Buchrezension: Frau Architekt

Während es für die Einen erst den Beginn markiert, rollen die Anderen bereits mit den Augen. Die Ausstellung „FRAU ARCHITEKT – Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architekturberuf“ (noch bis zum 8. März 2018 im DAM, Frankfurt a.M.) ist für die Einen längst überfällig und wird von Anderen distanziert beäugt. Generell kann ich empfehlen, sich seinen grundsätzlichen Wissenslücken zum Thema „Frauen im Architekturberuf“ zu stellen, denn der Katalog zur Ausstellung ist ein Beginn und eine Chance, diese Lücken zu schließen. Und was ist interessanter als Kurzportraits von Menschen, die ihren Lebensweg erkennen und gehen?

Beginnend mit 4(!) Grußworten und dem Vorwort der „Herausgeber*innen“ Mary Pepchinski, Christina Budde, Wolfgang Voigt und Peter Cachola Schmal, wird der Leser in das Thema eingeführt. Einige historische Fakten sind sicher bekannt. Darüber hinaus liefern die Beiträge detailliertere Informationen und geben erste Eindrücke der akribischen Recherchearbeit, die dahintersteckt.

Nach fast 80 Seiten (deutsch/englisch) folgen die erwähnten Portraits von 22 Architektinnen auf jeweils durchschnittlich 3 Doppelseiten: von der ersten bekannten Architektin Deutschlands, Emilie Winkelmann, bis zu Gesine Weinmiller (im Monatsinterview der DBZ 12|17) und Almut Grüntuch-Ernst, die beide zu den lebenden Architektinnen zählen. Die Portraits geben einen detailliert beobachteten Einblick in die Werdegänge der Architektinnen. Sie sind das Herzstück des Katalogs und machen das Buch lesenswert.

Die abschließenden Beiträge beschreiben gesonderte Perspektiven, wie z.B. „Hauptstadt Berlin: Architektinnen auf der Großbaustelle“ oder „Architektinnen und Aktivismus in der Architektur“. Das Interview von Peter Cachola Schmal mit Kristin Feireiss über die Architektin Zaha Hadid hingegen zeigt eine persönliche Zusammenfassung von Werk und Leben der wohl bekanntesten Architektin.

Zum Schluss bin ich bei den ausführlichen Anmerkungen hängengeblieben. In der Auflistung werden unterschiedliche Quellen genannt, wie z.B. Briefe, andere Ausstellungs-Kataloge, Skizzenbücher, Interviews mit Familienmitgliedern, etc. … Die Anmerkungen lassen die weitläufigen Recherchearbeiten erkennen, die zu diesem inhaltlich umfangreichen und doch (dankenswerter Weise, weil selten) kurzgehaltenen Katalog notwendig waren und wie vergleichsweise wenig Literatur es zu dem Thema bisher gibt. Der Katalog schließt mit der Nennung von AutorInnen, Bildnachweis, Register und Impressum.

In seinen Maßen nicht ganz klein (30x24 cm) und durch seine 300 Seiten (150 g/m2) auch nicht ganz leicht, verleitet die Lektüre – mit historischen Fotoaufnahmen und ausführlichen Bildbeschriftungen – zum Innehalten, Überfliegen und Vertiefen. MS

FRAU ARCHITEKT. Von (Hrsg.) Mary Pepchinski, Christina Budde, Wolfgang Voigt und Peter Cachola Schmal. Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt a.M. & Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen 2017, 313 S., 48 €, ISBN 978-3-8030-0829-9 (Buchhandelsausgabe) oder ISBN 978-3-8030-0828-2 (Museumsausgabe)

x

Thematisch passende Artikel:

Mythos: Berufsbild Architekt

Ausstellung „Der Architekt – Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes“, Architekturmuseum München, 27.09.2012 - 03.02.2013

Selbstverständlich kann sich jeder etwas unter dem Beruf des Architekten vorstellen – er baut Häuser. Richtig! – und doch wieder nicht. Der Architekt ist vieles: Baumeister und Künstler und...

mehr
Ausgabe 12/2017

Wir alle haben diese Mütter gebraucht, die in „FRAU ARCHITEKT“ dargestellt werden Im Gespräch mit Gesine Weinmiller, Berlin www.weinmiller.de

Frau Weinmiller, Sie sind jetzt seit mehr als 25 Jahren im Architekturgeschehen. Was hat sich für Sie verändert? Im Laufe des Berufslebens ändert sich vor allem die Eigenwahrnehmung und das...

mehr

Frauen in der Architekturgeschichte

Begleitprogramm zur Ausstellung „FRAU ARCHITEKT – Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architektenberuf“ im DAM

Frauen können seit mehr als 100 Jahren Architektur an technischen Hochschulen studieren. Zwar sind in Deutschland aktuell 53 % der Architekturstudierenden weiblich, dennoch sind berufstätige Frauen...

mehr
Ausgabe 07/2010

Architekturförderpreis Auslobung der Architekturgalerie am Weißenhof für junge Architekten und Architektinnen

Die Architekturgalerie am Weißenhof in Stuttgart möchte mit ihrem Förderpreis die Tradition der Weißenhofsiedlung mit dem Anspruch der Architektur auf einen Beitrag zur zeitgenössischen Kultur...

mehr
Ausgabe 03/2023 Im Gespräch mit … Angelika Fitz und Elke Krasny, Az W, Wien/AT

Über Haltung in der Architektur sprechen

Yasmeen Lari war mir bis zu eurer Ausstellung im AZW unbekannt. Bin ich da alleine? Angelika Fitz (AF): Da bist du sicherlich nicht alleine, was viel über unsere Architekturwelt aussagt, die...

mehr