Wohnen auf ehemaligem Industriegelände

Baugruppe E+, Köln

Mit einer kraftvollen Architektursprache und Liebe für das Detail wird der Genius des identitätsstiftenden Pförtnerhauses interpretiert und weiterentwickelt. Das qualitätvolle Zusammenspiel von Alt und Neu bietet einen charmanten Auftritt für individuelles Wohnen in der Gemeinschaft. Die Verwendung von monolithischem Mauerwerk mit vorgeblendeten Ziegelriemchen, die sich in ihrem gewählten Design auch eindeutig als solche zu erkennen geben, ist sympathisch und authentisch zugleich.

⇥DBZ Heftpaten ksw architekten + stadtplaner

17 Wohnparteien schlossen sich vor einigen Jahren in Köln zu einer ambitionierten Gruppe von Bauherren zusammen, um gemeinsam individualisiertes und nachhaltiges Wohnen zu schaffen. Gemeinsam mit dem Architekturbüro Klaus Zeller bewarb sich die Gruppe, die überwiegend aus jungen Familien besteht, für ein Grundstück auf dem ehemaligen industriell genutzten Clouth-Gelände in Köln-Nippes. Trotz frühzeitiger Bewerbung mit hohen ökologischen und gestalterischen Zielsetzungen erhielt die Baugruppe E+ erst mittels Nachrückverfahren ein Grundstück nordöstlich mit direkter Anbindung an das historische Pförtnerhäuschen, das das Entrée in das neue Wohnquartier markiert. Das Qualitätssicherungsverfahren mit dem Kölner Planungsbüro ASTOC Architects and Planners und dem Projektentwickler moderne stadt gab einen aufgelockerten Städtebau mit Punkthäusern und das Aufgreifen der Ziegelfassade der bestehenden Bausubstanz der Fabrik vor. Das Ergebnis sind zwei Baukörper mit individuell gestalteten Wohneinheiten, Tiefgarage, Gästeapartment und einem Gemeinschaftsgarten.

Bauen für Baugruppen

Sehr hilfreich war die ehrenamtliche Einbindung einer Architektin aus der Baugruppe in die gemeinsame Vorauswahl der Materialien. „Fachleute innerhalb der Gruppe sind eine gute Unterstützung. Wenn die Bauherren ohne beruflichen Bezug zum Bauen im Kreis sitzen und ich erzähle etwas, das bei den Fachkollegen auf Bauherrenseite auf Zustimmung stößt, gibt das den anderen Beteiligten zusätzliche Sicherheit. Darüber hinaus bringen sie Ihr Fachwissen mit ein,“ erläutert der Architekt Klaus Zeller. Die Sanierungskosten für das denkmalgeschützte Pförtnerhäuschen wurden in der Gruppe geteilt. Heute wird der Raum für Besprechungen der Baugruppen und weitere private Veranstaltungen genutzt.

Individualisiertes Wohnen

„Bauten für Baugruppen haben ein enormes Identifikationspotenzial und sind daher auch für die Stimmung im Quartier sehr positiv zu bewerten. Die Erfahrung zeigt, dass, durch das private Engagement in der Projektentwicklung, auch mit der näheren Umgebung sehr pfleglich umgegangen wird,“ erklärt Klaus Zeller. Während der zahlreichen Planungen für Baugruppen in den letzten Jahren entwickelte er mit seinem Büro einen Fragebogen, bei dem die Zahl der Zimmer, funktionale Verknüpfungen, Nachbarschaftswünsche und eventuelle Sonderwünsche abgefragt werden. Nach der Befragung dieser Wünsche in der Vorentwurfsphase findet in der Entwurfsphase ein erstes und in der Ausführungsplanung ein zweites Bauherrengespräch statt. In Bezug auf die Ausstattung gibt es stets zwei Optionen: eine Basisversion und eine etwas teurere. Dies ist  beispielsweise  abhängig von der Wahl der Fliesen, des Bodenbelags oder der Gestaltung der Decke.

