Buchrezension: Herzog & de Meuron 2005-2007. Gesamtwerk Bd. 6
„Nach gut acht Jahren erscheint der lange erwartete sechste Band des Gesamtwerks“ so schreibt der Verlag und lässt dabei offen, was denn vor acht Jahren war (Erscheinungsjahr von Band 4). Lange erwartet war er sicherlich, da sein Erscheinen schon ein paarmal angekündigt worden war. Mutmaßungen über Disharmonien zwischen Verlag (Basel) und Architekten (Basel) standen im Raum, andere (nicht bloß Schweizer) Verleger standen sicherlich zur Übernahme der lukrativen Werkmonografie bereit.
Band 1-3 liegen länger schon zurück, Band 2 erschien damals noch vor Band 1, es gibt bereits weitere Auflagen. Mit Band 4 veränderte sich das Layout, ja das ganze Konzept. Es verschwinden die für die Frühzeit so typisch satten Bleistiftzeichnungen, die Farbfotos rücken ans Ende. In wissenschaftlichen Büchern nennt man diese Farbbildersammlung gerne „Farbtafeln“, eine der Herstellung geschuldete Notlösung, auf welche dann aus dem Textmeer davor mit meist römischen Zahlen verwiesen wird. Apropos Wissenschaft: Die unregelmäßige Erscheinungsweise der Bände erklärt der Herausgeber genau damit, dass es auch bei „wissenschaftlichen Werkausgaben“ (den catalogues raisonnés?) üblich sei, bei der Erscheinungsweise dem Zugriff auf die Quellenlage zu folgen und nicht einer konsequenten Bandnummerierung den Vorrang einzuräumen.
Anders geworden ab Band 4 und also auch in dem vorliegenden sechsten Band ist auch die Präsenz der Architekten. Die erzählen jetzt zu fast jedem Projekt und an jedem Projekt eine kleine – und meist sehr persönliche – Geschichte. Vom Erfolg aber auch von den Misserfolgen, die nicht selten eine Studie Studie haben bleiben lassen.
Geblieben ist natürlich das Format, die schrille Farbgebung der Leineneinbände, das schön schwere, leicht rauhe Werkdruckpapier, das gekonnt stringente Spiel mit der Typorafie, die dichte Belegung der Seiten mit kleinen Abbildungen aus dem Planungs- und Bauprozess. Ein wenig unverständlich erscheint die Trennung der Zeichnungen von den Projekten, die nun wie die „Bilder“ genannten Fotografien weiter hinten in einem eigenen Teil versammelt sind.
Auf jeden Fall verändert hat sich die Nähe des Lesers zum – schreiben wir mal – „Werkstück“, also dem Gebauten. Denn wenn Band eins noch elf Jahre umfasste, die folgenden Bände drei bis fünf sind es im aktuellen nur drei. Was der Explosion der Auftragslage zuzuschreiben ist. Und selbst wenn man die Arbeiten von HdM kontinuierlich verfolgt, findet man auf diesen Seiten jede Menge Unbekannter, die teils besser auch unbekannt geblieben wären. Oder positiv betrachtet: deren Vorhandensein und Dokumentation die große Maschinerie der Bautenproduktion besser verstehen lässt.
Die Arbeiten zeigen, so der Verlag, „die Schweizer Architekten auf der Höhe ihres Könnens“. Was wir nicht hoffen wollen, denn von der Höhe aus geht es nur hinunter. Oder in den Stillstand. Was nicht sein wird, die noch kommenden Bände werden es beweisen. Zu welcher letzten Bandnummer das Werkverzeichnis geht (der Meister schaffte es bis zur Nummer 7 plus einen Ergänzungsband) und ob man am Ende noch Farben für den Einband findet, die sich den vorhergehenden anschließen? Herzog & de Meuron setzen Maßstäbe, eben auch in der Bücherproduktion. Jetzt warten wir auf Band fünf, der demnächst kommen könnte, denn die hier dokumentierte Elbphilharmonie ist seit einem Jahr fertiggestellt. Be. K.
Herzog & de Meuron 2005-2007. Gesamtwerk Bd. 6, hrsg. v. Gerhard Mack. Birkhäuser, Basel 2017, 304 S., 325 sw- u. 1000 Farbabb., 124,95 €, ISBN 978-3-0356-1003-1