Bahnstadt Heidelberg auf dem Prüfstand

Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs und auf Konversionsflächen im Südwes-ten von Heidelberg entsteht derzeit das größte Stadtentwicklungsprojekt Deutschlands. Bis 2022 soll auf der 115 Hektar großen Gesamtfläche ein Funktionsmix aus Wohnen und Arbeiten geschaffen werden. Gewerbe- und Freizeiteinrichtungen sollen ebenso Platz finden wie High-Tech-Unternehmen und lebendige Wohnquartiere. Als Wissensquartier bietet das Areal außerdem Raum für ein großflächiges Campus-Areal mit Studentenwohnheimen, einem großzügigen Technologiepark und dem Laborgebäude Skylab. 12 000 Menschen werden zukünftig in der Bahnstadt wohnen und arbeiten – die zum Teil bereits fertig gestellte Infrastruktur reicht von Kita und Schule bis zu Bürgerzentrum, Einzelhandel und Kino.

Für die bundesweit einmalige Quartiers-entwicklung hat die Stadt Heidelberg ein ebenso einzigartiges Energiekonzept aufgelegt: Durch die 100-prozentige Strom- und Wärmeversorgung auf Basis von Solarenergie, Geothermie und Biomasse und einem eigens gebautes Holzkraftwerk wird die Bahnstadt zu einer der größten Null-Emissions-Siedlungen weltweit. Und der Superlative nicht genug: Weil das Konzept für alle Gebäude bis hin zum Multiplexkino Passivhausstandard verbindlich vorschreibt, soll die Bahnstadt nach ihrer Fertigstellung als größte Passivhaussiedlung der Welt in die Geschichte eingehen. Für Bauherren und Bauträger wurde dafür extra eine Beratungsstelle zum Thema Energiefragen eingerichtet, für die Bewohner gibt es eine Stromsparberatung. Und nicht zuletzt wird die Bahnstadt auch das größte zusammenhängende Areal in Europa sein, das flächendeckend mit dem sogenannten Smart-Meter-Konzept ausgestattet ist, das mit seinen intelligenten Stromzählern den Haushalten einen stets aktuellen Verbrauchsüberblick verschafft. Für seine energetische Pionierleistung ist das Projekt bereits mehrfach ausgezeichnet worden: z. B. mit dem Auroralia Award für das äußerst hocheffiziente Straßenbeleuchtungssystem und (natürlich) mit dem Passive House Award als Passivhaus-Region des Jahres 2014.

Um eine durchmischte Mieterstruktur zu gewährleisten, hatte die Stadt Heidelberg ein eigenes Förderprogramm aufgelegt, mit dem Wohneigentümer und Mieter auf Antrag einen einmaligen Zuschuss beim Kauf oder einen monatlichen Förderzuschuss zur Miete erhalten können. 2012 waren die ersten Bewohner in ihre neuen Wohnungen eingezogen. Inzwischen ist ein Großteil der 2 500 Wohnungen der ersten zwei Bauabschnitte fertig gestellt, rund 3 500 Bewohner leben ­bereits in der Bahnstadt. Die Stadt plant derzeit den dritten und letzten Bauabschnitt.

Um die Energieverbräuche in den bereits bewohnten Wohnhäusern auf den Prüfstand zu stellen, wurde das Passivhaus-Institut mit einem Energie-Monitoring für insgesamt die ersten acht Baufelder beauftragt. Hierfür wurden die Verbrauchsdaten der 1 400 Wohneinheiten mit zusammen 90 000 m² Wohnfläche ermittelt. Herangezogen wurden dafür die Verbrauchsdaten der Jahre 2014 und 2015. Die Ergebnisse kommen einer Punktlandung für die Vorausberechnungen der Passivhausplaner gleich: Der reine Heizwärmebedarf der Wohnungen lag tatsächlich bei 15 kWh/a. Gleichzeitig wurde eine Streuung der Verbrauchswerte zwischen einzelnen Baufeldern festgestellt, die jedoch im normalen Bereich liegen. Auch die für Passivhäuser durchaus übliche Verteilung in rund 1/3 Heizenergie, 1/3 WW und 1/3 Verluste zeigt sich bei den Bahnstadtprojekten. Im Durchschnitt wurden pro Wohnung und Jahr 54 kWh/m² verbraucht. Im Vergleich zum durchschnittlichen Stromverbrauch ergeben sich in der Bahnstadt deutlich geringere Werte – trotz der in allen Häusern vorhandenen Wohnungslüftung mit WRG. Der Mittelwert der Haushaltszähler lag in den Wohnungen bei nur 17,9 kWh/m²a, der für Allgemeinstrom bei 8,6 kWh/m²a.

Für die Passivhaus-Planer spielte bei der Überprüfung der Ergebnisse auch die Vergleichbarkeit mit den Vorausberechnungen mit dem Passivhaus-Planungswerkzeug PHPP eine große Rolle: „Das Monitoring zeigt, dass das PHPP sehr gut geeignet ist, das tatsächliche spätere Verhalten der Gebäude als Durchschnittswert zu berechnen. Zudem funktioniert der Bau einer Passivhaus-Siedlung ganz offensichtlich auch bei Beteiligung ganz unterschiedlicher Planerteams und Nutzer,“ erklärt Prof. Dr. Wolfgang Feist vom Passivhaus-Institut, Darmstadt.

Eine parallel zum Monitoring durchgeführte Bewohnerbefragung Anfang 2015 ergab eine hohe Zufriedenheit mit der Raumluftqualität, den Innenraumtemperaturen im Winter sowie allgemein mit dem Leben in einem Passivhaus. Weniger zufrieden waren die Bewohner mit der Raumtemperatur im Sommer. Dazu dürften nicht nur die vergleichsweise großen Fensterflächen beigetragen haben, auch die hohen Nachttemperaturen der letzten Sommer ließen kaum Nachtauskühlung zu. Die Erfahrungen der Bewohner belegen die Probleme aus dem Planeralltag: Eines der Hauptprobleme beim energieeffizienten Bauen liegt im sommerlichen Wärmeschutz. ISch

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