Grundrissänderungen mit wenigen Eingriffen

Das besondere an den Grundrissen ist die potenzielle Teilbarkeit einiger Wohnungseinheiten. Die Erschließungskerne beider Punkthäuser sind so positioniert, dass vier Wohnungseingänge pro Geschoss möglich sind. In den geschlossenen Wandbereichen ohne Wohnungseingang wurden Türstürze eingeplant, falls in Zukunft ein Durchbruch für eine abgeteilte Wohnung benötigt wird. Ein gutes Beispiel für eine teilbare Wohnung ist die Wohnung im südlichen Punkthaus im dritten Obergeschoss. Eine junge Familie bewohnt aktuell das gesamte Geschoss mit rund 150 m² Wohnfläche. Neben der aktuellen Eingangstür zur Wohnung befindet sich eine bereits eingebaute zweite Tür. Im Falle einer Wohnungsaufteilung kann dank des zweiten Badezimmers und vorhandener Anschlüsse für eine Küchenzeile eine autarke Zwei-Zimmer-Wohnung entstehen.

Passivhausstandard Plus

Angestrebt wurde ursprünglich ein Wohnprojekt mit Nullenergie-Standard. Zeller erläutert, dass diese Idee noch aus der Zeit stamme, als die Baugruppe sich für ein südlich auf dem 14,5 ha großen Clouth-Gelände beworben hat. Das Grundstück war länglich und nach Süden ausgerichtet, sodass eine vollständig mit Solarpaneelen verkleidete Fassade den Standard ermöglicht hätte, jedoch forderte das letztlich errungene Grundstück im Norden Punkthäuser. Dank Photovoltaikanlage auf dem Dach, 3-fach Verglasung und einer dezentralen Lüftungsanlage konnte dennoch ein Passivhausstandard Plus mit einem Primärenergiebedarf von 8,85 kWh/m²a und einem Endenergiebedarf von 48,0 kWh/m²a nach EnEV 2014 erreicht werden. Die Wärmerückgewinnung reduziere gemäß Klaus Zeller den Energiebedarf von rund 35 kWh/m²a ohne dezentrale Lüftung auf 14-15 kWh/m²a. Die entsprechenden Geräte wurden bei einer großzügigen lichten Raumhöhe von 2,70 m dezent im oberen Abschluss der schlanken Lochfenster in einer Abkofferung im Deckenbereich des Innenraums verstaut.

Fassadengestaltung

Die Außenwände sind mit Klinkerriemchen verkleidet und von innen mit Gipsputz versehen. Die tragende Wand besteht aus einer monolithischen 49 cm starken Planfüllziegelkonstruktion ohne äußere Dämmung. Stattdessen ist der Ziegel mit Mineralwolle WLG 0,07 bzw. 0,08 zur stärker befahrenen Xantener Straße im Sinne des Schallschutzes gefüllt. Bei der Auswahl einer preisgünstigen Riemchenvariante entschied sich Zeller für einen kleinen Trick: Was sich dem Betrachter als Vorderseite mit Rillenstruktur präsentiert, ist im Grunde die Rückseite des Produkts. Mit diesem Kniff und einer verbreiterten Lagerfuge entsteht von Weitem eine horizontal geschichtete Wirkung der Fassade trotz vertikaler Anordnung der Klinkerriemchen. Die verrundeten Ecken der Wohnbauten orientieren sich am Bestand in der Umgebung, wodurch der Eckstoß der Riemchen elegant vermieden wird. „Es ist Gold wert, wenn es solche architektonischen Themen in der näheren Umgebung gibt, die man aufgreifen kann, da Köln ohnehin durch den Krieg so eine zerrupfte Stadt ist.“ Zeller wählte den Radius der Ecken deutlich geringer als im Bestand, um eine orthogonale Ecke im Innenraum zwecks einfacher Möblierung zu ermöglichen. Auffällig ist das klare Raster der verlegten Riemchen und der eingesetzten Lochfenster mit Aluminiumzargen. Dank sorgfältiger Planung der Fassade, Überprüfung und punktueller Korrektur der Rohbautoleranzen konnte auf das Schneiden der Riemchen im Format 7,1 x 29 cm weitestgehend verzichtet werden – rings um die Lochfenster wurde kein einziges Riemchen geschnitten.

Sonnenschutz

Faltläden aus Aluminium dienen als Sonnenschutz. Die außenseitige Position der Läden ermöglicht eine maximale Verschattung der gesamten Fensterhöhe. Die Idee zu diesem Sonnenschutz hatten Klaus Zeller und sein Partner bereits bei einem vorangegangenen Projekt. Auch andere Planungsbüros haben bereits das von Zeller entwickelte Sonnenschutzsystem angefragt. Die Anpassung der Abmessungen löst er nun parametrisch, um Konstruktionszeit zu sparen.

