Buchrezension: Hans Stimmann , Stadt. Volk. Park.
Volkspark als Bühne städtischer SelbstinszenierungGärten, Parks ... es gibt doch nichts Schöneres, als durch diese riesigen Parklandschaften der Lennés zu laufen, ach was schreibe ich: zu flanieren! Raffiniert angelegte Wegesysteme, Rückzugsorte, Sichtachsen, Gewächs- und Gewächshausmischungen, Rezepte für alle Sinne derjenigen, die das einmal anlegen ließen: für die Fürsten des Landes. Das Volk hatte keinen Zugang, durfte nicht lustwandeln, konnte ja auch nicht, dafür war das Arbeitsleben einfach zu kurz.
Heute ist das anders, Arbeit und Erholung, also freie Zeit, also Freizeit bestimmen unser Stadt- und Arbeitsleben ebenso, wie die Arbeit selbst. Seit der Französischen Revolution, dem Erwachen eines Großbürgerlichen Selbstbewusstseins und dann - ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts - mit der Erkenntnis vom Wert des heilen und irgendwie heilsamen Raumes mitten in der dreckigen, immer schneller und enger werdende Metropole, wurden die Fürstenparks zu Volksgärten. Hier sollten sich die Bürger und die Arbeiter rekreieren, ihre Arbeitskräfte neu konzentrieren auf die zunehmende Anhäufung von Kapital auf Fürstenseite. Die hatten jetzt kleiner Gärten, wieder privat, ohne Sichtachsen.
Die Umwertung der Parks und ehemaligen Jagdreviere der Fürsten in Volksparks und die Schaffung solcher Grünanlagen zur Erholung der Stadtbevölkerung reicht bis in die heutige Zeit. Dass sie damit auch auf den zunehmenden Verlust öffentlicher Räume im Stadtraum insgesamt reagieren, sollte klar sein. Allerdings erscheint die Schaffung von immer mehr Grünflächen - Ausgleichsflächen nicht selten für die zunehmende Verdichtung der Wohnflächen - mittlerweile schon fast zwanghaft, Konzepte erscheinen als eben solche und nicht mehr als die Umsetzung eines gesellschaftspolitischen Bemühens um Stadtbürgerschaft.
Das zu diesem Thema erschienen Buch - was auf dem Titel den ausschließlichen Bezug auf die Stadt Berlin zumindest nicht artikuliert - zeigt ein paar Berliner Parkanlagen mit schönen Fotos von Erik-Jan Ouwerkerk. Eingeleitet wird die Bilderstrecke über Schwarzpläne von Tobias Nöfer, in welchen die Art und Intensität der Nutzung des Grünraums deutlich vor Augen geführt wird. Zugleich erkennt man schnell die geplante gartenarchitektonische Schönheit der meist alten und nur selten komplett überarbeiteten Anlagen. Die auf die Schwarzpläne folgenden Originalstiche und Zeichnungen aus Gartenplanerhand ermöglicht diese vergleichende Sicht. Dass Hans Stimmann in der Bewertung der aktuellen Planungen wenig zimperlich mit Behörden und Beteiligten ins Gericht geht, war erwartbar. Offenbar ist der Leidensdruck des ehemaligen Senatsbaudirektors Berlin nicht nicht zur Gänze gen Null gebracht, die alten Wunden längst nicht verheilt. Weiter so, Herr Stimmann? Be. K.
Hans Stimmann , Stadt. Volk. Park. Volkspark als Bühne städtischer Selbstinszenierung. Wasmuth, Tübingen 2017, 180 S., zahlr. Farbabb. und Pläne, 35 €, ISBN 978-3-8030-0823-7