Bestand transformieren

DBZ Heftpaten Nicole Kerstin Berganski und Andreas Krawczyk von NKBAK, Frankfurt a. M.

„Bauen im Bestand“ heißt das Thema dieser DBZ-Ausgabe. Wir selbst verstehen darunter einen Dialog zwischen Vorhandenem und Neuem.

Mit einem Perspektivwechsel wird nicht allein der geschützte Baubestand betrachtet, sondern jede Art vorhandener Bebauung. Nicht die Denkmalpflege oder die Stadtbildpflege stehen im Vordergrund, sondern die Nachhaltigkeit. Ein Weiterbauen unter der Einbeziehung von Zeitschichten und dem vorhandenen Kontext ist maßgeblich für unsere heutige Zeit. Die Weiterverwertung und der Erhalt jeglicher Baumasse, unabhängig von deren gesellschaftlicher Bewertung, sind relevant. Dabei ist die Ausformulierung einer neuen Architektursprache im Ensemble entscheidend. Es muss der Mehrwert wertgeschätzt werden, der durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kontext entsteht.

Jede Zeit hat ihren eigenen Ausdruck und dieser wird in jeder Generation neu verhandelt. Unsere Aufgabe ist es daher, der heutigen Welt Ausdruck zu verleihen. Architektur sollte ein Weiterbauen und weiteres Voranbringen neuer Entwurfsideen sein und nicht die Fortführung eines rückwärtsgewandten oder sogar historisierenden Duktus. Das Bauen im Bestand bedeutet aber nicht, das Alte zu überhöhen und daraus Gestaltungs-aspekte für den Neubau zu entwickeln. Es bedeutet vielmehr eine Implementierung von Neuem, es bedeutet, zu den Möglichkeiten der aktuellen Architektur zu stehen. Uns geht es darum, das Thema des Weiterbauens gezielt so zu bearbeiten, dass das Neue profitiert und auf den Bestand zurückstrahlt.

Architektur verdichtet Zeitebenen und ermöglicht im besten Fall das Erfahren von Zeitlichkeit, die an sichtbaren Zeitschichten als solche erlebt und nacherzählbar gemacht werden kann. Architekten, Stadtplaner und Denkmalpfleger sollten in einen unvoreingenommenen Dialog treten und der aktuellen Architektur zu neuem Ausdruck verhelfen. Wir selbst können nur positiv von den planerischen Gesprächen und Auseinandersetzungen berichten. Wir sehen aber an zu vielen Orten vertane Chancen für eine progressive Neuentwicklung im Sinne des Weiterbauens.

Wir haben für diese Ausgabe Projekte gesucht, die das Vorhandene im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs weiterentwickeln. Was uns interessiert ist, wie bestehende Strukturen und Erinnerungen angesichts knapper werdender Ressourcen in einer immer heterogeneren Gesellschaft weiterentwickelt und diesen ein neuer Ausdruck verliehen werden kann. Die ausgewählten Projekte sind weit entfernt von fahler Oberflächen-ästhetik oder dem schönen Schein hinter fragwürdigen Materialexzessen. Sie transformieren alle das Vorhandene auf höchst intelligente Weise. Dafür wurden jeweils Strukturen freigelegt und überraschend neu erfahrbar gemacht.

Architektur hat nicht so oder so zu sein, sie muss auf den Kontext und die jeweilige Aufgabe reagieren. Da helfen keine vorgefertigten Meinungen, wie eine Stadt, ein Gebäude, eine Oberfläche zu erscheinen hat. Offenheit, Reflexionsvermögen und Kreativität sind bessere Ratgeber, um die Gegenwart mit der Vergangenheit zu verbinden und damit eine vielversprechende Zukunft zu ermöglichen.

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