Da die schlanke Laufschiene für die Führung der Faltläden nicht auf der Fensterbank aufliegt, sondern mit einem Abstand darüber installiert ist, können die Pflanzen auf den Fensterbänken direkt belichtet werden, auch wenn der Sonnenschutz geschlossen ist. Klaus Zeller ist überzeugt, dass ein Wohnbau nur dann gelungen ist, wenn er das authentische Nutzerverhalten seiner Bewohner architektonisch verträgt.⇥Nathalie Brum, Köln

Baudaten

Objekt: Energie+

Standort: Köln-Nippes, ehemaliges Clouth-Gelände

Typologie: Mehrfamilienhäuser, Baugruppe

Bauherr: Engie+ - Planungsgemeinschaft GbR

Nutzer: Privat

Architekt: Architekturbüro Klaus Zeller GmbH, Köln,

www.klauszeller.de

Mitarbeiter (Team): Martin Böttcher, Kristina Weigelt,

David Runkel, Saijin Sun

Bauleitung: David Runkel

Bauzeit: September 2016 – April 2018

 

Fachplaner

Tragwerksplaner: Sommer Ingenieurbüro Bauwesen GmbH, Solingen, www.ib-sommr.de

TGA-Planer: inPlan Ingenieurbüro TGA GmbH, Pfungstadt, www.inplan-tga.de;

Calorelektrik GmbH, Köln, www.calorelektrik.de

Landschaftsarchitekt: urbanegestalt PartGmbB, Köln,

www.urbangestalt.de

Energieplaner: Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft GmbH & Co. KG, Stuttgart, www.pk-i.de

Energieberater: Energiegewinner eG, Köln,

www.energiegewinner.de

Brandschutzplaner: P2 Brandschutz GmbH,

Dormagen, www.p2brandschutz.de

 

Projektdaten

Grundstücksgröße: 2 105 m²

Grundflächenzahl: 0,4

Geschossflächenzahl: 1,2

Wohnfläche gesamt: 1 786 m²

Brutto-Grundfläche: 3 370 m² inkl. Tiefgarage

Brutto-Rauminhalt: 11 160 m³ inkl. Tiefgarage

 

Baukosten (nach DIN 276)

KG 200 (brutto): 84 400 €

KG 300 (brutto): 3,3 Mio. €

KG 400 (brutto): 836 800 €

KG 500 (brutto): 463 100 €

KG 700 (brutto): 1 Mio. €

Gesamt brutto:  5,7 Mio. €

Wohnfläche: 3 212 €/m²

Brutto-Rauminhalt: 514 €/m³

 

Energiebedarf

Primärenergiebedarf: 8,85 kWh/m²a nach EnEV 2014

Endenergiebedarf: 48,0 kWh/m²a nach EnEV 2014

 

Energiekonzept

Dach: StB-Flachdach, Dämmung 34 cm i.M.

Außenwand: Ziegel mit Dämmstoff-Füllung, 49 cm

Fenster: Holzfenster IV 90, 3-fach-Verglasung

Boden: StB-Decken 20 - 25 cm, Bodenaufbauten 15 - 17 cm

 

Gebäudehülle

U-Wert Außenwand = 0,138 W/(m²K)

U-Wert Bodenplatte = 0,139 W/(m²K)

U-Wert Dach = 0,098 W/(m²K)

Uw-Wert Fenster = 0,75 W/(m²K)

Ug-Wert Verglasung = 0,49 W/(m²K)

 

Haustechnik

Fernwärme, Dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, PV-Anlage

 

Hersteller

Wand: Schlagmann Poroton GmbH & Co. KG,

www.schlagmann.de

Sonnenschutz: Falter-Fensterladen UG & Co. KG,

www.falter-fensterladen.de

Sonnenschutz/Blendschutz: Warema RENKHOFF SE,

www.warema.de

RWA-Anlage: Aleatec GmbH, www.aleatec.de

Lüftung: Helios Ventilatoren GmbH & Co. KG,

www.heliosventilatoren.de

Sanitär: Keramag Geberit, www.geberit.de; Grohe,

www.grohe.de

Beleuchtung: BEGA Gantenbrink Leuchten KG,

www.bega.com; RZB Rudolf Zimmermann Bamberg GmbH, www.rzb.de; SLV Leuchten, www.slv.com

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