective overview.“

Die kollektive Intelligenz möchten Koolhaas und sein Team in dem Neubau wiederbeleben, die allein in der Lage sei, „true innovation“ herzustellen. So sind die Terrassengeschosse teils geschlossen, teils zum zentralen Atrium offen. Und wo sie offen sind, stellen Treppen und Rampen Verbindungen her, die den kurzen Dienstweg ermöglichen.

Das Gebäude soll für die Stadtbevölkerung offen bleiben über eine Lobby im Erdgeschoss, eine so genannte „meeting bridge“ und die in solchen Lagen übliche „roof-top bar“. Die „meeting bridge“ wird eine Aussichtsplattform sein, die neben den Blicken auf die Stadt auch solche in die Arbeitsprozesse der Springermannschaften gewährt. Im Erdgeschoss sollen Veranstaltungen, Ausstellungen, Restaurants etc. Besucher anziehen.

Campus verkauft, später gemietet

Entgegen dem ersten Entwurf wurde in der überarbeiteten Fassung die Nordfassade ab der halben Höhe eingezogen, Beschwerden der Anlieger dem Neubau gegenüber zeigten hier ihre Wirkung. Ohnehin war die deutliche Überschreitung der in Berlin immer noch geltenden Traufhöhe ein schwieriger Tanz im Genehmigungsverfahren. Aber nicht bloß die Ausnahmeregelung an einem Ausnahmeort (ehemaliger Todesstreifen) zeichnet die Bauaufgabe aus, auch konstruktiv kann der Neubau so einiges vorweisen. Der Blick auf die teils zig Meter auskragenden Deckenplatten, die von filigranen, hochaufragenden Beton­stützen gehalten werden, deutet auf die Notwendigkeit zu ganz eigenen statischen Lösungen hin. So ist das Volumen an der außen sichtbaren Schnittlinie horizontal zweigeteilt: Während der untere Teile direkt auf der Bodenplatte auflastet, werden die darüberliegenden Geschosse über eine aufwendige Stahlkonstruktion vom Dach abgehängt.

Bis zu 3 500 MitarbeiterInnen sollen in dem Gebäude ab Ende 2019 arbeiten – nicht nur die digitalen Abteilungen, auch die Redaktion von WeltN24, die auch das Print „Die Welt“ in ihrem Newsroom produziert.

300 Mio. € Baukosten sind veranschlagt, für 425 Mio. € hat Springer die Immobilie aktuell an die Norges Bank Real Estate Management verkauft. Springer wird Mieter: „Die zusätzliche Liquidität können wir für künftige digitale Wachstumsinitiativen einsetzen“, so Springer-Finanzchef Julian Deutz. Und diese werden möglicherweise ab 2020 im neuen Axel Springer Campus generiert. Wir sind gespannt! Be. K.

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