Buchrezension: Otto Bartning. Architekt einer sozialen Moderne

Im Untertitel des gut gemachten, gut gefüllten und inhaltschweren Ausstellungskatalogs grummelt es deutlich und fast schon murrig: "soziale Moderne" steht da und es liest sich wie eine Kampfansage. Gegen das ständige und mittlerweile gewohnheitsmäßige Gemeckere der landauf landab präsenten Moderneskeptiker und gegen alle die, die Architektur so gerne auf die schiere Menge, auf ihre Technologie, auf (substanzielle) Nachhaltigkeit oder einen Schönheitsbegriff reduzieren wollen, der von ganz weit her kommt und eigentlich mit unserem digitalen Leben so rein gar nichts mehr zu tun hat.

Von einer "Entdeckung" schreiben die Herausgeber im Vorwort und meinen damit sicherlich nicht, dass ihnen der Name und das Werk Otto Bartnings noch niemals untergekommen wäre. Vielleicht ist der Architekt, der in den bundesdeutschen Nachkriegsjahren zu den bekannteren gehörte, heute den meisten kaum noch ein Begriff. Selbst das Stichwort der "Notkirchen" gleitet bei vielen haltlos über die schon digitalisierten Rezeptoren in der äußeren Hirnrinde, was Not und was Kirche ist und dann noch in einem Wort ... es ist ein Fremdsein in der eigenen Architekturgeschichte.

Dabei spielt Otto Bartnings Werk - seine Schriften insbesondere - auch heute, oder wie einer der Herausgeber, Werner Durth, im persönlichen Gespräch sagte, gerade heute eine entscheidende Rolle. Oder zumindest könnte er diese spielen, wäre der Mann nicht ... siehe oben.

Also können wir ihn neu entdecken, ihn anders sehen, ihn nicht bloß als Notkirchen-Architekten sondern auch als engagierten Bestandsbewahrer, als kämpferischen Weiterbauer erkennen (in diesen Zeiten der Vergesslichkeit). Ihm haben wir die legendären Darmstädter Gespräche ebenso zu verdanken wie die in Darmstadt realisierten Meisterhäuser von Taut, Neufert und anderen. Seine Rolle auf der Interbau in Berlin in den 1950-er-Jahren oder die im Werkbund, vor allem aber seine Wirkung auf die deutsche Architektur bis heute, alles das wird uns in dem reich illustrierten Katalog vor Augen geführt. Neben (teils zu) schlanken Texten werden Skizzen, Entwürfe, Modelle und Projekte aus dem Lebenswerk des Architekten gezeigt, die in ihrer chronologischen Präsentation Persönlichkeit und Werk Otto Bartnings von den ersten Bauten in der Kaiserzeit über die Visionen und Projekte im Umbruch des Expressionismus in die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik bis hin zu seinem Engagement für eine Nachkriegsmoderne nachzeichnen.

Wer möchte, kann sich nach der Lektüre, die in empathischer Weise dem Spaziergang durch die Ausstellung nachempfunden ist, in die Schriften des Architekten vertiefen. Die wir noch allerdings nicht gesammelt vorfinden. Ein Danachsuchen dürfte die Reise ins Soziale der Moderne allerdings bereichern. Be. K.

Werner Durth, Wolfgang Pehnt, Sandra Wagner-Conzelmann, Otto Bartning. Architekt einer sozialen Moderne. Hrsg. v. Akademie der Künste und Wüstenrot Stiftung. Justus von Liebig Verlag, Darmstadt 2017, 128 S., zahlr. sw- und Farbabb.,
19,90 €, ISBN 978-3-87390-393-7

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